Pamela Anderson spricht im Interview über ihre Metamorphose vom Sexidol zur ernsthaften Schauspielerin, über ihr bewegtes Leben, ihre Söhne, die ihre Beschützer sind, und wie sie die „kleine Flamme in sich“ am Leben erhalten hat.
Pamela Anderson hat eine Karriere gemacht, die nicht immer ganz geradlinig verlaufen ist. Sie erzählt im Gespräch von ihrer Jugend, ihrem Großvater und ihrer Mutter, aber auch von Zeiten, die nicht einfach für sie waren.
Mrs. Anderson, Sie sind in einer kleinen Stadt in British Columbia, Kanada, geboren und aufgewachsen. Wie hat Sie das denn geprägt?
Ich war ein sehr eigensinniges, fantasiebegabtes Kind, das gerne über die Stränge schlug. Und ich hatte einen wunderbaren Großvater, der mir viele Märchen erzählte und mich auch in die nordische Mythenwelt einweihte. Er kam aus Finnland. Ich habe bis zu meinem elften Lebensjahr – bis zu seinem Tod – Finnisch gesprochen. Heute kann ich leider kein Wort Finnisch mehr. Er erklärte mir, dass ich viel mehr wäre als nur der verlängerte Arm meiner Eltern. Nämlich ein ganz neues Licht in der Welt. Und er sagte mir auch: „Das Leben ist ein Zahlungsmittel, das du ausgeben kannst, wie du willst.“

Welche Träume hatten Sie als junges Mädchen?
Als Kind habe ich immer davon geträumt, einmal etwas mit Tieren zu machen. Eine meiner Tanten war taub und sie hatte eine Katze, mit der sie kommunizieren konnte. Das fand ich wunderbar. Und das hat mich schon in jungen Jahren dazu gebracht, Tiere zu lieben. Andererseits war ich auch immer schon sehr sportlich. Mit 20 habe ich dann ein bisschen gemodelt und als Fitnesstrainerin gearbeitet.
Wie kommt eine kanadische Fitnesstrainerin auf das Titelbild des amerikanischen „Playboy“-Magazins?
(Lacht) Indem ich bei einem Football-Spiel in Vancouver ein „Labatt’s Beer“-T-Shirt getragen habe. Plötzlich fand ich mich auf der riesigen Videoanzeigetafel im Stadion wieder. Danach habe ich für die Labatt-Brauerei eine Zeit lang Werbung gemacht und wurde eine lokale Berühmtheit. Eines Tage rief eine „Playboy“-Fotografin an und sagte, sie würde gerne mit mir Fotoaufnahmen für ein Cover machen. Ich war total überrascht – und fragte meine Mutter, was ich denn tun sollte. Sie sagte: „Darling, mach’ es! Nutze die Chance, endlich von hier wegzukommen. Hab ein wunderbares Leben! Wir sind immer für dich da.“
Durch die Nacktfotos im „Playboy“ wurden Sie als Sexsymbol der 90er-Jahre weltberühmt. Wie fühlte sich das an?
Es war gleichzeitig unheimlich aufregend und angsteinflößend. Ich war damals nämlich furchtbar schüchtern. Das können Sie mir ruhig glauben! Die Zeit beim „Playboy“ half mir, meine Schüchternheit zu überwinden. Mit der Zeit bin ich auch immer stärker und selbstsicherer geworden. Allerdings habe ich mir damals auch jede Menge Schwierigkeiten eingehandelt… Aber als Playmate hatte ich ein aufregendes Leben – und ich bereue auch nichts. Es gibt eine Zeit und einen Ort im Leben, wo gewisse Dinge eben passieren. Daraus kann man viel lernen. Heute kann ich auf sehr viel Lebenserfahrung zurückgreifen. Diese Erfahrungen bereichern mein Privatleben ebenso wie meinen Beruf als Schauspielerin. Ich glaube nicht, dass ich Shelley in „The Last Showgirl“ hätte spielen können, wenn ich nicht auch in meinem Leben all diese Höhen und Tiefen durchlebt und angenommen hätte. Sie haben schließlich meinen Charakter geprägt.

Es hat lange gedauert, bis man Sie als Schauspielerin ernst nahm. Selbst in Ihrer Rolle als Rettungsschwimmerin in der TV-Kult-Serie „Baywatch“ wurden Sie eher durch Ihren Sex-Appeal ein kulturelles Phänomen.
Ich hatte eine großartige Zeit in den gut sechs Jahren bei „Baywatch“. Ich habe mich mit allen anderen Schauspielern immer sehr gut verstanden. Wir waren wie eine große Familie. Aber das liegt schon so weit zurück. (lacht) Eigentlich bin ich von „Baywatch“ zum Broadway gegangen.
Das war 2022. Dazwischen liegen 25 Jahre!
Ich weiß, aber diese Zeit ist merkwürdig verschwommen, als ob ein dicker Nebel darüberliegt. Meinen Neubeginn als Schauspielerin hatte ich in der Rolle der Roxie Hart im Broadway-Musical „Chicago“.
Wie haben Sie die Rolle denn bekommen?
Ich war bei einem Surfwettbewerb mit meinen Kindern, als ein Mann zu mir kam, der sich als Rob Marshall vorstellte. Er sagte, er sei Regisseur und Produzent und habe gerade das Musical „Chicago“ ins Kino gebracht. Und er sei ein großer Fan von mir und überzeugt, dass in mir eine echte Schauspielerin stecken würde. Er bot mir direkt dort am Strand die Rolle der Roxie Hart für eine „Chicago“-Produktion am Broadway an. Ich war vollkommen baff, dass er mir das zutraute. Aber damals fühlte ich mich noch nicht bereit für den Broadway. Und da meine beiden Söhne auch noch in der Schule waren, habe ich abgelehnt. Als er mich dann viele Jahre später in der TV-Show „Dancing with the Stars“ sah, rief er mich wieder an und bestand darauf, dass ich Roxie endlich mache. Diesmal sagte ich mit klopfendem Herzen zu. Das war das Beste, was ich je gemacht habe. Ich wusste auch gar nicht, dass ich gleichzeitig singen, schauspielern und tanzen konnte – und das auf einer Bühne! Das hat mir gezeigt, dass man nie weiß, was man alles erreichen kann, wenn man es nicht versucht.

Um noch einmal auf diese lange Zeit „im Nebel“ zurückzukommen: Da hatten Sie doch ein sehr turbulentes Leben …
Ja, sicher, das war alles wahnsinnig aufregend. Ich habe Tommy Lee geheiratet, von dem ich zwei wunderbare Söhne – Dylan und Brandon – habe, die mittlerweile erwachsen sind. Sie sind mein Ein und Alles. Aber es passierten ja auch noch andere Dinge, die in der Klatschpresse weidlich ausgeschlachtet wurden (zum Beispiel das Amateur-Sex-Video von Pamela und Tommy, das durch einen Diebstahl an die Öffentlichkeit gelangte; die Scheidung von Tommy und diverse andere Ehen und Scheidungen, Anm.d.Red.). Vieles davon hat mich psychisch sehr belastet. Ich hatte damals auch lange Phasen, in denen ich depressiv war. Aber ich habe nie aufgegeben. Und immer darauf gewartet, dass ich auch als Schauspielerin mal wieder gute Rollen bekomme.
Erzählen Sie uns doch ein bisschen von Dylan und Brandon.
Ich bin sehr stolz auf die beiden. Ich hatte nie ein Kindermädchen und habe sie ganz alleine großgezogen. Ich habe sie auch immer überall hin mitgenommen. Wahrscheinlich war das manchmal gar nicht so gut für sie. (lacht verlegen) Sie haben jedenfalls schon in sehr jungen Jahren eine Menge von dem mitgekriegt, was in meinem Leben so abging. Und das war nicht immer jugendfrei. Aber sie haben sich prächtig entwickelt. Dylan ist ein hervorragender Musiker und Brandon ein toller Schauspieler und Produzent. Sie sind meine großen Beschützer. Und total unterschiedlich: Dylan ist mein Zen-Master, er hat diese sanfte Energie. Und Brandon ist Feuer, Leidenschaft. Aber beide sind sehr großherzige Romantiker, was mich besonders glücklich macht.

Auf Ihren großen Erfolg am Broadway mit „Chicago“ folgte dann die Hauptrolle in „The Last Showgirl“…
…was ja fast nicht geklappt hätte. Denn hätte Dylan das Drehbuch von „The Last Showgirl“ nicht zufällig bei meinem Agenten gesehen, hätte ich die Rolle wohl nie bekommen. Mein Agent hatte mir das Drehbuch nämlich gar nicht angeboten, weil er meinte, das würde mich sowieso nicht interessieren. Mein Sohn hat es mir aber trotzdem mitgebracht. Als ich das Drehbuch las, dachte ich nur: Ich muss diesen Film unbedingt machen! Auf so eine Rolle wie Shelley habe ich mein ganzes Leben gewartet! Zum Glück sah das die Regisseurin Gia Coppola genauso. Die Dreharbeiten in Las Vegas waren absolut fantastisch. Ich konnte meine ganze Verletzlichkeit und Leidenschaft in diese Rolle einfließen lassen.
Sie tragen im Film meist überhaupt kein Make-up. War das Ihre Idee?
Ja, aber Gia war damit einverstanden. Denn ich wollte, dass die Leute im Kino mich sehen – und nicht eine herausgeputzte Version von mir. Auch im wirklichen Leben lege ich schon lange kein Make-up mehr auf. Da bin ich pur. Kein Lidschatten, kein Lip-Gloss, nichts. Was ist denn falsch an einem nackten, ungeschminkten Gesicht?

Von einer Sex-Ikone zur Charakterdarstellerin. Es scheint, Sie haben sich tatsächlich noch einmal neu erfunden.
Irgendwann war ich an einem Punkt, an dem ich mein Leben total umgekrempelt habe. Meine Söhne haben mir sehr dabei geholfen, mich so zu zeigen, wie ich heute bin.
Ich wusste, dass viel mehr in mir steckt, als ich bisher zeigen konnte. Verstehen Sie mich bitte richtig: Ich finde es toll, ein Teil der Popkultur zu sein. Das ist wirklich etwas Wunderbares. Aber es ist auch ein Fluch.
Ein Fluch?
Die meisten Leute wollten mich doch am liebsten im roten Baywatch-Badeanzug, als Celebrity oder als Playgirl sehen. Das bin ich längst nicht mehr. Heute lebe ich selbstbestimmt, habe die Macht über meinen Körper zurück und habe das Gefühl, dass dies mein kreativster und erfüllendster Lebensabschnitt ist. Nie hätte ich mir träumen lassen, dass das tatsächlich einmal Realität werden könnte. Zum Glück habe ich die kleine Flamme in mir immer am Leben erhalten.
Sie haben sich auch schonungslos mit Ihrer Vergangenheit auseinandergesetzt, haben Ihre Memoiren „In Liebe, Pamela“ geschrieben und dem Dokumentarfilm „Pamela: Eine Liebesgeschichte“ zugestimmt …

… was beides eine sehr therapeutische Wirkung auf mich hatte. Ich bin sehr froh, dass ich die Kraft dazu aufbringen konnte. Aber die letzten Jahre waren einfach wunderbar. Ich bin zurück nach Kanada gegangen, habe das Haus meiner Großmutter gekauft, es renoviert und mir dort einen paradiesischen Garten angelegt, wo ich Gurken, Tomaten und Gemüse aller Art anbaue. Ich lebe ja schon sehr lange vegan. Ich finde es sehr erfüllend, stundenlang im Overall und mit dem Strohhut auf dem Kopf im Garten zu arbeiten. Und ich liebe es zu kochen und zu backen. Ich mache auch meinen eigenen Brotteig selbst. Meine Spezialität sind übrigens Piroggen, gefüllt mit Pilzen. Rezepte dazu und noch vieles mehr finden sich auch in meinem Kochbuch „I Love You – Recipes from the Heart“.
Pamela Anderson – die kochende Einsiedlerin?
(Lacht) Das wohl nicht. Aber ich bin wirklich bei mir angekommen. Zuhause kann ich Kraft sammeln, mit meinen Hunden spazieren gehen und für meine Familie und Freunde kochen. Und wenn man mich wieder für einen Film haben will, bin ich bereit.
Verraten Sie uns noch Ihr Lebensmotto?
Lass’ es geschehen. Vertraue dich dem Geheimnis des Lebens an. Und was auch immer kommen mag – es ist okay.