Zwischen Berlin und der Ostsee befindet sich ein einzigartiges Paradies. Im Naturpark Feldberger Seenlandschaft streifen Besucher durch kleine Dörfer und eine nahezu unberührte Natur mit einer reichen Fauna und Flora.
Vielleicht ist der Herbst einfach die schönste Jahreszeit. Die Blätter an den Bäumen färben sich gelb und rot und im Gegenlicht der Sonne erscheinen sie am herrlichsten. Die Gerüche des raschelnden Laubs sind intensiver. Das Licht ist vollkommen klar, wenn sich der Frühnebel über Flüssen und Seen verflüchtigt hat. Mögen die einen noch einmal in den Süden fliegen, weil sie vom Sommer nicht lassen können – wir hingegen entscheiden uns diesmal für erholsame Abgeschiedenheit, in nahezu unberührter Natur und zwar in Deutschland. Die Rede ist an dieser Stelle vom Naturpark Feldberger Seenlandschaft, gelegen zwischen Berlin und der Ostsee im südöstlichen Zipfel Mecklenburgs, wobei von natürlichen Grenzen zum benachbarten Land Brandenburg nicht die Rede sein kann. Der Übergang zu den Naturparks Uckermärkische Seen und Stechlin-Ruppiner Land ist fließend, sodass der Besucher sich weitgehend in besonders geschützten Landschaften bewegt, wohin er seine Schritte auch lenkt.
Der Naturpark Feldberger Seenlandschaft, auch genannt das „Land der tausend Seen“, umfasst schon allein eine Fläche von 350 Quadratkilometern und gehört zu den am dünnsten besiedelten Gegenden Deutschlands. Junge Leute sind hier schwer zu halten, obgleich Land- und Forstwirtschaft sowie der aufblühende Tourismus manch berufliche Möglichkeit bieten. Der öffentliche Nahverkehr, die ärztliche Versorgung, die digitalen Verbindungen lassen zu wünschen übrig. Der ländliche Raum abseits touristischer Zentren findet noch immer zu wenig Beachtung. Und so zieht es die Jugend eher in die großen Städte wie Berlin und Hamburg. Umgekehrt sind es die genervten Städter, die auf der Suche nach Ruhe und Naturerleben in diese Gegend ziehen, hier heimisch werden wollen, verlassene Höfe restaurieren, Galerien gründen und ein Netz kultureller und künstlerischer Angebote zu knüpfen versuchen. Denn hier lässt sich, mit manchen Einschränkungen, durchaus gut und naturnah leben – und Urlaub machen allemal.
Lebensraum für viele Tierarten
Wiesen, Felder, Wasser, verschwiegene Buchenwälder und sanfte Hügel bestimmen das Bild der Landschaft, sonnenverwöhnt wie kaum eine andere Region der Republik. Wer den mit Kopfstein bepflasterten Alleen, den schmalen Straßen und Feldwegen folgt, trifft immer wieder auf kleine, abgelegene Dörfer, auf schlichte Feldsteinkirchen und ist umgeben von wohltuender Stille, die jegliche Hektik vergessen lässt. Man lässt sich treiben, statt getrieben zu werden, öffnet die Sinne und bestaunt die vielfältige Fauna und Flora.
Während auf kargen Flächen Heidekraut, Ginster, Blaubeeren und Kiefern verbreitet sind, sind in den dichten Wäldern immer wieder mächtige Buchen zu bewundern, heutzutage unter besonderem Schutz, da sie früher durch die Landwirtschaft zurückgedrängt wurden und durch die länger werdenden Trockenperioden besonders unter dem Wassermangel leiden. Im Sommer verlangt die Waldbrandgefahr entsprechend rücksichtsvolles und verantwortungsvolles Verhalten. Zurückhaltung übt der Naturfreund auch gegenüber den bedrohten Tierarten, die hier noch oder wieder anzutreffen sind: Feldhasen, Steinkauze, Fledermäuse und Siebenschläfer.
Die Ufer der zahllosen Seen sind zumeist von undurchdringlichen Schilfgürteln umgeben und sie bieten so einen idealen Lebensraum zum Beispiel für Fischotter, dessen Bestand in dieser Gegend zu den größten des Landes gehört. Für See- und Fischadler ist im „Land der tausend Seen“ der Tisch reichlich gedeckt, denn die Gewässer sind als überaus fischreich bekannt. Aal, Zander, Schleich und Hecht fühlen sich hier besonders wohl. Ein Angelparadies für Petri-Jünger. Die Landschaft hier wurde – wie andere Gegenden Nord- und Ostdeutschlands auch – lange vor der ersten menschlichen Besiedlung von der Eiszeit geprägt. Gletscher bedeckten das Land und schoben Kies und Sand vor sich her. Als sie sich langsam zurückzogen, hinterließen sie Hügel aus Schutt und Geröll und die zahlreichen Rinnen, Tiefen und Mulden füllten sich mit Schmelzwasser. Dem verdanken wir die Gestalt dieser lieblichen Gegend.
Aus der Bronzezeit sind die ersten menschlichen Spuren nachweisbar, also 1800 bis 600 vor der christlichen Zeitrechnung. Mehr als 1.000 Jahre später zogen germanische Stämme und slawische Völker hin und her, verdrängten sich gegenseitig, bis sich die Slawen im ganzen ostelbischen Raum 983 ein letztes Mal erhoben. Gut 150 Jahre später wurden sie endgültig vertrieben oder unter germanischer Vorherrschaft christianisiert. Das „Land der tausend Seen“, lange ein Zankapfel zwischen verschiedenen Herrschern und Mächten, fiel Mitte des 14. Jahrhunderts endgültig Mecklenburg zu. Auch hier wütete später der Dreißigjährige Krieg und das Leben in den darauffolgenden Jahrhunderten war für die verbliebene Bevölkerung kein Deckchensticken. In Armut fristeten die meisten ihren harten, arbeitsreichen Alltag, sie nährten sich von dem, was Wasser und Wald hergaben, und erst ab 1720 entwickelt sich das Glashandwerk. Weißer Sand und Kalk ermöglichten in zahlreichen Glashütten die Produktion, was wiederum zu Lasten der Wälder ging. Die Brennöfen wurden mit Holz befeuert und der Raubbau in den Wäldern griff um sich. Selbstbestimmt war das Leben der Menschen hier wohl nie. Erst 1820 wurde die Leibeigenschaft abgeschafft, doch der Grundbesitz blieb weiterhin im Besitz der Feudalherren.
Zu diesem Zeitpunkt und in den folgenden Jahrzehnten beginnt jedoch ein neuer Wind zu wehen. 1855 wird eine Wasserheilanstalt in Feldberg eröffnet, die Heilmethoden des Sebastian Kneipp kamen in Mode, die ersten Badegäste erkundeten diesen einsamen Winkel zwischen Wäldern und Seen. Nachdem 1910 Feldberg an das Schienennetz angeschlossen wurde, erst recht aber nach dem Ersten Weltkrieg, kam der Tourismus langsam in Schwung. Eine richtige Badeanstalt wurde auf dem Amtswerder, dem historischen Kern Feldbergs, angelegt, Wanderwege erschlossen, Hotels und Pensionen gebaut. Auch in Berliner Künstlerkreisen sprachen sich die Reize der Feldberger Seenlandschaft alsbald herum. Der Ort Feldberg entwickelte sich zum Zentrum des Fremdenverkehrs, ungeachtet der wechselnden politischen Verhältnisse vor und nach dem Zweiten Weltkrieg. Im nahe gelegenen Fürstenberg/Havel lohnt sich auf jeden Fall der Besuch der Gedenkstätte des KZ Ravensbrück, von dem aus Frauen zur Zwangsarbeit in einem Feldberger Schotterwerk getrieben wurden.
Malerische Kleinstadt
Wer heute Feldberg besucht – seit 1998 staatlich anerkannter Erholungsort und seit 2015 offizieller Kneipp-Kurort – schlendert über Pflastergassen durch eine beschauliche Kleinstadt, die durch ihre ansehnlichen Bürgerhäuser, ihren abwechslungsreich gestalteten Kurpark, die Bootshäuser am Ufer des Haussees und ihr gastronomisches Angebot den Gast willkommen heißt. Flaniermeile ist die Strelitzer Straße, gesäumt von Cafés und Gaststätten; die Anlegestellen für die Fahrgastschifffart, der Boots- und Fahrradverleih und die Touristeninformation sind keinen Steinwurf entfernt. Eine Besichtigung der 1875 fertiggestellten Stadtkirche ist ebenso lohnenswert wie der Ausblick vom kleinen Kirchberg. Der schlanke Kirchturm, der 68 Meter über den Seespiegel ragt, ist das weithin sichtbare Wahrzeichen der Stadt. Nordic-Walking-Strecken, ausgewiesene Fahrradwege und zahlreiche markierte Wanderwege bieten vielerlei Möglichkeiten für Luftholen, Bewegung und Besinnung in freier und abwechslungsreicher Natur.
Nördlich des Haussees lässt sich über einen gewundenen Waldpfad der 143 Meter hohe Reiherberg erwandern, der einen herrlichen Blick über den See und den Ort ermöglicht. Ebenso empfiehlt sich eine Wanderung durch den Uferwald entlang des Breiten Luzin, vorbei an Resten bronzezeitlicher Hügelgräber bis hin zur Lichtenberger Badewiese, wo die seichte Bucht des Sees bis an den Waldrand reicht. Und wer ganz gut zu Fuß ist, dem sei auf jeden Fall die sieben Kilometer lange Strecke entlang des Schmalen Luzin empfohlen, die von Feldberg bis nach Carwitz führt. Glasklar das Wasser, 34 Meter tief und von grünen, meist bewaldeten Steilufern umrahmt: Naturerleben pur. Wer für diesen Weg zunächst seine Kräfte sammeln will, möge als Ausgangspunkt ein kleines Café am Ufer des Sees wählen. Dort erhält er neben einem zünftigen Imbiss auch Postkarten, Andenken und Literatur zu Land und Leuten. Und er kann sich an das gegenüberliegende Ufer zum Hüllerbusch übersetzen lassen. Hier wird eine der letzten Fähren Europas betrieben, eine handbetriebene Seilfähre, die allein durch Muskelkraft des Fährmanns über das Wasser gezogen wird.
Schöne Wanderwege
Carwitz, ein kleines Dorf südlich von Feldberg, gelegen auf einer Landbrücke zwischen drei Seen, vormals ein abgeschiedener Fischerort, wurde bekannt durch den Zuzug des Schriftstellers Rudolf Ditzen, besser bekannt als Hans Fallada, der durch Romane wie „Kleiner Mann – was nun?“ und „Wer einmal aus dem Blechnapf frißt“ berühmt wurde. So schwierig seine Persönlichkeit, so zweifelhaft seine Nähe zum NS-Regime war, so anregend ist der Besuch des Fallada-Museums, das im ehemaligen Wohnhaus des Schriftstellers mit einem wunderschönen, fast parkartigen Garten untergebracht ist. Die beschauliche Dorfstraße führt zu einem stillgelegten Friedhof oberhalb des Carwitzer Sees, wo das schmucklose Grab des Autors und ein Bronzerelief mit einem Fallada-Zitat zu finden ist: „Und plötzlich ist die Kälte weg, und eine unendlich sanfte, grüne Woge hebt sie auf und ihn mit ihr.“