Der letzte Korbwurf bei der triumphalen Europameisterschaft ist erst ein paar Tage her, da geht es auch schon in der Basketball-Bundesliga wieder los. Wer hat die besten Chancen auf den Titel? Gibt es einen Boom? Wird die Terminhatz zum Problem?
Beflügelt vom EM-Coup fiebern die deutschen Basketballfans dem BBL-Start entgegen. Titelverteidiger Bayern München eröffnet die 60. Bundesliga-Spielzeit mit einem Heimspiel gegen Aufsteiger Science City Jena. Die Jubiläums-Saison dürfte auch wegen EM-Helden wie Andi Obst und Oscar da Silva für einen Besucher-Rekord sorgen.
DER EM-EFFEKT
Henning Harnisch muss es wissen. Er ist einer der Vorgänger der heutigen Basketball-Helden, die 1993 EM-Gold gewannen. Es habe damals eine gewisse Euphorie gegeben, sagte Harnisch: „Aber ein Boom entsteht nicht durch einen Titelgewinn.“ Dieser sei nur möglich, wenn der gesamte Unterbau stimmt. „Heute ist viel mehr Basis da, da ist viel mehr angelegt. Und das müssen wir jetzt gnadenlos ausnutzen“, forderte der heutige Vizepräsident und Jugendleiter von Alba Berlin. In der Tat geht es im deutschen Basketball seit rund zwei Jahrzehnten kontinuierlich aufwärts: Zusammenarbeit mit Schulen, Investitionen im Nachwuchsbereich, Quotenregelungen bei Proficlubs, Trainerausbildung – die Strukturen sind an vielen Stellen professionalisiert worden. Der EM-Sieg dürfte den Prozess weiter beschleunigen. „Das hilft enorm“, meinte der Ludwigsburger Center Jonas Wohlfarth-Bottermann, „um so eine ganze Epoche loszutreten, wo man zur besten Mannschaft der Welt gehört.“
Schon vor dem großen EM-Erfolg hatten viele BBL-Clubs entschieden, auf Expansionskurs zu gehen. Die Telekom Baskets Bonn werden zum Beispiel für ihr Heimspiel gegen die Bayern in die bis zu 20.000 Zuschauer fassende Kölner Lanxess-Arena umziehen. Die Veolia Towers Hamburg tauschen für ihre Heimspiele gegen die Bayern und Alba den Inselpark gegen die große Barclays Arena. Auch die MLP Academics Heidelberg und Syntainics MBC gehen bei Topspielen in deutlich größere Arenen in der Nähe. „Ich persönlich begrüße es immer sehr, wenn unsere Clubs den Schritt in die großen Hallen zu ‚Event Games‘ wagen“, sagte BBL-Geschäftsführer Stefan Holz. So kämen noch mehr Menschen mit der Liga, den Clubs, den Spielern und der Sportart in Berührung. Positiver Nebeneffekt ist, dass wieder ein Zuschauerrekord dabei rausspringen dürfte: Die in der Vorsaison aufgestellte Bestmarke von 1.271.900 Besuchern (im Schnitt 4.676 Fans pro Spiel) wackelt gewaltig.
DER FAVORIT
Glaubt man den Wettbüros, dann ist die Frage nach dem deutschen Basketball-Meister 2026 schnell beantwortet: Bayern München. Bei einem Einsatz von zehn Euro bekommt man lediglich etwa zwölf Euro zurück. Eine deutlich attraktivere Quote bieten sich für Zocker bei Tipps auf Alba Berlin (10,00) und Vizemeister Ratiopharm Ulm (12,00). Auch Experten sehen Bayern klar vor dem Duo Alba und Ulm, die anderen Meistertipps gehen schon in die Richtung verrückte Sensation. Die Bayern haben auch in diesem Transfer-Sommer die – zumindest auf dem Papier – spektakulärsten Verpflichtungen getätigt. So kam unter anderem der NBA-erfahrene Wenyen Gabriel nach München, zudem wurde Nationalspieler Leon Kratzer zurück in die Bundesliga geholt.
Gabriel spielte einst bei den Los Angeles Lakers an der Seite von Superstar LeBron James und dem deutschen Kapitän Dennis Schröder. Die Bayern werden auch in diesem Jahr versuchen, in der EuroLeague endlich den großen Angriff zu starten. In der Vorsaison sah es lange Zeit richtig gut aus. Doch eine unnötige Niederlage gegen Maccabi Tel Aviv sorgte dafür, dass das Team in ein „Play-Inn“ musste, statt direkt fürs Viertelfinale qualifiziert zu sein. Gegen Real Madrid flog Bayern dann raus – der Stachel sitzt noch immer tief. Die Hoffnungen von Club-Präsident Herbert Hainer ruhen hier ganz auf Erfolgscoach Gordon Herbert: „Gordi hat mit uns die Vision, in der EuroLeague irgendwann in die Final Four zu kommen.“
Herbert hat aber noch eine andere Mission: Er übernimmt ab Sommer 2026 den Posten des Nationaltrainers in seinem Heimatland Kanada. Der Weltmeistercoach mit der deutschen Auswahlmannschaft betonte jedoch, dass diese Entscheidung nicht zwingend bedeute, dass diese Saison seine letzte mit dem FC Bayern ist. Er habe weiterhin „große Lust“ auf die Aufgabe in München: „Denn der Job in München erfüllt mich extrem, mir wird hier großer Respekt entgegengebracht und ich habe ebenso große Lust darauf, so lange mit diesem Club zusammenzuarbeiten, wie es mir möglich sein wird.“
DER UMBRUCH
Bei Alba Berlin änderte sich nach der katastrophalen Vorsaison mit dem Viertelfinal-Aus in den Play-offs fast der gesamte Kader. Inklusive Nachwuchsspielern verließen 14 Profis den Club, die Neuzugänge wie Center J’Wan Roberts oder Guard Boogie Ellis kennen hierzulande selbst die meisten Insider nicht. Doch für Stars sitzt das Geld nicht mehr so locker, da der Club bewusst auf einen Start in der EuroLeague verzichtet. Die internationalen Auftritte in der drittklassigen Champions League lassen finanziell keine großen Sprünge zu. „Aber wir wollen trotzdem wettbewerbsfähig sein und um Titel mitspielen“, betonte Sportdirektor Himar Ojeda: „Wir wollen ein Team aufbauen und einen neuen Zyklus starten. Wir hatten eine lange, erfolgreiche Ära mit viel Kontinuität – jetzt beginnt eine neue Phase.“ Doch die dürfte gerade zu Beginn Rückschläge beinhalten, und ob sich im Laufe der Saison die vielen neuen Spieler wirklich zu einer Mannschaft finden werden, ist unsicher. Alba geht als die große Unbekannte in die kommende Saison – nicht wie in den Vorjahren als der große Herausforderer der Bayern.
DIE BELASTUNGEN
Vor allem für die Nationalspieler ist die Terminhatz im Basketball mittlerweile eine Qual. „Das Thema ist nicht neu, doch irgendwann ist dann doch mal der Punkt, an dem es so nicht weitergehen kann“, sagte der frisch gekürte Europameister Justus Hollatz: „Es sind zu viele Spiele, wir werden verheizt.“ So seien die Münchner in den Play-off-Finalspielen der Vorsaison gegen Ulm „physisch mausetot“ gewesen, meinte Hollatz, weil die Spieler da schon mehr als 80 Spiele in den Beinen hatten. Vor allem für die Münchner Nationalspieler Hollatz, Andi Obst, Johannes Voigtmann, Leon Kratzer und Oscar da Silva kommt es auch in dieser Saison heftig: Nach der wegen der EM verkürzten Sommerpause steht eine kräftezehrende Dreifach-Belastung mit BBL, EuroLeague und Pokal auf dem Plan. Das Risiko für eine Verletzung – wie sie Voigtmann schon während der EM erlitten hat – steigt damit natürlich. Auch, weil Zeit für eine angemessene Regeneration fehlt. Dass die EM und auch die EuroLeague von der Team-Anzahl aufgestockt wurden und es dadurch noch mehr Partien gibt, wird stark kritisiert. „Die Belastung ist einfach zu hoch“, meinte auch Interims-Bundestrainer Alan Ibrahimagic.
DIE AUFSTEIGER
Nach einer Saison mit nur 17 Vereinen kehrt die BBL nun zum bewährten Modus mit 18 Clubs zurück. Science City Jena und VET-Concept Gladiators Trier schafften sportlich den Aufstieg – und erfüllten auch die nicht ganz einfachen wirtschaftlichen Lizenzanforderungen. „Wir freuen uns, dass wir mit Jena und Trier zwei professionell arbeitende Traditionsclubs wieder in der Liga begrüßen dürfen, und wünschen beiden viel Erfolg in unserer 60. Jubiläums-Saison“, sagte BBL-Geschäftsführer Holz. Die von Björn Harmsen trainierten Jenaer Basketballer kehren nach sechs Jahren in die Bundesliga zurück. Trier ist nach zehn Jahren wieder Standort im deutschen Basketball-Oberhaus. In der Saison 2014/2015 war die TBB Trier sportlich abgestiegen und wirtschaftlich insolvent gegangen. Die aus der TBB gegründeten Gladiators wollen es diesmal besser machen.
DIE FINANZEN
Erstmals liegt der von der Liga vorgeschriebene Mindestetat bei vier Millionen Euro. Branchenprimus dürfte hier wenig überraschend der FC Bayern sein. Der Start in der lukrativen Königsklasse EuroLeague, der strukturelle Vorteil mit der supermodernen Arena und der wirtschaftliche Background der erfolgreichen Fußball-Abteilung geben den Verantwortlichen des Meisters großen finanziellen Spielraum. Die Kluft zu den übrigen Clubs dürfte eher größer als geringer werden. In der Vorsaison veröffentlichte die BBL erstmals die Etats von insgesamt 13 Clubs, um der Forderung nach mehr Transparenz nachzukommen. Die Bayern, EWE Baskets Oldenburg, Telekom Baskets Bonn und Frankfurt Skyliners wollten sich an der Aktion aber nicht beteiligen und hielten ihre Ausgaben geheim. Das Budget von Alba Berlin betrug laut den Angaben 14,671 Millionen Euro, wobei auf die Personalkosten im Sport 8,148 Millionen Euro entfielen. Doch in dieser Saison dürfte der Etat von Alba deutlich kleiner ausfallen. Beim Lizenzierungsverfahren für dieses Jahr wurden die Telekom Baskets Bonn im Juni mit Auflagen belegt, sie konnten die verlangten Nachweise aber alle termingerecht und vollumfänglich erbringen.
DER MODUS
Wie gehabt schließt sich an eine Hauptrunde die K.-o.-Phase an, in der es dann so richtig spannend wird. Eine Neuerung gibt es bei der Tabellenberechnung in der Vorrunde: Die Platzierung richtet sich wieder nach den Wertungspunkten. Für jeden Sieg gibt es zwei positive Wertungspunkte, für jede Niederlage zwei negative. Die vorherige Sortierung danach, welches Team von seinen bisherigen Spielen prozentual die meisten gewonnen hatte, war unübersichtlich und ein Ärgernis für viele Fans. „In diesen drei Jahren hat sich die neue Tabelle vor allem in der medialen Berichterstattung nicht etabliert. Zudem kam aus der Fangemeinde immer wieder das Feedback, zu der Tabelle zurückzukehren, die aus unserer Historie bekannt ist“, erklärte Robert Wintermantel, Head of Sports and Finance bei der BBL. Daher seien die Clubs zu dem Entschluss gekommen, „dass die klassische Tabelle doch vertrauter und verständlicher ist“.