Gefangen in der Wildnis, beobachtet von Gestalten in der Nacht: „They See You“ ist ein spannender Gruselfilm, mit dem die Tochter von Meisterregisseur M. Night Shyamalan ihr Debüt als Regisseurin gibt.

Wenn Söhne oder Töchter eine Karriere beginnen, wie schon ihre berühmten Eltern, dann wird ihre Arbeit fast zwangsläufig miteinander verglichen. Auch bei Ishana Night Shyamalan ist das so. Sie ist die Tochter von M. Night Shyamalan. Der US-Regisseur hat mit „The Sixth Sense“ (1999) und „Unbreakable“ (2000) große Kino-Erfolge eingefahren und auch in den jüngeren Jahren mit „Knock at the Cabin“ (2023) und „Old“ (2021) die Filmfans das Fürchten gelehrt. Seine Tochter Ishana hat ebenfalls das Regiefach ergriffen und präsentiert mit „They See You“ ihr Spielfilmdebüt.
Die 28-jährige Mina macht mit ihrem Auto eine Tour durch Irland und verfährt sich dabei in einem weitläufigen und unberührten Wald im dünn besiedelten Westen des Landes. Problem: Der Wald ist auf keiner Landkarte verzeichnet, das Navi funktioniert nicht mehr und auch das Mobiltelefon zeigt keine Balken. Dann macht auch noch das Auto schlapp. Auf der Suche nach einem Unterschlupf trifft Mina auf drei Fremde, denen es offenbar ähnlich geht wie ihr, und die sich in einem verglasten Bunker versteckt haben. Mina bleibt erst einmal dort und merkt, dass das Gebäude eine Falle ist. Denn jede Nacht wird das Haus von mysteriösen Kreaturen umzingelt. Sie beobachten die Gefangenen von außen durch die riesigen Fenster, die jedoch keinen Blick aus dem Haus heraus zulassen. Mina sucht nach einem Ausweg und kommt einer grausamen und gefährlichen Wahrheit auf die Spur – und gerät in Lebensgefahr.

Für die Rolle der Hauptfigur Mina hat die 23-jährige Regisseurin mit Dakota Fanning („Krieg der Welten“ 2005; „The Equalizer 3 – The Final Chapter“ 2023) eine passende Schauspielerin gewählt. Zurückhaltend zeigt sie fast ausschließlich mit ihrer Gesichtsmimik die wachsende Angst vor dem Unbekannten da draußen im Wald ebenso wie die Kämpfe, die Mina in ihrem Innern durchsteht. Denn ihre anfängliche Tour durch Irland und ihr späteres Gefangensein in dem Waldgebäude bilden für Mina eine Reise zur Selbstfindung, in der sie sich ihren verborgenen Ängsten stellen muss.
Filmische Grusel-Mittel gut genutzt

Auf eine starke Gemeinschaft mit den Mitbewohnern und Mitbewohnerinnen kann sich Mina nicht verlassen. Nur zu der Mit-Gefangenen Madeline (dargestellt von Olwen Fouéré) entwickelt sich im Laufe der Handlung eine komplexe Tochter-Mutter-Beziehung, die zwischen gegenseitiger Hilfe und wachsendem Misstrauen schwankt. Aber warum verhalten sich die zwei anderen Bewohner Ciara (Georgina Campbell) und Daniel (Oliver Finnegan) so wenig kooperativ? Jeder hat eigene Vorstellungen über die Bewältigung der Zwangslage. Sich mit der Situation arrangieren und in dem Haus ausharren? Es scheint ja erst einmal Sicherheit zu bieten vor dem Unbekannten. Oder ist es besser, sich dem Unsichtbaren zu stellen, um einen Weg in die Freiheit zu finden und so dem Gefangensein ein Ende zu setzen? Und was haben Maggies drei Mitbewohner zu verbergen?

Wer sich gern dem wohligen Grusel in den Filmen von M. Night Shyamalan hingegeben hat, wird auch an „They see you“ große Freude haben. Ishana Night Shyamalan spielt in ihrem Film geschickt mit dem Effekt, der ihren Vater so erfolgreich machte: Mit jeder Minute wachsen Angst und Unwohlsein, ohne zu offenbaren, vor was oder vor wem – bis es im Finale zu einer verblüffenden Auflösung kommt. Dass es in „They see you“ nicht für alle vier Personen ein Happy End gibt, ist kaum eine Überraschung für die Fans eines Night-Shyamalan-Filmes – ob nun Ishana die Regie führt oder ihr Vater, der als Produzent des ersten Langfilms seiner Tochter eng an ihrer Seite stand. Mit seiner Hilfe nutzt „They see you“ alle filmischen Mittel, um die Zuschauenden an ihre Kinositze zu fesseln: Die Kamera nimmt die Perspektive der im Dunkeln vor dem gläsernen Haus lauernden Gestalten ein, ohne zu viel von ihnen zu zeigen. Zudem machen akustische Effekte die wachsenden Ängste hörbar. Auch die Set-Designer haben ganze Arbeit geleistet bei der Gestaltung des düsteren Waldes, der ein Eigenleben zu führen scheint. Nur der Vogelkäfig, den Mina seit ihrer Autopanne ständig mit sich herum trägt, ist als Symbol des Gefangenseins eines Lebewesens etwas überstrapaziert.