Nicolas Cage gehört zu den aufregendsten Schauspielern in der amerikanischen Traumfabrik. Immer sehr eigenwillig, immer ein wenig unnahbar und düster.
Nicolas Cage wurde als Nicolas Kim Coppola am 7. Januar 1964 in Long Beach, Kalifornien, geboren. Sein Vater, August Coppola, ist der ältere Bruder des legendären Filmemachers Francis Ford Coppola; seine Mutter Joy Vogelsang, eine Tänzerin und Choreografin, ist eine gebürtige Deutsche. Nicolas Mutter litt unter starken Depressionen, die immer wieder dazu führten, dass sie in Kliniken eingewiesen wurde. Vielleicht auch, um den jungen Nicolas auf andere Gedanken zu bringen, nahm ihn sein Onkel Francis oft mit ins Kino. Aber statt mit ihm Disney-Filme wie „Schneewittchen und die sieben Zwerge“ oder „Bambi“ anzuschauen, sahen sie sich solche Dramen wie „Der Glöckner von Notre-Dame“ oder „Die sieben Samurai“ an und Horror-Klassiker wie Murnaus Dracula-Film „Nosferatu“. Das waren Filme, die Nicolas mit seinem melancholisch-brütenden Temperament zwar Alpträume verursachten, bei ihm aber auch, wie er später sagte, die Lust auf Kino entfachten. „Mit zwölf Jahren sah ich einen Bruce-Lee-Film und hatte danach nur ein Ziel: Ich wollte so sein wie er. Ich studierte die Kung-Fu-Kampftechniken und machte jeden Tag nach dem Aufstehen Klimmzüge und Liegestützen. Dann ging ich in die Schule und tat so, als ob ich ein legendärer Karate-Meister wäre. Als ich mit 15 ‚Die Verwandlung‘ von Kafka las, war ich für eine Woche eine Kakerlake. Das Schauspielen war also etwas, das mich schon damals intensiv beschäftigt hat.“ Der Regisseur Jon Turteltaub, mit dem Nicolas Cage später einige Filme drehen sollte, kannte ihn aus der High School und meinte im einem Interview lachend: „Nic war schon immer das krasse Gegenteil von einem kalifornischen Sonnyboy. Niemand konnte sich ihn als Dude auf einem Surfbrett vorstellen.“
Das Gegenteil eines Sonnyboys
Mit 15 meldete sich Nicolas für einen Sommerkurs für Schauspieler im American Conservatory Theatre in San Francisco an und wurde auch gleich in einem Theaterstück besetzt. Sein nächster Plan lautete, bald auch ins TV-Geschäft einzusteigen. Und tatsächlich hatte er 1981 einen Gastauftritt in dem Fernsehfilm „The Best of Times“. Beflügelt von diesen frühen Erfolgen schmiss er mit 17 die Highschool, um sein Glück als Schauspieler zu versuchen. Und es ließ sich gar nicht so schlecht an. Beim Casting zu seinem ersten Kinofilm „Ich glaub’ ich steh’ im Wald“ (1982), zu dem er noch als Nicolas Coppola ging, freundete er sich mit Sean Penn an. Mit ihm zog er dann nach Drehschluss durch die Bars und Nachtclubs von Los Angeles. Penn imponierte dem jungen Cage nicht nur durch sein schauspielerisches Können, sondern auch durch sein großspuriges Auftreten. Um nicht in den Verdacht des Nepotismus zu kommen, änderte Nicolas dann seinen Nachnamen in Cage (nach der Marvel-Comic-Figur Luke Cage und dem Avantgarde-Musiker John Cage).
Ironischerweise hatte Nicolas Cage seine erste tragende Rolle dann doch in einem Film seines Onkels Francis Ford Coppola, nämlich in dem Teenager-Drama „Rumble Fish“. Eigentlich hatten sich beide – aus bekannten Gründen – ja geschworen, auf keinen Fall einen Film zusammen zu machen. Aber dann ging Nicolas zum Casting – und war dermaßen gut, dass Coppola ihn eben doch engagierte. Nach dem großen Erfolg von „Rumble Fish“ schickte Coppola seinem Neffen ein Telegramm, das er mit „Francis Cage“ signierte. Als Zeichen, dass Nicolas nun seine ganz eigene Identität gefunden hatte.
Ab Mitte der 1980er-Jahre hat sich Nicolas Cage in Hollywood als vielseitiger und risikofreudiger Schauspieler etabliert und zog vor allem Regisseure an, die jenseits des Mainstream-Kinos facettenreiche Filme machten. Wie zum Beispiel den Briten Alan Parker, der ihn in „Birdy“ (1984) besetzte, wo Cage einen traumatisierten Vietnam-Veteranen spielte, der glaubt, wie ein Vogel fliegen zu können. Und auch die Coen-Brüder gaben Nicolas Cage bei ihrer irrwitzigen Komödie „Arizona Junior“ (1987) die Hauptrolle. „Das war die Zeit, in der mich die Medien meist als Outsider, Freak oder Method Actor, der eine Schraube locker hat, bezeichnet haben. Nur weil ich mich in die jeweiligen Figuren mit Leib und Seele hineinversetzt habe. Und zwar ohne Rücksicht auf Verluste“, meint Nicolas Cage Jahre später in einem Interview. Aber er war klug genug, diesem wunderlich-verschrobenen Image etwas entgegenzusetzen, was auch dem breiten Publikum gefiel: nämlich den gefühlvollen Romantiker. Mit Kinohits wie „Peggy Sue hat geheiratet“ – wieder unter der Regie seines Onkels – und „Mondsüchtig“ an der Seite von Cher hatte er endlich auch seinen internationalen Durchbruch.
Mit dem Erfolg kam auch der Ruhm. Und das Geld. Und zwar sehr viel davon. Für Nicolas Cage war das Leben auf der Überholspur aber nicht nur ein hedonistisches Vergnügen. Es war auch eine Genugtuung, dass er jetzt finanziell unabhängig war, sprich steinreich, und sich fast alles leisten konnte. Als Kind hatte er mit staunenden Augen – und vielleicht auch mit ein bisschen Neid – gesehen, wie Onkel Francis im Filmgeschäft Millionen scheffelte und sich allen erdenklichen Luxus leistete, während er selbst in einem Haushalt aufwuchs, in dem zwar für einen gesorgt wurde, wo man aber doch immer auch aufs Geld schauen musste und sich keine Extravaganzen erlaubte.
Leidenschaftlicher Leser
Er lebte also sein persönliches Highlife in vollen Zügen aus und verliebte sich zu dieser Zeit auch in die Schauspielerin Christina Fulton, die ihm 1990 einen Sohn schenkte. Allerdings ging diese Beziehung bald auseinander. Denn Nic Cage hatte sein Auge bereits auf eine andere Schauspielerin geworfen, nämlich Patricia Arquette. Sein erster Anlauf, sie zu heiraten, scheiterte aber unter anderem daran, dass sie es gar nicht cool fand, als er ihr bei seinem Hochzeits-Antrag eine schwarz gesprayte Orchidee vor die Nase hielt. Jahre später hat sie ihn dann aber doch erhört. Die beiden heirateten 1995 und ließen sich 2001 wieder scheiden. Denn mittlerweile hatte sich Nic schon bis über beide Ohren in Lisa Marie Presley verliebt, die Tochter seines großen Idols Elvis und Ex-Frau von Michael Jackson. 2002 haben die beiden geheiratet, 2004 waren sie wieder geschiedene Leute. In dritter Ehe war Cage dann von 2004 bis 2016 mit Alice Kim verheiratet. Sie lernten sich in einem Restaurant kennen, in dem Kim als Bedienung arbeitete. 2005 wurde ihr Sohn geboren, den Nicolas Cage als großer Superman-Fan auf den Namen Kal-El taufte – den Namen, den Superman auf seinem Heimatplaneten Krypton hatte, bevor er auf die Erde fiel.
In einem Interview auf diese ziemlich exzentrische Namensgebung angesprochen, antworte Nicolas Cage wie folgt: „Ich bin alles andere als ein Comic-Nerd. Freilich stimmt es, dass ich Superman für den größten Comic-Helden überhaupt halte. Und natürlich habe ich auch Comics gelesen. Als Kind. Aber mit 14 Jahren habe ich damit aufgehört.“ Als frühreifer Teenager wurde Nicolas Cage zu einem leidenschaftlichen Leser, der nicht nur Romane verschlungen hat, sondern sich auch für Philosophie interessierte. So war er zum Beispiel von Nietzsche total begeistert und studierte auch die Psychoanalytiker Freud und Jung mit Hingabe. „Mir war schon sehr früh klar, dass es viele Dinge zwischen Himmel und Erde gibt, die wir mit rationalen Kategorien nicht erfassen können. Je älter ich wurde, desto mehr interessierte ich mich für die philosophischen Aspekte des Lebens. Ich war eigentlich schon immer ein Freigeist. Und habe Veränderungen immer willkommen geheißen. Ich wollte nie stehen bleiben oder mich etwa in meiner eigenen Blase gemütlich einrichten. Wir alle häuten uns doch mehrmals im Leben.“
„Ich bin mein eigenes Instrument“
Mitte der 90er-Jahre war auch die Zeit, in der Nicolas Cage zum Charakterdarsteller heranreifte. Für seine Hauptrolle in dem Drama „Leaving Las Vegas“ bekam er 1996 den Oscar in der Katego-rie bester Hauptdarsteller. David Lynch war damals von ihm so begeistert, dass er ihn einen „Jazzmusiker der Schauspielerei“ nannte. „Das war das größte Kompliment, das ich je bekommen habe“, freut sich Cage und meint: „Ich fühle mich beim Drehen tatsächlich oft wie ein Musiker. Ich bin da mein eigenes Instrument, auf dem ich spiele. Ich will Sound herstellen, Bewegung fühlbar machen. Die schönsten Momente, die ich vor einer Kamera hatte, waren die, in denen ich – wie ein Jazzmusiker – improvisieren konnte.“
Nicht alle waren von Cages Schauspielkunst begeistert. In Hollywood galt er trotz seiner künstlerischen Erfolge immer noch als ein Misfit, ein unberechenbarer Außenseiter. Daran änderte auch die Tatsache nichts, dass er mit einigen Blockbuster-Streifen wie „The Rock – Fels der Entscheidung“, „Con Air“ und „Nur noch 60 Sekunden“ sehr viel Geld in die Kinokassen spülte. Was seinen Freund Sean Penn vor gut 25 Jahren dazu veranlasste, Nic ziemlich hart zu kritisieren. Er warf ihm vor, nicht länger ein Schauspieler zu sein, sondern nur noch ein „Performer“. Cage nahm es gelassen. In einem Interview sagte er: „Wenn man als Schauspieler in Hollywood überleben will, sollte man nichts zu ernst nehmen. Sonst würden einen all die Verletzungen, die Zurückweisungen, die Niederlagen mit der Zeit umbringen.“
Im Laufe seines Lebens hat Nicolas Cage viele Metamorphosen durchlebt. Und er ist auch nach all den Jahren immer noch jemand, der hungrig ist aufs Leben – und aufs Filmemachen. In den letzten Jahren hatte er mit einer Handvoll Filme wie „Massive Talent“, „Renfield“, „Dream Scenario“ und „Arcadian“ ein glänzendes Comeback. Es sei ihm von Herzen gegönnt.
Nicolas Cage lebt derzeit mit seiner fünften Ehefrau, Riko Shibata, und ihrer zwei Jahre alten Tochter Francesca überwiegend in Las Vegas.