Chinesische Technologie soll aus dem deutschen Mobilfunknetz verschwinden, sagt die Bundesregierung. Der Beschluss aber ist ein hohler Kompromiss, denn das wichtige Kernnetz enthält kaum noch Huawei-Technik.
Der Ausbau des deutschen Mobilfunknetzes läuft – allerdings ohne die chinesischen Ausrüster Huawei und ZTE. Darauf hat sich der Bund mit Vertretern von Mobilfunkkonzernen geeinigt, der chinesische Technologiekonzern Huawei protestierte dagegen ebenso wie die chinesische Regierung, die von „Diskriminierung“ sprach. Bis 2026 sollen Komponenten von Huawei aus dem kritischen Kernnetz entfernt werden, bis 2029 alle ehemals chinesischen Komponenten ersetzt sein. Wirklich rasch verschwindet die Technologie also offenbar nicht aus dem Netz.
Die ersten Berichte, wonach der Bund möglicherweise chinesische Technologie aus dem eigenen Mobilfunknetz verbannen könnte, gab es bereits vor einem Jahr. Damals sah das von Nancy Faeser (SPD) geführte Innenministerium „Anhaltspunkte“ dafür, dass chinesische Huawei-Technik eine Gefahr für Deutschlands Mobilfunknetz darstellen könnte. Ein Teil der Fernwartungssoftware für Basisstationen könne demnach genutzt werden, um das Netz abzuschalten. Über die Basisstationen werden die umliegenden Regionen mit Mobilfunk versorgt. Unter anderem die FDP forderte daraufhin die sogenannte Fade-Out-Klausel zu verkürzen. Diese Klausel legt einen Zeitraum fest, in dem bestehende Teile des Mobilfunknetzes ausgetauscht werden müssen.
Die drei größten deutschen Mobilfunkanbieter Telekom, Vodafone und der spanische Konzern Telefonica nutzen alle Huawei-Basisstationen in Deutschland, um ihr Netz zu betreiben und auszubauen. Einzig Anbieter 1&1 nutzt weder Technologie von Huawei noch von ZTE. Der Austausch dieser würde nach Recherchen des „Spiegels“ alleine die Deutsche Bahn, die einige dieser Stationen für ihren Zugfunk nutzt, 400 Millionen Euro kosten. Die deutschen Mobilfunkanbieter, die bislang auf Huaweis Technologie setzten, müssten sich ebenfalls nach neuen Lieferanten umsehen. Das würde jedoch Klagen gegen die Bundesrepublik nach sich ziehen, Telefonica und Telekom prüfen bereits entsprechende Möglichkeiten, heißt es seitens der Konzerne. Dabei hatten diese maßgeblich den Einsatz der Technik aus China vorangetrieben. Eine Alternative gibt es beispielsweise mit den europäischen Ausrüstern Nokia aus Finnland und Ericsson aus Schweden – aber diese ist mitunter teurer.
Viel Zeit zum Austausch der Komponenten
Geopolitisch birgt die einseitige Abhängigkeit der größten deutschen Mobilfunkanbieter von einem einzigen chinesischen Konzern Risiken, und diese sollen nach dem Willen der Bundesregierung verringert werden. Derzeit trainieren chinesische Soldaten zusammen mit belarussischen Soldaten an der Grenze zu Polen. Im Südchinesischen Meer und im Pazifik weitet China seine Gebietsansprüche weiter aus, bedroht die Philippinen und Taiwan. Ein eskalierender Konflikt könnte, wie im Falle des billigen russischen Gases, Deutschlands Wirtschaft und das öffentliche Kommunikationsnetzwerk empfindlich treffen. Huawei ist gesetzlich dazu verpflichtet, die chinesische Regierung im Falle eines Falles zu unterstützen. Australien schloss deshalb bereits 2018 chinesische Ausrüster aus seinem Mobilfunknetz aus.
In Deutschlands Regierungskreisen gab es solche Bedenken lange nicht. Der damalige Chef des Bundesamtes für Internetsicherheit (BSI) Arne Schönbohm sprach sich dagegen aus, chinesische Technik auszuschließen: das BSI habe keinerlei Belege für mögliche Hintertüren in Huawei-Komponenten gefunden, sagte er 2018. Bundestagsabgeordnete wie der SPD-Abgeordnete Metin Hakverdin aber gaben sich damit nicht zufrieden. Der Haushaltspolitiker, seit 2021 auch Mitglied im Bundestagsausschuss für Digitales, galt früh als Kritiker.
Der aktuelle Kompromiss des Innenministeriums, den die Mobilfunkanbieter akzeptiert haben, ist jedoch ein hohler. Nach Angaben von Telekom und Vodafone ist deren Kernnetz, das zur Datenübertragung ins Internet genutzt wird, bereits frei von Huawei-Technologie. „Lediglich in einem alten System sind derzeit noch einige wenige Bauteile von Huawei im Einsatz. Diese werden im Rahmen einer Betriebsausschreibung, die vor fast drei Jahren stattfand, gegen Nokia-Komponenten ausgetauscht“, so Vodafone in einer Stellungnahme schon im Jahr 2021. Telekom-Chef Tim Höttges erklärte während der Bilanzpressekonferenz 2024, man nutze im Kernnetz keine chinesischen Komponenten, lediglich bei Antennen – jenen Basisstationen – setze man auf Huawei und Ericsson. Die fragliche Software, die zum Abschalten des Netzes genutzt werden kann, entwickele man künftig selbst. O2 Telefonica verlängerte kürzlich seinen Vertrag mit Ericsson und will die Zusammenarbeit ausbauen. Möglicherweise wurde also das Jahr 2026 als Deadline für das Kernnetz gewählt, um Telefonica noch eine Frist zum Austausch chinesischer Komponenten einzuräumen. Ein Alternativkonzept für die Anbieter wäre Open RAN, ein Verfahren, bei dem Komponenten unterschiedlicher Hersteller miteinander kombiniert werden können. Neben den klassischen RAN-Anbietern Huawei, ZTE, Nokia und Ericsson kommen hier neue Player wie Rakuten Symphony (Japan) oder Juniper Networks und Mavenir (USA) mit ins Spiel. Vodafone und die Telekom wollen eigenen Angaben zufolge künftig verstärkt auf Open RAN setzen.
Bleiben also die Komponenten im Rest der Netze – und die Basisstationen. Letztere können offenbar weiter betrieben werden, solange sie nicht mit Huawei-Software gesteuert und gewartet werden, und zwar bis 2029. Das deckt sich in etwa mit dem Zyklus, in dem die Komponenten ohnehin von den Netzbetreibern ausgetauscht werden. Eine bequeme Lösung vor allem für Huawei und die deutschen Betreiber.