Der saarländische Autor Klaus Brabänder weiß, was er an seiner Heimat hat. Seine erfolgreiche Krimireihe rund um Hauptkommissar Josch Schaum zeigt im neuen Roman nicht nur bekannte Orte, sondern greift auch die saarländische Mentalität auf.

Auf den ersten Blick scheint die Sache eindeutig: Kurz vor der saarländischen Landtagswahl findet man in Elversberg einen Wahlkandidaten brutal ermordet auf. Klar, dass dieser Mord etwas mit der Politik zu tun haben muss. Oder vielleicht doch nicht? Ohne zu viel zu verraten sei gesagt: In einem Krimi, der die Handschrift von Klaus Brabänder trägt, kommt es meistens anders, als man denkt. Und das ist nicht alles, worauf Verlass ist. In Brabänders mittlerweile zehntem Krimi ermittelt Hauptkommissar Joachim „Josch“ Schaum, Protagonist der „Schwarzen Reihe“, natürlich wieder im Saarland. Das nicht nur ziemlich aktuell, zu Zeiten von Corona und der Landtagswahl 2022, der Kommissar kommt auch erneut mit allerhand Lokalkolorit an bekannten saarländischen Schauplätzen in Kontakt. Und natürlich nimmt er auch Platz auf einem der bekanntesten Sitzmöbel des Saarlandes, der blauen Bank des Kommissars, die in keinem Krimi der Reihe fehlen darf.
Dass Brabänders Romane heute in die Rubrik „Saarland-Krimi“ fallen, war so allerdings gar nicht geplant, verrät der Autor beim Gespräch: „Ich wollte eigentlich nur Krimis schreiben, nicht unbedingt Saarland-Krimis.“ Nachdem sein erster Krimi aus dem Jahr 2014 noch eindeutig im Saarland spielte, entschied er sich bei seiner zweiten Veröffentlichung im Folgejahr dazu, das Saarland beiseitezulassen und auf konkrete Bezugnahmen zu verzichten. Ein Fehler, wie er schnell feststellen musste, denn die Leserschaft schien ihm seine Entscheidung übel zu nehmen. In einer anschließenden Umfrage votierten die Leserinnen und Leser wieder für mehr Saarland in den Krimis und Brabänder kam dem Wunsch schließlich nach, auch bei seiner neuesten Veröffentlichung, dem im Dezember erschienenen Krimi „Vor Gestern“. „Das ganze Saarland ist wieder abgebildet, sowohl in den Charakteren als auch in der Landschaft“, versichert der Autor.

Dabei sind es, wie der 67-Jährige selbst sagt, nicht nur die Schauplätze, die seinen Romanen den typisch saarländischen Anstrich verpassen, sondern auch die Charaktere und Figuren, die die Mentalität und die Eigenheiten der Einheimischen zeigen. Brabänder verlässt sich bei seiner Figurenzeichnung gern auf seine Beobachtungsgabe: „Ich setze mich manchmal einfach auf einen Marktplatz und schaue den Leuten zu. Dort laufen alle meine Figuren herum.“ Täter und Opfer allerdings gehören immer zu jenen Figuren, die keine Vorlage im wahren Leben haben. Bei allen anderen Personen im Buch kann es aber durchaus passieren, dass neben den Passanten auf dem Marktplatz auch Freunde, Bekannte und sogar seine eigene Ehefrau als Blaupausen dienen. Letztere, erzählt er, sei zwar nicht immer begeistert darüber, aber sie nehme es ihm am Ende nicht übel. Und noch etwas ist ihm wichtig zu erwähnen: „Meine Saarländer sind keine Zwangs-Saarländer, sie fahren nicht nach Frankreich Baguette kaufen oder essen klischeemäßig nur Lyoner.“ Vielmehr ist es für Brabänder „diese Verschmitztheit, gepaart mit einem gewissen Fatalismus“, die seine Saarländer ausmacht. Zum Beispiel, wenn Figuren getreu dem Motto handeln: „Es muss was geschehen, aber es darf nichts passieren“ oder es mit dem Leitspruch halten: „Nit gescholl is genuch gelobt“. Und das alles ist definitiv positiv gemeint. „Ich bin ja selbst ein Saarländer“, sagt er.
Ein Saarländer, der die Welt gesehen hat

Während der Unterhaltung erzählt Brabänder, der 1955 in Neunkirchen geboren ist, viel von seiner Heimat, er erinnert sich an früher und schwärmt vor allen Dingen von seiner Nachbarschaft und vom Zusammenhalt in der Straße, in der er wohnt: „Es ist schon etwas Besonderes hier. Wir unternehmen viel gemeinsam und jeder ist für den anderen da.“ Und dabei fällt im Laufe des Gesprächs mehr als einmal ein bestimmtes Wort: Während Brabänder so erzählt, spricht er immer wieder vom „Geheischnis“. Dieses Wort, das sowohl in der im Saarland gesprochenen Mundart als auch im über die Grenzen reichenden moselfränkischen Dialekt vorkommt, ist gar nicht so leicht zu fassen. Deshalb ist an dieser Stelle ein kurzer Exkurs sinnvoll. Dem sei vorangestellt, dass „Geheischnis“ bei mehreren Abstimmungen saarländischer Medien zu einem der Lieblingswörter der Saarländer gewählt wurde. Verwandt ist „Geheischnis“ mit Wörtern wie „Gehege“ oder „hegen“. Letzteres gibt dann auch einen Hinweis auf die Bedeutung: Es geht im weitesten Sinne ums Gehegt- und Gepflegtwerden. Obwohl es keine konkrete Definition gibt, so lässt sich „Geheischnis“ insgesamt doch als etwas umschreiben, das für den Sprecher so viel wie „Heimat“, „Geborgenheit“, „Nachhausekommen“, „zwischenmenschliche Wärme“ oder „Sich-Aufgehoben-Fühlen“ bedeutet. Das Saarland, sein Heimatort Spiesen-Elversberg, die Straße, in der er wohnt, die Menschen um ihn herum, das wird im Gespräch klar, sind Klaus Brabänders Geheischnis. Als typischer Saarländer kommt er zwar immer wieder nach Hause, ein Stubenhocker, der noch nichts von der Welt gesehen hat, ist Klaus Brabänder aber nicht. Ganz im Gegenteil, denn wenn er nicht gerade an einem neuen Roman schreibt, ist er in der Welt unterwegs. Mit seiner Frau hat er schon viele weit entfernte Länder bereist, fremde Orte und Kulturen kennengelernt. Die Reisen führten sie bereits nach Thailand, Mexiko, Kambodscha und vor allen Dingen schon mehrfach nach Kuba, an ihr gemeinsames Lieblingsziel. Das Nachhausekommen ist aber immer wieder besonders, erzählt er. „Es geht nie um den Vergleich. Es kann überall schön sein. Es gibt überall nette Menschen, überall bekloppte Menschen. Aber das Geheischnis ist das Saarland.“
Dass Klaus Brabänder überhaupt zum Krimischreiben gekommen ist, verdankt er zunächst einem eher unglücklichen Umstand. Nach einer größeren Operation Ende der Nullerjahre musste er eine Pause in seinem eigentlichen Beruf als Bauingenieur einlegen. Eine erste spontane Idee, um die Zeit im Krankenschein irgendwie sinnvoll zu verbringen, war zunächst der Modellbau, erinnert er sich heute. Doch seine Frau intervenierte. „Sie hat argumentiert, dass das Zeug nur zustaubt und dass es außerdem nur Platz wegnimmt“, erzählt Brabänder lachend. Also wandte er sich einer weniger staubigen und außerdem platzsparenderen Alternative zu: Er fing mit dem Schreiben an, einem Hobby, für das er sich schon in seiner Jugend begeisterte. Was mit Kurzgeschichten begann, fand später in Form der auch heute noch beliebten Krimiserie „Die schwarze Reihe“ großen Anklang. Auch als Brabänder nach seiner Genesung wieder in seinen eigentlichen Beruf einstieg, blieb er der Literatur weiter treu und schrieb seine Romane einfach nach Feierabend – als Erholung und Möglichkeit, vom Alltag abzuschalten. Seit einiger Zeit kann er sich dem Schreiben aber voll und ganz widmen, denn er ist mittlerweile in Rente, und es ist kaum überraschend, dass auch die Hauptfigur Josch Schaum als Hauptkommissar in den Ruhestand verabschiedet wurde – und natürlich trotzdem weiter ermittelt. Brabänder sagt, so lange es Nachfrage nach seinen Büchern gibt, so lange will er weiterschreiben.
Ein Jahr lang schreibt er an einem Roman

Ungefähr ein Jahr braucht er, um einen neuen Krimi fertigzustellen. Und seine Vorgehensweise gleicht dem Modellbau tatsächlich ein wenig. Das fertige Buch habe er beim Schreiben bereits im Kopf, er muss nur alles richtig und logisch zusammensetzen. Geschrieben wird bei ihm zu Hause an seinem kreativen Lieblingsplatz: ein großer Sessel, der im Wohnzimmer am Fenster steht. Hier schreibt Klaus Brabänder – tatsächlich noch von Hand – immer die erste Fassung seines neuen Krimis auf und heftet sie sorgfältig ab. Bis das Buch fertig ist, durchläuft es dann mehrere Phasen: Der Autor selbst überarbeitet sein Werk, gibt es dann an Testleser weiter, ehe es dann beim Verlag landet. Sieben bis elf Fassungen gibt es bis zur fertigen, lektorierten Version.
Und eines darf natürlich auch in jedem neuen Saarland-Krimi, der auf diese Weise entsteht, nicht unerwähnt bleiben: Wer seine Krimis kennt, weiß um die blaue Bank, die in jedem Buch als zentraler Ort vorkommt, an dem so mancher Fall eine wichtige Wendung nimmt. Es mag nicht überraschen, dass man Brabänder zum Interviewtermin auch im wahren Leben genau dort antrifft, nämlich vor seinem Haus, auf der blauen Bank, die als Treffpunkt für Nachbarn und Freunde immer bereitsteht und mittlerweile Berühmtheit erlangt hat: „Es hat sich ein gewisser Tourismus eingerichtet, Leute fahren hier vorbei und wollen wissen, ob es die blaue Bank wirklich gibt“, erzählt ihr Besitzer. Nach unserem Besuch bei Klaus Brabänder ist klar: Es gibt sie und das nicht nur auf dem Papier, sondern auch als echtes „Geheischnis“.