Profi-Longboarderin Jikal Hassan aus Berlin verbindet Fashion-Looks mit dem Skaten und war bereits bei großen Kampagnen von Zalando oder Dacia zu sehen. Ein Interview über diese ganz besondere Kombination von Mode und Sport.

Jikal, wie kamst Du zum Longboard und was begeistert Dich daran?
Ich habe schon immer Sport geliebt – meine ganze Freizeit war darauf ausgerichtet. In meiner Kindheit habe ich sehr viel getanzt – Jazz, Hip-Hop und natürlich klassische Tänze wie Walzer. Ich stand auch oft auf der Theaterbühne, habe Theater gespielt und Schauspiel gemacht. Beim Tanzen war ich sogar auf Meisterschaften unterwegs. Später habe ich dann meine Liebe zum Fußball entdeckt und einige Jahre bei der 1. Damenmannschaft von Hannover 96 gespielt. Zwischendurch gab es immer Phasen, in denen ich mit Skates, Rollern oder anderen Dingen unterwegs war – alles was Rollen hatte, habe ich ausprobiert. Ich erinnere mich noch gut daran, wie sehr mir der Teamsport ein Gefühl von Zusammenhalt gegeben hat. Doch als ich mit 19 das erste Mal auf einem Longboard stand, war das wie ein Puzzlestück, das sich eingesetzt hat. Damit konnte ich plötzlich all meine Erfahrungen aus Tanz, Theater und Sport miteinander verbinden. Ich durfte das Board einige Wochen ausleihen und war sofort fasziniert. Diese Freiheit, sich kreativ zu bewegen, sich auszudrücken – das war neu, intensiv, kraftvoll. Ich liebe es, diesen Sport mitgestalten zu können.
Du trägst oft keine Sport-Bekleidung auf Deinen Longboard-Fotos, sondern schicke Outfits. Wie entstand die Idee, Fashion-Looks mit dem Longboard zu kombinieren?
Ich habe mich schon immer für Mode interessiert, und ich fand es immer schade, dass Skaten oft so stereotypisiert wurde. Als gäbe es nur diesen einen „Skater-Look“. Ich bin gerne vieles. Ich kann hinfallen, mir die Haut aufschürfen oder mich wirklich übel verletzen und trotzdem direkt wieder aufs Brett steigen – aber ich bin auch weich, sensibel und ärgere mich, wenn mein Nagel abbricht. Für mich geht es darum, dass ich mich nicht in Schubladen pressen lasse – genauso wenig wie meinen Stil. Ich liebe Gegensätze. Die Mischung aus Stärke und Zartheit, aus Funktionalität und Ästhetik. Mein Stil hat keine festen Grenzen – genauso wenig wie ich als Mensch.
Was macht für Dich den speziellen Reiz der Verbindung von eleganten Outfits mit den sportlichen Bewegungen auf dem Longboard aus?
Es zeigt: Ich kann schön und stark sein, elegant und explosiv. Ich liebe es, wenn Kontraste nicht gegeneinander arbeiten, sondern sich gegenseitig stärker machen. Ich habe schon unzählige Male außerhalb des Skateparks gehört: „Ich hätte nie geglaubt, dass du skatest.“ Genau das hatte ich früher schon beim Fußball. Ich finde diesen Kontrast faszinierend. Und gleichzeitig will ich zeigen: Es gibt keine Grenzen. Ich liebe es, meinen Stil auszudrücken – umso schöner, wenn ich das mit meinem Sport verbinden kann.
Was magst Du an der Verbindung von Mode und Sportfotografie?
Nach dem Abitur habe ich viel gemodelt – das war eine ganz eigene Welt, die ich spannend fand. Aber auch oberflächlich. Ich stand oft stundenlang gestylt am Set und habe mich gefragt: Wo bin ich in dem Bild? Heute erzähle ich meine Geschichte selbst. Ich liebe es, dass sich die Branche verändert. Früher wurden für Sportkampagnen meist Models gebucht, die selbst keinen Bezug zum Sport hatten. Heute dürfen echte Talente ihre Geschichten erzählen. Das ist eine Entwicklung, über die ich mich wirklich freue.
Fährst Du privat auch manchmal mit Mantel und High Heels auf dem Board?
Haha, ja – die Idee stammt tatsächlich aus dem echten Leben. Ich nutze mein Longboard oft als Fortbewegungsmittel. Und es ist mehr als einmal passiert, dass ich auf dem Weg zu einem Termin oder Abendessen mit Mantel und Absatzschuhen einfach aufs Board gestiegen bin. Das bin ich, und das wird sich auch nie ändern. Es zeigt auch, dass es nicht „die eine Skaterin“ gibt. Skaterinnen können so vielfältig sein – bunt, elegant, wild, soft, laut, ruhig. Alles hat Platz.
Welche Outfits trägst Du besonders gern auf dem Board?

Ich liebe gerade geschnittene oder baggy Jeans mit Croptops – am liebsten mit Turtleneck oder rückenfrei. Ich habe als Teenager nie bauchfrei getragen. Heute trage ich fast nur noch bauchfrei – nicht, um zu provozieren, sondern weil ich mich darin selbstbewusst fühle. Ich achte stark auf Stoffe – kein Polyester, sondern Baumwolle oder Naturstoffe. Kleidung soll nicht nur gut aussehen, sondern sich auch gut anfühlen. Mein Style ist Ausdruck meiner Haltung: bewusst, frei und mutig.
Wie kam es zur Kampagne für Zalando?
Ein Scout einer renommierten Modelagentur aus Berlin fragte mich bei Instagram, ob ich Interesse an einer Kampagne hätte. Ich hatte gerade mein erstes Staatsexamen in Jura abgeschlossen und mein Profil von privat auf öffentlich gestellt. Dass man mich kurz danach wegen meines Longboard-Talents anfragte, war etwas ganz Besonderes. Die Zalando-Kampagne hat Diversität gefeiert – nicht als Trend, sondern als Haltung. Ich durfte dort nicht nur modeln, sondern ein Statement setzen.
Auch für Intersport und Dacia hast du bereits Werbekampagnen abgedreht. Wie laufen solche Kampagnen ab, und wie hast Du es erlebt?
Die Dacia-Kampagne war global – ich war weltweit auf Bildschirmen und Plakaten zu sehen. Ich wurde für zwei Wochen nach Kapstadt eingeflogen und als Haupttalent gebucht. Die Produktion war riesig – Hunderte Menschen am Set, Straßensperrungen in Kapstadt Downtown. Es war eine wahnsinnig schöne, aber auch fordernde Erfahrung. Ich wusste: Alles hängt jetzt von mir ab.
Intersport war das Gegenteil: kleines Team, viel DIY, super persönlich. Für Dominos wurde ich zum Beispiel innerhalb von fünf Tagen von Berlin nach Sydney geflogen – alles aufwendig, aber großartig.
Mit welchen Marken hast Du noch zusammengearbeitet?
Ich durfte mit Marken wie Schwarzkopf, Swarovski, Eastpak, Pangaia, Zalando, Dominos und vielen mehr zusammenarbeiten. Besonders wichtig ist mir bei allen Kooperationen, dass Geschichten erzählt werden – echte Geschichten, mit Haltung, mit Tiefe. Ich arbeite am liebsten mit Marken zusammen, die mich als Persönlichkeit sehen, nicht nur als Werbefläche.
Wie sieht Dein Alltag aus?
Ich konzentriere mich derzeit auf meine Schauspielausbildung – ganztags, mit allem, was dazugehört: Textarbeit, Körpertraining, Szenenstudium. Es macht mir riesige Freude, neue Rollen zu erforschen, Emotionen zu zeigen, Geschichten zu erzählen. Mein Alltag ist ein Balanceakt zwischen Schauspiel, Sport, Content-Produktion, Planung und bewussten Pausen.
Ich trainiere viel, bin unterwegs auf Reisen und nehme aktiv an Meisterschaften teil – dafür trainiere ich regelmäßig und sehr strukturiert, und seit Kurzem habe ich auch das Sportschießen für mich entdeckt. Es fordert mich mental und körperlich. Die Konzentration, Kontrolle und Ausdauer, die dieser Sport verlangt, ist etwas, das mich fasziniert und in meiner Entwicklung als Sportlerin stärkt. Mein Kalender ist voll – aber mein Herz glücklicherweise auch.

Für welche positiven Dinge nutzt Du Dein Profil und Deine Reichweite bei Instagram gern?
Ich sehe meine Plattform als Sprachrohr – nicht für Perfektion, sondern für Sichtbarkeit und das Schaffen von Verbindungen. Ich setze mich ehrenamtlich für Workshops mit Jugendlichen ein, besonders für Mädchen, die in den momentan lauten Systemen oft übersehen werden. Ich unterstütze Bildungs- und Kulturprojekte für junge Menschen mit Fluchtgeschichte, weil ich aus eigener Erfahrung selbst weiß, was es heißt, anders wahrgenommen zu werden. Meine Inhalte sollen Mut machen, sich zu zeigen – genau so, wie man ist. Ich teile nicht nur Ergebnisse, sondern Wege. Ich glaube an die Kraft der Ehrlichkeit und Sichtbarkeit.
Wenn Du Dinge im Modebusiness und bei den sozialen Medien verändern könntest – welche wären das?
Ich wünsche mir mehr Authentizität und Ehrlichkeit. Weniger Filter, mehr Haltung. Weniger Trendhype, mehr Substanz. Mode sollte nicht nur den Körper schmücken, sondern auch den Charakter feiern. Ich möchte, dass die Vielfalt unserer Gesellschaft nicht als „Diversity-Kampagne“ inszeniert wird, sondern als Normalität existiert. Auch Social Media braucht mehr Verantwortung – für Sprache, für Gemeinschaft, für Einfluss. Es geht nicht darum, perfekt zu wirken, sondern darum, menschlich zu bleiben.
Was waren für Dich die Highlights in Deiner Karriere?
Ich bin ein Kind von Kriegsflüchtlingen. Ich komme aus dem Irak, habe bis zu meinem 23. Lebensjahr keine deutsche Staatsangehörigkeit gehabt. Ich kenne das Gefühl, nicht frei reisen zu können, in Wartezimmern zu sitzen, Formulare zu erklären, nie ganz dazuzugehören. Heute darf ich um die Welt fliegen, weil ich etwas kann, das mich trägt, auf Rädern, auf Bühnen, im Herzen. Das ist surreal und wunderschön. Highlights? Wenn mir ein Mädchen schreibt, dass sie wegen mir mit dem Skaten begonnen hat. Wenn jemand durch meine Worte den Mut findet, sich zu zeigen. Das sind die echten Erfolge. Größer als jede Kampagne.
Wenn Du anderen von Deinem Leben erzählst – welche spannenden, lustigen oder verrückten Erlebnisse und Geschichten sind dann immer mit dabei?
Kurz vor einem Shooting für das Buch einer bekannten Make-up-Artistin hatte ich einen Skateunfall. Mein Gesicht war verletzt, geschwollen, voller Schrammen. Ich dachte, das Projekt sei geplatzt – es war für mich ein riesiger Moment. Doch als ich sie anrief, sagte sie: „Wir wollen dich – mit oder ohne Schrammen. Das bist du.“ Wir machten weiter. Sie machte Glitzer auf die Wunden. Heute ist das Buch veröffentlicht – mit meinem Bild, so roh, so ehrlich wie ich. Und es ist eines der stärksten Fotos meiner Karriere.
Was fasziniert Dich an Mode?
Mode ist für mich Ausdruck, mal laut, mal leise, aber immer ehrlich. Ich liebe es, mit Kleidung Stimmungen und Geschichten sichtbar zu machen. Sie ist mein Sprachrohr, wenn Worte fehlen.
Auf welche Farben setzt Du diesen Sommer?
Naturtöne wie Beige und Braun, kombiniert mit kräftigem Blau oder Grün. Ich liebe Farben, die entweder beruhigen oder Energie geben, je nach Tagesgefühl.
Wie sieht ein perfekter Sommerlook für Dich aus?

Ein luftiges Croptop, lockere Hose, gern schön an der Hüfte, Sonnencreme statt Make-up, dazu ein Halstuch und Accessoires. Frei, leicht, echt.
Was trägst Du im Sommer am liebsten, wenn es etwas schicker sein soll?
Ein Kleid mit Rückenausschnitt oder eine Corsage zur weiten Hose. Elegant, aber bequem – ich liebe es, wenn Looks nicht verkleidet wirken.
Gibt es Sommertrends, die Du schrecklich findest?
Alles, was sich wie Plastik anfühlt.
Was würdest Du nie tragen und warum?
Ich würde nie etwas tragen, das mir das Gefühl gibt, jemand anderes sein zu müssen. Kleidung, die mich einengt, körperlich oder gedanklich, passt nicht zu mir. Ich will mich in meinem Look frei bewegen können, atmen, lachen, stürzen, tanzen. Mode muss mich begleiten, nicht beschränken.
Welche Pläne hast Du für die Zukunft?
Ich möchte weiter wachsen, auf dem Board, auf der Bühne und als Mensch. Und ich will anderen Mut machen, ihren eigenen Weg zu gehen.