Die Arnold Circus Productions und ihr Chef Joachim Arnold sorgen in diesem Jahr für ein Mega-Kulturereignis. „Die Zauberflöte“ von Mozart wird am Saarpolygon aufgeführt.
Herr Arnold, das Saarpolygon, das eindrucksvolle Stahlmonument auf der Bergehalde Duhamel in Ensdorf gilt als Denkmal für den saarländischen Bergbau. Wie entstand die Idee, dort „Die Zauberflöte“ aufzuführen?
Ich interessiere mich für Technik, und für Spektakuläres. Ich habe die Diskussionen um das Polygon verfolgt – 2016 wurde es tatsächlich gebaut. Als es fertig war, dachte ich: Wow! Ein Jahr später kam ich auf die Idee: Dort oben müsste man etwas machen. 2018 habe ich zusammen mit Stefano Poda „Die Zauberflöte“ am Saarpolygon projektiert. Die Bildmarke, das Polygon im Flammenkranz, hat Stefano Poda für die erste Präsentation entworfen. Zum damaligen Zeitpunkt waren die Gegebenheiten noch andere, wir mussten das Projekt relativ schnell in die Schublade stecken. Bei einem Ideenworkshop 2022 mit Landkreis, Gemeinde, Tourismus, RAG, BergbauErbeSaar und anderen, bei dem ich auch eingeladen war, ging es darum, wie man das Saarpolygon weiter in Wert bringen könne. ,Wir haben ein Projekt, das dorthin passt‘, habe ich gesagt. Dann haben wir wieder einen Anlauf gemacht.
Auf dem Plateau steht das Saarpolygon, sonst ist dort keinerlei Infrastruktur, nichts, nur Wind.
Was ist die größte organisatorische Herausforderung?
Wenn nichts dort ist, heißt das, man muss alles hinstellen. Das macht die Sache schon einfacher. Wenn etwas dort wäre, was man nur zur Hälfte brauchen kann, wäre es schwieriger. Wir müssen alles hinbringen: Strom, Tribüne, Sitzgelegenheiten, Bühne, Podeste, Licht, Ton. Und: Wir müssen die Besucher hochbringen. Auf der einen Seite ist das Wahnsinn, auf der anderen ist es unter Anführungszeichen einfach, weil wir uns keinerlei Illusion hingeben können, dass irgendetwas dort ist, was wir nutzen können.
Wo heute der Merziger Zeltpalast steht, war vor 2001 auch nichts. Heute steht dort eine Zeltstadt plus eine Open-Air-Spielstätte. Wird in diesen Sommer dort etwas gespielt?
In diesem Jahr legen wir eine Spielpause im Zeltpalast ein. Wir sind mit der Opernproduktion am Saarpolygon extrem eingespannt. Danach wird man sehen.
Die Kammermusiktage werden bis auf ein Konzert wieder in der Alten Abtei in Mettlach stattfinden. Kebyart heißt eine Formation bestehend aus vier Männern mit Saxofon, die Musik aus dem 17. Jahrhundert, beispielsweise Bach und Rameau, arrangieren. Wie lässt sich das Klangergebnis beschreiben?
Dynamisch, sphärisch, atmosphärisch. Das ist genauso grandios zu hören wie Bachs „Die Kunst der Fuge“, von einem Saxofon-Quartett gespielt. Barockmusik ist generell sehr gut geeignet, um in vielerlei Varianten arrangiert zu werden. Das klingt fantastisch.
„SR Klassik am See“ feiert Spanien. Laura Lootens wird das berühmte „Concierto de Aranjuez“ von Rodrigo spielen – als 15-Jährige gab sie mit dem Stück ihr Orchesterdebüt. Eine grandiose Musikerin spielt ein geniales Stück. Ist dem etwas hinzuzufügen?
Entscheidend ist, dass eine junge Deutsche aus Bayern im Jahr 2022 den wichtigsten Gitarrenwettbewerb, den Andrés-Segovia-Wettbewerb, in Andalusien gewonnen hat. Dass sie mit Pablo Mielgo, dem spanischen Dirigenten, dem künstlerischen und musikalischen Leiter des Orquestra Simfònica de les Illes Balears, in Losheim spielt, das finde ich natürlich fantastisch. Wir reden heute nicht mehr davon, dass spanische Musik nur von Spaniern oder deutsche Musik nur von Deutschen gespielt werden kann. Wir leben in einer globalisierten Welt.
Zurück zur „Zauberflöte“. Stefano Poda ist Regisseur und auch Bühnen- und Kostümbildner, Lichtgestalter und Choreograf. Wie wurde der ideale Mann für diese Unternehmung gefunden?
In meiner Zeit als Operndirektor in Wuppertal habe ich ihn als einer der ersten im deutschsprachigen Raum bei großen Widerständen für eine Produktion von „Tosca“ engagiert. Diese Art der Ästhetik, die Kunst von Stefano Poda, war vor zehn Jahren im deutschen Stadt- und Staatstheaterbetrieb nicht wirklich präsent. Sein Stil ist ein architektonisches Gesamtkunstwerk, das von der Licht- und dramaturgischen Führung her sehr auf Überwältigung ausgerichtet ist. Er verfolgt kein psychologisches Theater und kein Theater im Brecht’schen Sinn. Sein Theater ist losgelöst von der dialektischen oder zeitgenössischen Auseinandersetzung mit einem Theaterstoff, worauf sich das sogenannte Regietheater beruft. Sein Theater ist das Theater der synästhetischen Raumwirkung. Seine Mittel sind: Licht, Schatten, Skulpturalität. Seine Bühnenbilder sind von extremer Materialhaftigkeit. Stefano Poda ist für mich wie ein Renaissance-Künstler. Er bezieht alle Kunst- und Kulturgattungen – Philosophie, Architektur, Tanz, Musik, Sprache und Drama – in seine Arbeit ein und möchte die Zuschauer überwältigen. Ein überwältigendes Erlebnis, das ist seine Theaterkunst!
„Die Zauberflöte“ ist ein Publikumsliebling mit weltbekannten Arien. Was geschieht, damit Gesang und Musik nicht vom Winde verweht werden?
Das ist eine technische Frage, aber extrem wichtig. Wir haben ein Surround-Tonsystem, ganz ähnlich, wie es auch bei den Bregenzer Festspielen verwendet wird. Egal, was rundherum an Wind und Wetter passiert, die Zuschauer werden sich akustisch so fühlen, als ob sie in einem geschlossenen Raum säßen. Die Lautsprecher sind so ausgerichtet, dass der Zuschauer den Eindruck erhält, als würde er unter einem Dach sitzen.
„Die Zauberflöte“ beinhaltet Märchenhaftes und spektakuläre Bühnenverwandlungen. Wie werden die visualisiert?
Das hauptsächliche Visualisierungsmittel ist die Projektion. Wir arbeiten mit fünf Höchstleistungsprojektoren und einer dafür international bekannten Firma, die darauf spezialisiert ist. Das Polygon – 30 Meter hoch, und fast so breit – ist zwar durchlässig, wird aber sowohl Theaterportal, Bühne als auch Projektionsfläche sein.
Bei den Opernfestspielen am Saarpolygon wirken 20 Sängerinnen und Sänger vom Vokalwerk der Opernfestspiele Heidenheim mit. Das Festspiel-Orchester bildet die Cappella Aquileia, das Orchester der Opernfestspiele Heidenheim. Haben Sie die Formationen abgeworben und Heidenheim klagt?
(lacht) Der Heidenheimer Oberbürgermeister Michael Salomo wird vielleicht zur Premiere kommen. Wir haben eine fantastische Kooperation mit den Heidenheimer Opernfestspielen, die unter der Leitung von Marcus Bosch in den letzten zehn Jahren zu sehr relevanten Opernfestspielen geworden sind. Marcus Bosch ist sowohl künstlerisch als auch privat ein Freund von mir. Das Vokalwerk und das Orchester Cappella Aquileia der Opernfestspiele Heidenheim kommen zu uns nach Ensdorf nach der Beendigung der Opernfestspiele in Heidenheim.
Finden erst die Endproben vor Ort statt?
Alle Proben finden auf dem Gelände statt. Die ersten szenischen Proben werden im Zechengebäude, am Fuße der Halde, stattfinden. Das alte Zechengebäude für die Bergleute an der Grube Ensdorf gibt es noch. Es steht leer. Wir bauen dort eine Probebühne auf und beginnen mit den Proben am 21. Juli. Der technische Aufbau am Saarpolygon wird um den 6. August beendet sein, am 11. August ist die Klavierhauptprobe oben am Polygon, ab 12. August beginnen die Bühnen- und Orchesterproben, bis zur Premiere am 16. August.
Zu Fuß kommt man nicht auf die Bergehalde und zum Spielort. Pro Vorstellung müssen 1.500 Menschen auf die Bergehalde hinaufbefördert werden. Wie denn?
Mit zwölf Elektrobussen, die uns dankenswerterweise von unserem Partner, den kommunalen Verkehrsbetrieben Saarlouis, mit Busfahrern zur Verfügung gestellt werden.
Was, wenn das Wetter nicht mitspielt?
Wir haben einen Meteorologen, der auch für „Rock am Ring“ und andere Festivals arbeitet, engagiert. Wir werden das Mikroklima akribisch, sowohl Wochen- als auch tageweise als auch stundenweise, beobachten lassen. Wir werden immer wissen, was wir vom Wetter zu erwarten haben. Wir wollen in der Spieldauer von 135 Minuten nicht vom Wetter überrascht werden. Wir würden beispielsweise später mit der Vorstellung beginnen, wenn die Wettervorausschau es anzeigt. Wir werden vermeiden können, dass, wenn wir spielen, ein plötzliches Gewitter uns zum Abbruch zwingt.
Die Arnold Circus Productions plant mit 1,5 Millionen Euro Entstehungskosten, 400.000 Euro kommen als Leuchtturm-Förderung vom Ministerium für Wirtschaft, Innovation, Digitales und Energie, auch die RAG Stiftung beteiligt sich …
Ja, unsere Hauptfinanziers sind das Land, die erwähnte Leuchtturm-Förderung, die eine touristische, keine kulturelle Förderung ist, und die RAG-Stiftung, beteiligt sich sowohl finanziell, als auch ideell. Ebenso die Victor’s Group. Auch unsere Gold-Sponsoren beteiligen sich finanziell. Als weitere leisten Silber-Sponsoren und Partner Beiträge. Auch der Landkreis und die Gemeinde Ensdorf engagieren sich. Der Saarländische Rundfunk, „FORUM – Das Wochenmagazin“ und weitere mediale und ideelle Förderer sind dabei.
Bekannt ist, dass die Künstler, die im Merziger Zeltpalast auftreten in einem Victor’s Residenz-Hotel untergebracht werden. Gilt das auch für die Mitwirkenden der Zauberflöte?
Ja. Viele der Beteiligten sind bei Victor’s Residenz-Hotel Saarlouis sehr gut untergebracht. Das ist wunderbar, und eine wichtige Voraussetzung dafür, das Budget im Griff zu haben.
Acht Vorstellungen werden stattfinden. Bereits jetzt sind über die Hälfte der 12.000 Karten verkauft. Hätten Sie mit damit gerechnet, dass der Kartenabsatz so rasant vonstattengeht?
Dass ist Wahnsinn! Schlägt dieses Projekt ein?, das war die Frage meiner schlaflosen Nächte. Meine Angst war, dass das Projekt nicht sofort zündet. Ich habe hoffnungsfroh erwartet, dass das Projekt einschlägt wie eine Bombe. Und so ist es gekommen.
Mit dem Förderverein BergbauErbeSaar, dem Eigentümer des Saarpolygons, wurde ein Vertrag auf vier Jahre geschlossen. Soll nun konkret werden, was Sie für den Merziger Zeltpalst mehrfach angekündigt, aber nie realisiert hatten, nämlich den Bustourismus für die Folgejahre anzuwerben?
Das Ziel verfolgen wir explizit. Die Opernfestspiele 2025 bewerben wir für den Bustourismus bereits jetzt.
Die Zuschauer, die im Zeltpalast das Musical besucht haben, werden wohl zum Saarpolygon wandern – ein Zuschauertransfer. Wie werden über die Region hinaus potenzielle Besucher angesprochen?
Wir merken, dass Social Media wirkt. Unsere intensive Pressearbeit – von Flensburg bis München – kommt an. Unsere Ankündigungen in „Süddeutsche Zeitung“, „Stern.de“ und bei anderen werden wahrgenommen. Die überregionalen Medien zeigen alle Interesse. Wir laden Journalisten von auswärts aktiv ein und sind zuversichtlich, dass sich Fachjournalisten „Die Zauberflöte“ anschauen werden.
In der Zauberflöte wird gezaubert. Ein Wunsch zur Premiere am 16. August wird Joachim Arnold gewährt. Der lautet?
Gutes Wetter!