Sind die Probleme der deutschen Autoindustrie noch zu lösen?
Die dunkle, nass-kalte Jahreszeit hat es in sich. Es ist Schnupfen- und Hustenzeit. Früher ist alles anders gewesen, richtig, aber meistens nicht besser. Mit einem Unterschied: Schaut man sich alte vergilbte Fotos an, waren die Menschen offensichtlich gesundheitlich robuster – oder sie sind heute verweichlichter.
Jedenfalls zeigen historische Fotos aus dem vorigen Jahrhundert seit Ende des Ersten Weltkriegs die vorangegangenen Generationen vielfach stramm mit Schnauzbart und Uniform, im Stresemann oder mit Frack und Zylinder. In jedem Fall aber auch in der kalten Jahreszeit mantellos und trotzdem ersichtlich ohne Schnupfen und immer bei bester Gesundheit. Und das auch in den kalten Monaten und dem beginnenden Winter.
Fotos aus dieser Zeit gibt es viele, denn der November war in der deutschen Geschichte etwas Besonderes; so etwas wie eine Zeitenwende, nicht nur der Jahreszeiten. Häufig war es der 9. November, in dem in Deutschland Geschichte geschrieben wurde: 1918 die Proklamation der Deutschen Republik durch Philipp Scheidemann, 1923 der Beginn des Nationalsozialismus mit dem Hitler-Putsch in München, 1939 die Reichspogromnacht mit all dem unsäglichen Leid der jüdischen Bevölkerung und 1989 der Mauerfall und das Ende der deutschen Teilung.
Satiriker würden meinen, vor diesem Hintergrund hätte Bundeskanzler Olaf Scholz seine Ampel-Regierung drei Tage zu früh beendet. Aber eine Zeitenwende wurde dadurch auch nicht ausgelöst. Das Ganze spielt sich mitten in einer globalen Zeitwende ab. In einer Welt voller Unsicherheiten ist das Ampel-Ende nur ein Mosaikstein. Mit Kriegen im Osten Europas quasi vor der Haustüre, und im Dauer-Unruheherd Palästina: mit Ringen um die Vormachtstellung in der Welt zwischen den Weltmächten USA und China; und mit einem erneut gewählten, unberechenbaren US-Präsidenten Donald Trump, der Amerika noch größer und mächtiger machen will.
Und zu all diesem Chaos kommt der Bruch der deutschen Regierung, die über viele Jahrzehnte ein Hort der Stabilität in und für Europa war– für manche allerdings gegen Ende immer stärker Charakterzüge eines Seniorenheims aufwies. Überschattet wird dieses ganze irrlichternde, politische Wimmelbild von einer Schwäche der deutschen Wirtschaft, mit Stillstand und – symbolhaft– zerbröselnder Infrastruktur. Deutschland ist inzwischen beim Wirtschaftswachstum Schlusslicht in Europa.
Die Krone des Niedergangs ist völlig ungewohnt eine Krise der deutschen Autoindustrie. Der bisherige Wohlstandsmotor der deutschen Volkswirtschaft, tief verwurzelt in allen übrigen Industriezweigen und Dienstleistungsbereichen, mit mehr als 800.000 direkt Beschäftigten und einem Anteil an der gesamten deutschen Wertschöpfung von über zehn Prozent über Jahrzehnte Leuchtturm der deutschen Industriegesellschaft – er kriselt.
Eine Schwäche der Branche in dieser Form hat es seit Kriegsende und Wirtschaftswunder so noch nicht gegeben. Wenn die deutsche Autoindustrie in früheren Jahrzehnten Zeiten der Beschäftigungs- und Ertragseinbußen hatte, so waren diese durch externe oder interne Nachfrage-Schocks verursacht. Das waren vorrübergehende Konjunkturdellen in der Autonachfrage. Diesmal geht die Krise tiefer, geht vom Angebot aus, von den Autoherstellern selber. Der politische Schwenk weg vom Verbrenner zu reinen Elektroautos hat die traditionellen Weltmarktführer bei Verbrennermotoren ihrer existenziellen Geschäftsgrundlage beraubt. Und gleichzeitig der jungen, mit Staatsmilliarden gepamperten chinesischen Elektroauto-Konkurrenz ausgesetzt, vor allem in China selber.
Das trifft alle Hersteller, vor allem aber auch die großen Auto-Zulieferer, die nun reihenweise beginnen, ihre Werke mit Verbrennerteilen in ohnehin strukturschwachen Regionen zu schließen. Und andere US Groß-Investoren fangen an, um Deutschland als Wirtschaftsstandort einen großen Bogen zu machen. Die Schäden, die eine gutgemeinte aber zu nassforsche Klimapolitik angerichtet hat, sind irreversibel. Bevor noch Schlimmeres passiert, muss dringend umgedacht werden.