Das Jahr ist jung, doch die Herausforderungen für 2025 sind absehbar. Viele politische Karten werden dies- und jenseits des Atlantiks neu gemischt. 2025 könnte ein Jahr wegweisender Entscheidungen sein – voller Risiken und Chancen.
Die geopolitische Lage bleibt für die Nato und die EU angespannt. Bisherige Konflikte und Krisen könnten sich verschärfen. Das betrifft insbesondere die Rivalitäten zwischen Europa, den USA, Russland und China.
Auch die Unruhen im Nahen Osten bergen Gefahren, die bis nach Europa reichen. Ein Anstieg islamistischer Terrortaten gehört zu den Sicherheitsszenarien. Die Lage rund um die einzige Nahost-Demokratie Israel dürfte explosiv bleiben. In einigen Staaten wird es unruhig bleiben. Die Behinderung der internationalen Schifffahrt im Roten Meer durch schwerbewaffnete Terrormilizen ist nicht ausgestanden. Es gilt, sich an neue Realitäten anzupassen.
Eins der zentralen Themen für Nato und EU liegt unverändert vor Europas Haustür: der völkerrechtswidrige Angriff Russlands auf die Ukraine. Die militärischen Fronten haben sich zum Jahresende zugunsten des Kremls stabilisiert. Aber bislang ist keine dauerhafte Lösung in Sicht, jedenfalls nicht militärisch.
Der Kriegsverlauf hängt von Russlands Präsident Putin ab. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat erklärt: „Der Krieg endet, wenn Russland will.“ Friedensgespräche, wie von der Slowakei angeboten, haben wenig Aussicht auf Erfolg. Die militärische Karte ist noch nicht ausgereizt – zu hohen Kosten.
Erstmals EU-Kommissar für Verteidigung
Dabei liegt die Frage der Nato-Mitgliedschaft der Ukraine auf dem Tisch – und bleibt wohl dort liegen. Die meisten europäischen Nato-Mitglieder unterstützen den Aufnahmewunsch. Aber es gibt Widerstände, insbesondere von Deutschland und in der künftigen US-Administration. Bundeskanzler Olaf Scholz hat betont: „Ein Land im Krieg kann absolut kein Mitglied der Nato werden.“ Mit dieser Haltung und Zurückhaltung bei Waffenhilfe hofft er auf Punkte bei der Bundestagswahl.
„Es ist an der Zeit, dass Europa sich stärker engagiert und einen gleichberechtigten Teil der Verantwortung für die europäische Sicherheit und Verteidigung übernimmt“, sagen der niederländische Sicherheitsanalyst Hans Binnendijk und der ehemalige US-Botschafter in Moskau, Alexander Vershbow. In einem Meinungsartikel der US-Fachzeitschrift „Military Times“ warnen sie vor einem Sofortstopp der US-Militärhilfe an die Ukraine. Das käme einem „Verrat an einer unabhängigen Demokratie gleich“, meinen die beiden Experten.
Stattdessen plädieren Binnendijk und Vershbow dafür, einen neuen Transatlantik-Pakt zu schließen. Darin könne Europa mehr als 50 Prozent der Fähigkeiten bereitstellen und alle Fähigkeiten für Missionen außerhalb der Beistandsverpflichtung übernehmen. Das, so sagen die Autoren, könnte einen großen Beitrag dazu leisten, Trumps Überzeugung zu widerlegen, dass die Verbündeten hoffnungslose Drückeberger sind.
Ein wichtiger Schritt und ein Signal an Washington ist die soeben erfolgte erstmalige Einsetzung eines EU-Kommissars für Verteidigung. Andrius Kubilius aus Lettland koordiniert europäische Rüstungsproduktionen. Der Christdemokrat mahnt höhere Verteidigungsausgaben an. Denn Geheimdienste warnen, Russland könnte bis 2030 EU- Staaten angreifen. Die Umsetzung der EU-Strategie für eine Sicherheitsunion soll dazu beitragen, den Bedrohungen zu begegnen. Ihre Ziele: Resilienz stärken, proeuropäische Sympathien fördern und sicherheitsrelevante Politikbereiche verzahnen.
Ein Bericht des Atlantic Council hebt die Notwendigkeit hervor, dass europäische Verbündete mehr Verantwortung übernehmen. Die US-Denkfabrik zur Förderung der US-Führungsrolle formuliert: „Bis zum Nato-Gipfel 2025 (Ende Juni in Den Haag) müssen die europäischen Alliierten echte Fortschritte bei der Übernahme eines größeren Verteidigungsanteils auf dem Kontinent erzielen.“
Kubilius will die Zusammenarbeit zwischen EU und Nato verbessern, um Ressourcen effizienter zu nutzen und Doppelstrukturen zu vermeiden. Nato-Generalsekretär Mark Rutte betonte bei einem Treffen mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen: „Unsere Partnerschaft ist entscheidend, um den aktuellen und zukünftigen Herausforderungen gemeinsam zu begegnen.“
Pläne für eine Europäische Armee – ja, es gibt sie noch. Aber sie werden wohl weiter verstauben. Der Grund: Nationale Interessenkonflikte. Die Idee kam schon 2015 von Jean-Claude Juncker, dem damaligen EU-Kommissionspräsidenten. Damit könne Europa glaubwürdiger auf Bedrohungen reagieren, argumentierte der Luxemburger. Gegner der Idee von einer EU-Streitkraft dagegen sagen auch heute noch, die EU sei zu heterogen und ineffizient, um solche Vorhaben umzusetzen. Es bleibt wohl eine Generationenaufgabe.
Mehr strategische europäische Autonomie
Unterdessen erwarten Beobachter verstärkte hybride Bedrohungen wie Cyberangriffe und Desinformationskampagnen. Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius: „Putin weiß, wie er Nadelstiche setzt.“ Dem pflichtet Bruno Kahl bei, der Präsident des Bundesnachrichtendienstes (BND): „Die russischen Desinformationskampagnen erfolgen ohne rechtliche Schranken und vor allem ohne jegliche Skrupel.“ Ziele seien die Schwächung der Unterstützung für die Ukraine, die Diskreditierung der Nato und die Förderung prorussischer Parteien und Stimmen in Europa.
China bleibt ein komplizierter Partner und Rivale zugleich. Die Volksrepublik ist mit künstlich alimentierten Günstigprodukten ein mächtiger Konkurrent für die EU. Die Nato ist derweil besorgt über die zunehmende Marinepräsenz Pekings im Indopazifik. Ein Überfall auf Taiwan könnte verheerende ökonomische Folgen im Rest der Welt haben. Diese sowohl wirtschaftlich wie militärische strategische Bedeutung Chinas zwingt Europa, seine außenpolitischen Prioritäten ständig neu zu bewerten. Im Brüsseler Nato-Hauptquartier schaut man daher weit über die Grenzen des eigenen Kontinents hinaus.
Die Allianz stuft ebenso wie die EU China als einen systemischen Gegner ein. Für 2025 müssten die USA und Europa eigentlich eine intensivere transatlantische Kooperation eingehen, um das Vordringen aus Asien zu stoppen. Aber die unklare Haltung der USA hat Europa dazu bewogen, einen eigenen Ansatz neben den Vereinigten Staaten zu entwickeln. Dabei gilt es, wirtschaftliche Abhängigkeit von China zu mindern und geopolitische Distanz zu wahren, aber auch gewappnet zu sein für nicht so gute Zeiten mit den USA.
Beim Versuch, mehr auf eigenen Beinen zu stehen, spielt technologischer Fortschritt für die europäische Unabhängigkeit eine Schlüsselrolle. Künstliche Intelligenz, autonome Waffensysteme und Quantencomputing müssen genutzt werden, um die ökonomische und militärische Verteidigungsfähigkeit zu stärken. Europa plant dafür im Jahr 2025 milliardenschwere Investitionen in Forschung und Entwicklung, um technologisch weniger verwundbar und schlagkräftiger zu werden.
Die Energiesicherheit bleibt eine weitere zentrale Herausforderung. Wasserstoff, Offshore-Windkraft und Solarenergie gewinnen weiter an Bedeutung. Aber auch die als emissionsfrei definierte Atomkraft ist in einigen Teilen Europas wieder im Kommen. Dennoch bleibt Europa auf Energieimporte angewiesen. Angriffe auf Pipelines und Datenkabel in der Ostsee zeigen die Verwundbarkeit kritischer Infrastruktur.
Fazit: Die transatlantischen Beziehungen werden 2025 auf die Probe gestellt. Differenzen in Verteidigung, Handel und im Umgang mit China könnten die Zusammenarbeit belasten. Die EU strebt strategische Autonomie an, ohne die Partnerschaft mit den USA zu gefährden.
Ebenfalls im Fokus: Das ungelöste Problem der Migration. Konflikte, Klimawandel und wirtschaftliche Ungleichheiten treiben Menschen nach Europa. Die EU plant Reformen der Asylpolitik. Aber auch bessere Grenzsicherung. Dafür notwendige Absprachen mit instabilen Drittstaaten bleiben schwierig.
Insgesamt gesehen wird 2025 entscheidend dafür sein, wie EU und Nato auf globale Herausforderungen reagieren. Die Zusammenarbeit beider Institutionen ist von zentraler Bedeutung, um Europa in einer multipolaren Welt zu stabilisieren.