Der geschlauchte Titelverteidiger? Der kriselnde Herausforderer? Der euphorische Gastgeber? Der motivierte Außenseiter? An diesem Wochenende wird sich eines von vier Basketball-Teams als deutscher Pokalsieger feiern lassen.
Endlich wieder „Crunchtime“ im deutschen Basketball: Während die Basketball-Bundesliga BBL noch bis in den Mai hinein Hauptrundenspiele absolviert, geht es im Pokal jetzt so richtig zur Sache. Beim Final Four am 18. und 19. Februar in Oldenburg wird der erste Titel der Saison vergeben. Im ersten Halbfinale stehen sich am Samstag Gastgeber EWE Baskets Oldenburg und die MHP Riesen Ludwigsburg gegenüber, anschließend duellieren sich die beiden Topteams Alba Berlin und FC Bayern München. Die Sieger bestreiten am Tag darauf das Finale. Das FORUM-Magazin gibt einen Überblick über die Endrunden-Teilnehmer.
Der Favorit
Titelverteidiger, Rekordsieger, Bundesliga-Spitzenreiter: Auf dem Papier geht Alba Berlin als Favorit ins Endturnier. Der Vorjahressieger peilt seinen zwölften Pokal-Triumph an, der auch die Grundlage für den Gewinn des Doubles im Frühjahr sein soll. „Da wollen wir natürlich ein gutes Gefühl haben“, sagte Nationalspieler Johannes Thiemann mit Blick auf das Final Four. Die extreme Mehrfachbelastung durch die kräftezehrende Euroleague soll in Oldenburg keine Ausrede sein. „Wir wollen lernen, wir wollen uns verbessern, gerade mit Hinblick auf die Play-offs in der Bundesliga und den Pokal“, ergänzte Thiemann: „Dafür sind diese Spiele wichtig.“ In den Partien, in denen es um Titel geht, war zuletzt keine deutsche Mannschaft so fokussiert und erfolgreich wie die Berliner. Das wollen sie auch diesmal sein.
„Die Energie muss irgendwo herkommen. Wir müssen uns alle noch einmal pushen und schauen, was drin ist“, sagte Thiemann: „Januar und Februar, das sind immer die härtesten Monate. Du hast keine Sonne, du hast wenig Energie. Und dann hast du immer fünf Spiele die Woche.“ In der Bundesliga hat das Kräfte-Haushalten gut funktioniert, 16 Siege aus den ersten 17 Spielen sind angesichts der Strapazen eine herausragende Bilanz. Doch international hatte das Team von Trainer Israel González das ein oder andere Mal qualitativ und physisch nicht die Mittel, um gegen europäische Topclubs ernsthaft mitzuhalten. Nach 23 Spielen war Alba Tabellenletzter ohne realistische Chance aufs Erreichen der Play-offs.
Die Euroleague einfach so abzuschenken, um sich auf den Pokal und die nationale Meisterschaft zu konzentrieren, kommt für Alba aber nicht infrage. „Du willst ja nicht Letzter bleiben“, betonte Thiemann. Außerdem hat der Club der Euroleague gegenüber auch eine Verantwortung, schließlich darf Alba nur dank einer Wildcard dort antreten. Geschäftsführer Marco Baldi fordert daher höchste Konzentration von seinen Profis – auch wenn’s schwerfällt: „Das ist jetzt schon eine Phase, wo man aufpassen muss, dass man jetzt nicht ans Übernächste denkt, sondern wirklich nur an das, was jetzt kommt. Das ist das alles Entscheidende.“
Ein Titelgewinn wäre für die müden Beine und Köpfe daher umso wichtiger. Deswegen hofft der Titelverteidiger, dass Nationalspieler Maodo Lo beim Final Four wieder im Vollbesitz seiner Kräfte ist. Zuletzt hatten Knieprobleme und eine Erkrankung den 30 Jahre alten Guard außer Gefecht gesetzt. Dafür deutete aber Center Yanni Wetzell an, dass er nach Startschwierigkeiten endlich bei Alba angekommen ist. „Es fühlt sich alles leichter an, ich spiele jetzt mit mehr Selbstvertrauen und kann meine Stärken besser ausspielen“, sagte der Neuseeländer.
Der Herausforderer
Die Vision von Uli Hoeneß ist klar: Die Basketball-Abteilung des FC Bayern München soll sich „national wie international in der Spitze festsetzen“. Und mit „Spitze“ meint der langjährige Präsident nicht das obere Tabellendrittel, sondern zumindest in BBL ganz eindeutig Platz eins. Doch dieses Ziel, das mit der Eröffnung des SAP Garden mit Platz für rund 12.000 Zuschauer bald fast schon zur Pflicht wird, scheint der Club erneut zu verfehlen. Fünf Niederlagen nach 18 Ligaspielen sind zu viele für die Ansprüche der Bayern. Selbst der zweite Platz hinter Alba ist nach der erschütternden 73:77-Pleite zu Hause gegen die Telekom Baskets Bonn vorerst futsch. Keine guten Aussichten für die Play-offs. „Wir haben wie Weicheier gespielt“, wetterte Trainer Andrea Trinchieri nach der dritten Niederlage in Folge: „Wir waren einfach nicht bereit für so ein Spiel.“ Im Pokal-Halbfinale gegen Alba sollten die Münchner besser bereit sein, ansonsten droht eine zweite titellose Saison. Das wäre angesichts der Investitionen und der Ansprüche schon fast ein Drama, zumal die Clubführung den Fokus in diesem Jahr stärker auf die nationalen Wettbewerbe gelegt hat. Doch die Leistung im Spitzenspiel gegen Bonn lassen die Zweifel wachsen, ob dieses Team noch mal den Turnaround schafft.
„Wir haben gespielt und gekämpft – aber nicht, um zu gewinnen. Und das ist eine kapitale Sünde“, kritisierte Trinchieri, der nicht mehr seine schützende Hand über die Spieler hält. Diese hätten „dramatisch soft“ gespielt, die fehlende Härte würde ihn „wirklich sehr“ stören, sagte der Coach. Der Italiener gilt als heißblütiger Motivator, für das Final Four will er sein verunsichertes Team wieder aufrichten. „Wir sind die Crew eines U-Boots, auf einer Mission 250 Meter unter Wasser. Keiner sieht uns, wir sehen niemanden, wir arbeiten nur weiter hart und versuchen, der Mission zu folgen“, veranschaulichte er bildlich.
Zur ganzen Wahrheit gehört auch, dass die Münchner mit erheblichem Verletzungspech zu kämpfen haben. Ohne Kapitän Vladimir Lucic, Nationalspieler Andreas Obst, Center Othello Hunter und Elias Harris ging dem Kader in der Breite und Spitze wochenlang viel Qualität verloren. Der wegen der Verletzungsmisere jüngst verpflichtete D.J. Seeley war gegen Bonn noch kein Faktor, und Trinchieri bittet um Geduld beim Neuzugang. Der Amerikaner sei „nicht in guter Verfassung“ nach München gekommen und „nicht in Spielform“. Seeley war schon in der Saison 2020/21 als „Auffüller“ von den Bayern verpflichtet worden, damals gewann er mit dem Club den Pokal. Die Geschichte soll sich jetzt wiederholen.
Der Gastgeber
Der Jubel war bei den EWE Baskets Oldenburg groß, als der Club den Zuschlag für die Austragung des diesjährigen Final Four erhielt. Nicht nur finanziell soll sich die Gastgeberrolle lohnen, auch sportlich erhoffen sich die Niedersachsen davon viel – schließlich stand am Ende der ersten Pokal-Endrunde in Oldenburg 2015 der Titelgewinn für den Gastgeber. Auch diesmal werden 6.200 Zuschauer in der EWE Arena die „Donnervögel“ nach vorne peitschen und für eine stimmungsvolle Atmosphäre sorgen. „Sportlich ist die Konstellation der Teams schon ein Kracher, immerhin werden vier der aktuellen Top-Fünf aus der BBL den Pokal-Sieger ausspielen“, sagte Oldenburgs geschäftsführender Gesellschafter Hermann Schüller. Allerdings sorgt die Personalsituation für einen Stimmungsdämpfer beim Ausrichter, der im Jahr eins nach dem Rücktritt von Club-Ikone Rickey Paulding bislang eine gute Saison spielt. Zuletzt verlängerte Center Owen Klassen die Verletztenliste, dessen Ausfall wiegt vor allem mit Blick auf das Final Four schwer.
Die Verantwortlichen haben aber reagiert und in Shakur Asiatic Juiston einen international erfahrenen Profi kurzfristig unter Vertrag genommen. „Ich bin glücklich, dass wir mit Shakur einen athletischen und flexiblen Big Man verpflichten konnten“, sagte Headcoach Pedro Calles. Die Körperlänge von „nur“ 2,01 Meter sollte niemanden täuschen, „er agiert mit Qualität unter dem Korb und wird in unser defensives System passen“, erklärte Calles. Der 26-Jährige Juiston schwärmte von der „Siegermentalität“ seines neuen Teams, das er mit seiner Erfahrung und Qualität bereichern wolle. Am besten schon beim Pokal-Heimturnier.
Der Außenseiter
Auch Ludwigsburg wollte das diesjährige Final Four austragen und damit vom Heimvorteil profitieren, doch den Zuschlag bekam die MHP-Arena nicht. Die Ludwigsburger haben als einziger Teilnehmer des Endturniers den Pokal noch nie gewonnen, entsprechend motiviert gehen sie ihre Außenseiterchance an. Auch von der jüngsten Liga-Niederlage gegen Halbfinalgegner Oldenburg will sich das Team von Headcoach Josh King nicht verunsichern lassen, zumal es zwischenzeitlich sogar mit 18 Punkten geführt hatte. Diesmal will Ludwigsburg bis zum Ende hochkonzentriert bleiben und zumindest ins Finale gegen Alba oder die Bayern einziehen.
Die Spielanlagen von Ludwigsburg und Oldenburg ähneln sich sehr: Beide Teams suchen schnell und oft den Abschluss, vor allem von der Dreipunktelinie, weshalb die Quoten nicht zu den Topwerten der Liga gehören. Bester Scorer bei Ludwigsburg ist Prentiss Hubb, der 23 Jahre alte Guard spielt eine herausragende Premierensaison. Sein Fehlen wegen einer Fußverletzung vor ein paar Wochen sorgte für einen Einbruch beim Team, doch inzwischen ist der US-Profi zurück und das Spiel der Riesen wieder deutlich stabiler.
Hubb hatte zuvor vier Jahre für das Collegeteam der Universität Notre Dame in Indiana gespielt, ehe er als Probespieler in der Vorbereitung die Ludwigsburger Verantwortlichen vollauf überzeugen konnte. Ein Glücksgriff – für beide Seiten. „Ich danke dem Team, mir die Chance gegeben zu haben, mein Talent zu zeigen“, sagte Prentiss Hubb und fügte hinzu: „Obwohl wir viele neue Gesichter in der Mannschaft haben, hat sich gleich eine gute Chemie entwickelt. Wir sind schon fast wie Brüder und helfen uns gegenseitig.“