Sich in sozialen Medien darzustellen, ist für Profi-Sportler eminent wichtig. Mancher postet sich aber um Kopf und Kragen. Oder handelt sich durch unvorsichtiges Verhalten Ärger ein.
Soziale Medien sind für Fußball-Profis wie für alle öffentlichen Personen ungemein wichtig. Sie bieten eine Plattform zur (Selbst-) Darstellung, zum Vermitteln unverfälschter Aussagen und zur Fan-Nähe, auch wenn diese oft eher heuchlerisch ist. Nicht zuletzt bieten soziale Medien auch die große Chance, Geld zu verdienen. Wie viel ein Werbe-Post wert ist, richtet sich vor allem nach der Follower-Zahl. Bei rund 20.000 Followern beträgt der Wert eines Posts geschätzt 200 Euro. Bei 100.000 Followern sind es schon etwa 1.000 Euro, bei einer Million kann man mit 10.000 Euro rechnen. Der Betrag kann auch auf bis 50.000 Euro für einen einzelnen Beitrag steigen. Wer auf eine große Follower-Schar kommen will, für den reicht (meistens) nicht nur der Name, der braucht auch sogenannten Content. Also Inhalt, der interessiert. Das machen Spieler gern mit Agenturen, die darauf achten, was gepostet wird und in welcher Form.
Gefährlich werden soziale Medien vor allem dann, wenn es politisch wird. Da reicht oft schon ein unvorsichtiger Like zum Skandal, wie einst der heutige Nationalmannschafts-Kapitän Ilkay Gündogan erfahren musste. Der likte 2019 offenbar gedankenlos ein Foto seines ehemaligen Mitspielers Cenk Tosun, der nach einem 1:0 mit der Türkei gegen Albanien ein Bild mit Nationalspielern zeigt, die salutieren. Der Salut galt auch als Sympathiebekundung für die Militäroffensive von Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan gegen die Kurden in Syrien. „Ich habe das Like zurückgenommen als ich gesehen habe, dass es politisch gewertet wurde“, sagte Gündogan kurz darauf: „Wahr ist, dass ich mich für meinen ehemaligen Teamkollegen aus der DFB U21 gefreut habe, dass er das Siegtor gemacht hat.“ Es sei „das letzte, was ich wollte, ein politisches Statement zu setzen.“
Ähnliches passierte kürzlich dem Darmstädter Bundesliga-Profi Klaus Gjasula, der einen Anti-Israel-Post teilte, obwohl er offenbar etwas ganz anderes im Sinn hatte. „Ich habe ein Bild geteilt, auf dem Kinder in Engelsflügeln aufsteigen und diese Zeichnung mit drei Friedenstauben-Emojis versehen. Diese Zeichnung symbolisiert genau meine Gedanken, die ich zurzeit in mir trage: Ich trauere mit den vielen unschuldigen Kindern, die nichts können für die schon seit vielen Jahrzehnten politischen Spannungen im Nahen Osten“, sagte der Deutsch-Albaner der „Bild“-Zeitung: „Den dahinter befindlichen Text habe ich überhaupt nicht gelesen, was mir im Nachhinein total leidtut.“
Schwierig wird es aber dann, wenn die politische Meinung ausdrücklich niedergeschrieben wurde. Grundsätzlich ist es aber unheimlich schwer, die Posts der Fußballer in solchen Momenten sowohl moralisch als auch vor allem juristisch zu bewerten. In den Spielerverträgen gibt es einen etwas schwammigen Muster-Paragrafen, nach dem sich die Spieler in der Öffentlichkeit stets als Vorbilder verhalten müssen. Der Hintergrund: Sie hören quasi nie auf, Angestellte des Vereins zu sein, weil jede ihrer Handlungen auf „einen Spieler von xy“ zurückfallen würde. Doch das kennen ehrlich gesagt auch viele Angestellte, die keine öffentlichen Personen sind.
Die schwere des Inhalts bewerten
Dieser Paragraf wäre aber die Grundlage für juristische Auseinandersetzungen. Doch so, wie er formuliert ist, wird quasi jede zu einem Einzelfall. Was es ja sowieso auch ist. Man muss unterscheiden zwischen bewusstem Post und fahrlässigem Verhalten wie bei den Likes. Man muss die Schwere des Inhalts bewerten. Die Vorgeschichte des Spielers, wurde er schon mehrfach ermahnt oder nicht? Auch das sonstige Verhalten oder der familiäre Hintergrund spielen sicher eine Rolle. Aber klar ist: Öffentliche Personen sind nie nur private Personen und dürfen deshalb nicht einfach posten, was sie wollen.
„Die grundgesetzlich geschützte Meinungsfreiheit ist insbesondere dann begrenzt, wenn Straftaten wie Beleidigung oder Volksverhetzung begangen werden“, sagte Ulf Baranowsky von der Vereinigung der Vertragsfußballspieler (VDV): „Inwieweit strafrechtliche Verstöße vorliegen und arbeitsrechtliche Sanktionen rechtskonform sind, ist im Einzelfall zu beurteilen.“ Insbesondere bei kriegerischen Auseinandersetzungen sollten Personen des öffentlichen Lebens ihrer Vorbildrolle gerecht werden, sagte Baranowsky. „Ziel muss es sein, zu deeskalieren und dauerhaften Frieden zu schaffen.“
Zu ersten Einzelfall-Entscheidungen könnte es aber in naher Zukunft kommen, denn gerade vor dem Hintergrund des Nahost-Konflikts kam es zuletzt zu einigen verwirrenden bis skandalösen Posts. Mainz 05 suspendierte gar den erst Ende September verpflichteten Anwar El Ghazi Mitte Oktober wegen eines da schon gelöschten Posts. „In diesem hatte El Ghazi in einer Art und Weise Position zum Konflikt im Nahen Osten bezogen, die für den Verein so nicht tolerierbar war“, teilte der Verein mit: „Mainz 05 respektiert, dass es unterschiedliche Perspektiven auf den seit Jahrzehnten währenden, komplexen Nahost-Konflikt gibt. Der Verein distanziert sich jedoch deutlich von den Inhalten des Posts, da dieser nicht mit den Werten unseres Clubs einhergeht.“ Der Niederländer hatte einen Beitrag geteilt, in dem es unter anderem hieß: „Vom Fluss bis zum Meer, Palästina wird frei sein.“ Mit der Bedeutung, dass sich Palästina vom Jordan bis zum Mittelmeer ausdehnen sollte, wird Israel quasi das Existenzrecht abgesprochen. Der Gründervater von Mainz 05, Eugen Salomon, war übrigens Jude und wurde von den Nationalsozialisten im KZ Auschwitz ermordet. El Ghazi postete nach einigen Tagen eine lange Erläuterung. „Vor dem Hintergrund des erfolgten Commitments El Ghazis und der von ihm gezeigten Reue, gebietet es die im Verein verankerte Kultur im Umgang mit Fehlern, dem Spieler eine Chance zur Rehabilitation einzuräumen“, hieß es erst, am Sonntag aber gab der Verein dann die Trennung bekannt.
Auch der FC Bayern München hat eine ausgeprägte jüdische Geschichte. Nicht zuletzt durch Kurt Landauer. Dieser war bis 1933 dreimal Präsident der Bayern, wurde 1938 ins KZ Dachau deportiert, floh in die Schweiz und baute den FC Bayern nach dem Krieg wieder auf. Heute ist er Ehrenpräsident. Der FC Bayern hat seine jüdische Geschichte in den vergangenen Jahren sehr ausgiebig nachrecherchiert und erklärt, er sei stolz darauf. Zudem haben die Münchener mit Torhüter Daniel Peretz den derzeit einzigen israelischen Spieler der Bundesliga in ihrem Kader.
„Indiskutabel und inakzeptabel“
Das alles muss man wissen, wenn man sich mit dem geteilten Post von Bayern-Abwehrspieler Noussair Mazraoui beschäftigt. Mazraoui hatte ein Video verbreitet, in dem den Palästinensern im Konflikt mit Israel ein Sieg gewünscht wurde. Die Aufarbeitung dauerte lange, auch weil der Marokkaner bei der Nationalmannschaft weilte. Die Bayern wollten erst ein ausführliches persönliches Gespräch führen. An dessen Ende für manchen überraschend eben nicht die Suspendierung des Spielers stand. Dass dies daran lag, dass er der letzte einsetzbare Rechtsverteidiger im Kader war, ist Spekulation. Der Rekordmeister teilte mit, Mazraoui bedauere die „Irritationen“. Er verurteile „jede Art des Terrorismus und jede Terrororganisation“, sagte Mazraoui laut Mitteilung. Und Vorstandschef Jan-Christian Dreesen erklärte: „Noussair Mazraoui hat uns glaubwürdig versichert, dass er als friedliebender Mensch Terror und Krieg entschieden ablehnt. Er bedauert es, wenn seine Posts zu Irritationen geführt haben.“ Der FC Bayern verurteile den Angriff der Hamas auf Israel.
Alon Meyer, als Makkabi-Präsident Chef des jüdischen Sportverbandes in Deutschland, erklärte im ZDF-„Sportstudio“, die Tatsache, dass es keinerlei Konsequenzen gegeben habe, sei „absolut indiskutabel und inakzeptabel. Wenn die Spitzensportler, wenn die Vorzeigesportler dieses Vereins, die Millionen verdienen, so etwas posten. Sie konterkarieren unsere Arbeit, die wir taktisch machen. Wir bauen Brücken, wir wollen Vorurteile abbauen, und die werden hier mit einem Post mit Füßen getreten.“ Es habe kein Wort des Beileids oder der Entschuldigung gegeben.
Bei Sky hatte Meyer zuvor eingeschränkt, dass vieles aus Unwissenheit passiere. „Das Problem ist, dass diese Spieler, die Millionen verdienen, den Sinn von „Free Palestine“ nicht verstehen“, hatte er gesagt: „Die Solidarität mit den Menschen in Palästina, die sie vielleicht mit so einem Post bekunden möchten, ist vollkommen in Ordnung“, sagte er. „Free Palestine“ bedeute jedoch „ein freies Palästina vom Fluss bis zum Meer gegen das Existenzrecht Israels, und das geht nun mal nicht“.
Betreffende Posts gab es übrigens auch über die Bundesliga hinaus. Ex-Nationalspieler Mesut Özil und Weltfußballer Karim Benzema kommentierten den Konflikt ebenfalls mit eindeutiger pro-palästinensischer Tendenz. Gegen Youcef Atal vom französischen Club OGC Nizza ermittelten gar die Justizbehörden. Der algerische Nationalspieler stehe im Verdacht, Terrorismus öffentlich befürwortet zu haben. Von seinem Verein wurde der 27-Jährige wegen seines Pro-Palästina-Posts suspendiert.