Heilpraktiker Robert Kroll leidet seit vielen Jahren unter einem Tinnitus, der sich inzwischen verbessert hat. Im Interview spricht er über seine Erfahrungen mit belastenden Ohrgeräuschen.
Herr Kroll, wann begann bei Ihnen der Tinnitus, und wie genau äußerte er sich?
Im Alter von 15 Jahren bekam ich einen Tinnitus. Nach einem Rockkonzert hatte ich Töne auf beiden Seiten. Das Konzert war in der Halle und extrem laut. Nach einigen Tagen der Ruhe blieb linksseitig ein Ton bestehen. Schwindel hatte ich nicht.
Was hatte sich dadurch in Ihrem Leben verändert?
Ich war sehr beeinträchtigt durch die Ohrgeräusche. Zuerst fokussierte ich mich permanent auf den Tinnitus. Ich bekam zehn Tage stationär eine Infusionstherapie. Der Tinnitus blieb. Außerdem war ich sehr lärmempfindlich und hatte Angst vor einer Verschlimmerung. In der Schule zog ich mich zurück und wurde introvertierter. Nach einem Jahr hatte ich mich an die Geräusche gewöhnt und war nicht mehr negativ beeinflusst. Ich hörte sogar wieder Musik über Kopfhörer. Nur in Clubs mit lauter Musik hatte ich Angst und benutzte Hörschutz.
Wie ging es in den folgenden Jahren weiter?
Mit Anfang 20 wurden die Ohrgeräusche über Nacht plötzlich wesentlich lauter. Von da an ging die massive Beeinträchtigung wieder von vorne los und noch etwas schlimmer. Ich unterbrach mein damaliges Studium und versuchte viele Therapien, um meine Geräusche wieder zu beruhigen: Hyperbare Sauerstofftherapie, Infusionstherapie, Physiotherapie. Nichts brachte eine Besserung. Dann begann eine depressive Episode. Diese wurde gebessert durch den regelmäßigen Besuch bei einer Therapeutin. Dort lernte ich Entspannungsübungen nach Jacobson und einen besseren Umgang mit dem Tinnitus. Mit Mitte 30 wurden die Ohrgeräusche nochmals lauter. Zusätzlich gab es eine Hyperakusis (Lärmempfindlichkeit) und eine Dysakusis (Hörverzerrung). Wieder war es mir nicht mehr möglich, damit umzugehen. Ich konnte meinen damaligen Beruf nicht mehr ausüben. Ich ging in eine psychosomatische Tagesklinik für vier Wochen. Erst durch eine Kombination aus Somatic-Experiencing-Therapie und Lasertherapie kam Besserung in meine Symptome. Seitdem ist es jetzt besser und ich kann wieder in Ruhe leben.
Wie sind Sie auf die beiden Therapieformen gestoßen?
Somatic Experiencing lernte ich durch meinen Tagesklinik-Aufenthalt kennen. Dort wendete die Therapeutin das Verfahren an. Später besuchte ich die Therapeutin regelmäßig in ihrer privaten Praxis. Auf die Lasertherapie bin ich im Internet gestoßen. Ich habe einige Artikel von Dr. Wilden gefunden. Sein Sohn praktiziert noch in Baden-Baden, und dort begab ich mich in Behandlung.
Wie lange hat es gedauert, bis es Ihnen besser ging?
Mit Somatic Experiencing habe ich bestimmt sehr regelmäßig über zwei Jahre gearbeitet. Die Therapie brachte mich zur Ruhe und ich habe mich dadurch auch persönlich zum Positiven weiterentwickelt. Es gab dadurch Veränderungen in meinem Leben und es kam einiges zur Ruhe. Der Tinnitus war aber teilweise noch immer recht intensiv, weshalb ich mich auf die Suche nach weiteren Möglichkeiten gemacht habe. Dann habe ich mit der Lasertherapie angefangen und in Abständen Behandlungen durchgeführt. Nach etwa einem Jahr waren meine Hyperakusis und meine Dysakusis verschwunden. Auch die Geräusche waren erheblich gelindert.
Wie genau sieht Ihr Tinnitus heute aus?
Meine Dysakusis und meine Hyperakusis sind weg, aber mein Tinnitus ist noch vorhanden. Allerdings auf einem recht sanften und moderaten Niveau. Auf einer Skala von eins bis zehn war er auf zehn und ist nun bei drei.
Waren Sie damals auch von Hörverlust betroffen?
Es gab einen Hörverlust im Hochtonbereich. Die Absenkung war bei den Frequenzen 6–8 kHz.
Die meisten Menschen kennen Piepsen in den Ohren bei Stress. Ist das schon Tinnitus?
Geräusche in den Ohren sind Tinnitus. Bei den meisten Menschen verschwinden diese nach einem kurzen Augenblick wieder. Bei anderen jedoch bleiben diese über eine längere Zeit oder bleiben komplett da. Auf jeden Fall ist dies ein Hinweis, dass es eine Überforderung gibt. Es sollte dann auf den Körper „gehört“ werden. Die eigenen Grenzen sollten eingehalten werden und Ruhephasen eingeplant werden.
Was ist der Unterschied zwischen akutem und chronischem Tinnitus?
Tritt ein Tinnitus auf, spricht die Schulmedizin von einem akuten Tinnitus. Bleibt der Tinnitus über drei Monate bestehen, wird dieser als chronisch bezeichnet. Akuter Tinnitus wird meist mit Cortison therapiert. Bei chronischem Tinnitus wird allgemein eine Verhaltenstherapie empfohlen. Nach meinen Erfahrungen ist der chronische Tinnitus auch therapierbar und auch veränderbar.
Was genau ist eigentlich ein Hörsturz?
Ein plötzlich eintretender einseitiger Hörverlust wird als Hörsturz bezeichnet. Häufig wird dieser begleitet mit einem auftretenden Tinnitus und einem wattigen Gefühl und Druck auf dem Ohr.
Bei einem Tinnitus kann es auch Ohrgeräusche geben, die ohne einen Hörsturz auftreten. Wenn es bei der Audiometrie bei einem reinen Tinnitus keine Hörverluste gibt, kann man die Ursache meist auf rein psychophysiologische Ursachen zurückführen. Beim Hörsturz kann das auch der Fall sein, aber es können auch andere Krankheiten dahinterstehen, wie zum Beispiel Entzündungen, Medikamente, Durchblutungsstörungen.
Mit welchen Störungen des Hörvermögens kann Tinnitus noch zusammen auftreten?
Es kann bei einem auftretenden Tinnitus auch noch zu einer Hyperakusis (Lärmempfindlichkeit) oder auch zu einer Dysakusis (Hörverzerrung) kommen. Häufig berichten Betroffene auch von einem Druckgefühl. In seltenen Fällen gibt es auch eine Neigung zu Schwindel.
Wie kamen Sie dazu, sich auch beruflich auf Tinnitus zu spezialisieren?
Durch meine eigenen Erfahrungen mit Tinnitus und auch durch die positiven Erlebnisse am Ende wollte ich diese gerne an Betroffene weitergeben. Ich hatte bereits eine Praxis als Heilpraktiker und habe dann die Therapie mehr und mehr integriert. Mittlerweile ist das Thema Ohr fast ausschließlich Thema in meiner Praxis. Ich habe eine Assistenz in der Praxis von Herrn Kaiser in Baden-Baden absolviert und dort alles über die Lasertherapie erfahren. Auch bin ich mittlerweile ein SE-Practitioner. Ich habe die dreijährige Ausbildung erfolgreich bestanden und wende diese gerne in der Praxis an.
Über welche Symptome klagen Ihre Tinnitus-Patienten und -Patientinnen?
Hörverzerrung, Lärmempfindlichkeit, Schwindel, Tiefton-Tinnitus, Hochton-Tinnitus, Druck auf dem Ohr.
Welche verschiedenen Ursachen konnten Sie feststellen?
Lärmbelastung durch Konzerte, Arbeitsplatz, Kopfhörer, Böller et cetera, Krankheiten wie Neurinome, Schilddrüse, Bluthochdruck, Medikamente wie ASS, Blutdrucksenker, Statine, bestimmte Antibiotika et cetera und psychophysiologische Themen.
Warum können Medikamente wie ASS, Blutdrucksenker, Statine und bestimmte Antibiotika Tinnitus auslösen?
ASS kann nachweislich Tinnitus verursachen. Auch manche Antidepressiva. Dies steht auch im Beipackzettel. Manche Antibiotika wirken ototoxisch, also giftig für das Ohr. Was passiert? Die Zellen werden durch die Medikamente geschwächt, der Zellstoffwechsel wird negativ beeinträchtigt. Man kann auch sagen, die Zelle wird gestresst. Es kann leichter ein Tinnitus entstehen. Beispiel: Gentamicin ist ein Antibiotikum und nachweislich stark ototoxisch. In der Vergangenheit gab es zahlreiche Schäden am Ohr. Nun wird das Medikament nicht mehr innerlich angewendet.
Sie behandeln Tinnitus und andere Hörprobleme auch mit Lasertherapie. Wie genau geht man hier vor, und was genau bewirkt diese?
Ein Beispiel: Ein Musiker, der über Jahre ohne Hörschutz Konzerte gespielt hat, bekommt einen Tinnitus. Das Gehör ist in der Audiometrie sichtbar belastet. Es gibt Hörabsenkungen. Das Innenohr ist also folglich geschwächt. In der Medizin wird jedes belastete Organ geschont, damit es sich regenerieren kann und oder auch damit es nicht weiter geschwächt wird. Das ist beim Ohr genau dasselbe. Die Hörzellen können sich bei Schonung und Schutz wieder erholen. Deshalb sollte ein Musiker Hörschutz bei den Konzerten verwenden. Die Regeneration kann dann durch Lasertherapie unterstützt und verbessert werden. In Studien hat man gezeigt, dass die ATP-Produktion in den Zellen erheblich gesteigert wird. ATP ist ein Grundbaustein zur Energiegewinnung in den Zellen. Wird nun das Ohr geschont und auch noch die Energieversorgung verbessert, kann sich das Ohr erholen und auch die Symptome können sich bessern.
Welche Tipps würden Sie Betroffenen geben?
Wenn jemand einen Hörsturz haben sollte, würde ich dringend raten, einen HNO-Mediziner aufzusuchen, um diagnostisch alles abklären zu lassen. Wenn keine Entzündung oder spezielle Erkrankung vorliegen sollte, würde ich im ersten Schritt mein Gehör schützen. Einen Hörschutz verwenden, damit das Organ Ruhe hat. Es gibt nach einem Hörsturz immer den Impuls der Regeneration. Durch den Hörschutz wird die Regeneration unterstützt. Dasselbe würde ich auch bei einem allein auftretenden Tinnitus unternehmen. Zusätzlich würde ich meine Situation hinterfragen. Gab es einen speziellen Auslöser (Konflikt)? Stress im Beruf, in der Familie? Wenn die Situation nicht sofort zu lösen ist, würde ich versuchen, erst einmal einen Abstand herzustellen über eine Krankschreibung oder Urlaub. Als Letztes würde ich den Hörverlust mit Lasertherapie behandeln lassen. In meinen Augen eine optimale Erstversorgung nach einem Hörsturz.