Regionalligist FC Hertha 03 hat am zwölften Spieltag erstmals gewonnen – und den Anschluss in der Tabelle wiederhergestellt. Aber bedeutet das auch, dass der Knoten endlich geplatzt ist?
Tilman Käpnick hielt sich, anders als Spieler und der restliche Staff, nicht lange mit Jubeln auf – vielmehr eilte er zum Assistenten an der Seitenlinie, offenbar um die Uhren abzugleichen. Gerade hatte seine Mannschaft in der Nachspielzeit zum 2:1 gegen den BFC Dynamo getroffen, und der erste Dreier der Saison – am zwölften Spieltag – war zum Greifen nahe. Doch Käpnick und sein Team des FC Hertha 03 sind schließlich gebrannte Kinder: Im Heimspiel zuvor gegen Babelsberg 03 hatte man sogar dreimal geführt und kassierte in der 90. Minute noch den 3:3-Ausgleich. Damit war man zwar als Schlusslicht zweimal ungeschlagen geblieben, die dabei erzielten zwei Zähler halfen den Zehlendorfern im Tabellenkeller aber nicht wirklich weiter.
Die bessere erste Halbzeit
Dadurch, dass am elften Spieltag alle Vertreter der Abstiegszone punkteten, war der Rückstand zum Vorletzten sogar auf vier Zähler angewachsen. Vor dem Heimspiel gegen Dynamo am 18. Oktober war der Vorjahresaufsteiger also unter Zugzwang – der Gegner hatte sich dazu mit einer bescheidenen Erfolgsserie gerade aus der unmittelbaren Gefahrenzone absetzen können. Hertha 03 spielte dennoch die bessere erste Halbzeit, ermöglichte dem BFC offensiv beinahe gar nichts und hatte selbst die eine oder andere Torchance, ließ diese allerdings ungenutzt. So ging es torlos in die Halbzeitpause, doch kurz nach Wiederanpfiff gelang Hertha 03 der Führungstreffer: Eine Flanke von Jonas Burda köpfte Niklas Doll clever vor dem herauseilenden Dynamo-Keeper in die Maschen. Es war das erste Saisontor des Angreifers, der vor der Saison von Wacker Burghausen verpflichtet worden war. Der Treffer aber weckte den Gegner, der zehn Minuten später auch bereits zum Ausgleichstor kam: Eine mit Effet geschlagene Ecke hatte Torwart Alexios Dedidis in Bedrängnis ins eigene Tor geboxt – wieder so ein individueller Fehler, der die Mannschaft im Verlauf der bisherigen Saison immer wieder Punkte kostete. Trainer Käpnick haderte, und seine Schützlinge sahen sich jetzt verstärkten Angriffen des Kontrahenten ausgesetzt. Mindestens einmal konnte Dedidis dabei die Scharte des Gegentors auswetzen und hielt zumindest den Punkt bis in die Nachspielzeit fest. Und dann kam der Moment von Nanitonda Quiala: Der im September erst 20 Jahre alt gewordene Verteidiger stand bei einem abgewehrten Ball am Strafraumrand des BFC goldrichtig und schoss den Ball mit dem Innenrist zum 2:1 für Hertha 03 ein. Es sollte das Siegtor sein, denn wenig später – die Uhren von Käpnick und des Assistenten stimmten darin überein – pfiff der Unparteiische ab. Die Erlösung brach sich Bann, von den Spielern über das Trainerteam bis hin zu Präsident Kamyar Niroumand, den man lange nicht mehr mit einem breiten Lächeln nach Abpfiff auf dem Platz gesehen hatte. Wie wichtig dieser erste Dreier war, zeigte sich daran, dass die Konkurrenz diesmal durch die Bank verlor – und Hertha 03 den Anschluss damit auf einen Punkt wiederherstellen konnte. Das hatte Käpnick in der abschließenden Ansprache im Mannschaftskreis bereits betont: Man sei wieder „dran“ und habe den anderen Teams gezeigt, dass man bereit sei, den Kampf um den Klassenerhalt anzunehmen.
Das Werben um Geduld
Auch für den Trainer von Hertha 03 war das 2:1 gegen Dynamo ein Befreiungsschlag – bestritt er doch erst seinen vierten Einsatz als Cheftrainer an der Seitenlinie. Nach der 1:2-Niederlage in Meuselwitz am siebten Spieltag hatten sich die Zehlendorfer von Steffen Israel getrennt – der 39-Jährige war erst vor der Saison nach Berlin gekommen (zuvor Carl Zeiss Jena U19), um das Erbe von Robert Schröder anzutreten. Der wiederum war jahrelang Coach (und davor auch Spieler) bei Hertha 03, erreichte 2024 den Aufstieg in die Regionalliga Nordost und im Folgejahr den angesichts der Voraussetzungen als Halbprofis fast für unmöglich erscheinenden Klassenerhalt. Dann entschied sich Schröder, die Dreifachbelastung aus Familie, Beruf und Viertligafußball zu verringern – und ist nun Coach „in Vollzeit“ beim Ligarivalen Hallescher FC. Israel jedoch erwischte bei Hertha 03 einen missglückten Start mit nur einem Punkt aus sieben Spielen – und der Club zog Konsequenzen. „Wir bedauern sehr, diesen Schritt gehen zu müssen“, wurde Präsident Niroumand in einer Vereinsmitteilung damals zitiert, „nach dem Umbruch im Sommer haben wir gehofft, mit Steffen Israel den richtigen Trainer gefunden zu haben – leider sind die erhofften Ergebnisse nicht eingetreten.“ Die schnell präsentierte Interimslösung: Tilman Käpnick, Trainer der U19 des Vereins seit Anfang des Jahres. Zuvor war er schon zehn Jahre in den Jugendabteilungen von Babelsberg 03 und Tennis Borussia als Übungsleiter aktiv, danach folgte ein kurzes Intermezzo im Männerbereich beim Sechstligisten Stern Britz. Doch auch Käpnick blieb beim Regionalligateam zunächst erfolglos – nach zwei 0:1-Niederlagen zum Auftakt seiner Aufgabe warb er noch um Geduld, weil er bereits Fortschritte erkannt haben wollte. Auch auf der Verantwortungsebene sah man das offenbar so, denn nach dem 1:1 in Eilenburg wurde Käpnick Anfang Oktober zum festen Cheftrainer befördert. Seither blieb Hertha 03 wie erwähnt unbesiegt bei fünf Punkten aus drei Partien – hatte vergangenes Wochenende aber beim Chemnitzer FC eine schwierige Aufgabe vor der Brust. Auch vergangene Saison mussten die Zehlendorfer dabei eine Durststrecke durchstehen: 13 Spiele blieb man sieglos (vier Zähler), war aber mit 13 Punkten aus sieben Partien stark gestartet und hielt am Ende mit Platz zwölf sogar noch sicher die Klasse. Man hatte damals vor dem Negativlauf also bereits die Erfahrung gemacht, dass man mithalten kann – diese Saison muss der Nachweis ergebnismäßig noch erbracht werden. Doch man darf nun gespannt sein, was der erste Saisonsieg in Zehlendorf freisetzt. Apropos: Nach dem Premierendreier wurde Matchwinner Quiala von „Ostsport.tv“ gefragt, ob die Spieler denn nun noch gemeinsam eine Runde feiern gehen würden: „Weiß ich jetzt gar nicht“, antwortete der Youngster entwaffnend, „ich geh’ jetzt erst mal auf den Geburtstag meiner Nichte und werde da Spaß haben – und dann konzentrieren wir uns auf Chemnitz.“ Mit der Einstellung sollte der Klassenerhalt des FC Hertha 03 eigentlich kein Problem werden.