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WAS MACHT EIGENTLICH...

1990 wurde Jürgen Kohler mit Deutschland Weltmeister. Hier mit Torwart Bodo Illgner
Foto: imago/Sven Simon

… Jürgen Kohler?

1990 wurde er Weltmeister, 1996 Europameister. Nach erfolgreichen Stationen beim 1. FC Köln, Borussia Dortmund und Juventus Turin war er in verschiedenen Ligen Trainer und Sportdirektor. Heute ist der 59-Jährige Vermögensberater und Unternehmensrepräsentant.

Jürgen Kohler gehörte lange Jahre zu den weltweit besten Abwehrspezialisten und kennt sich daher mit dem Verteidigen aus. Mit einem Blick auf heutige deutsche Abwehrspieler fällt sein Urteil eher weniger gut aus. „Wir haben keine Verteidigungsmonster“, urteilt er auf einer DFB-Seite. „Ich glaube, wir erleben derzeit nicht nur in Deutschland, dass vermeintliche Defensivspezialisten ihre eigentliche Aufgabe nicht mehr wirklich erfüllen können.“ 

Kohler sieht die Ursachen der Misere darin, dass heutige Abwehrspieler „plötzlich filigrane Techniker“ sein müssten, die mit anderen, zusätzlichen Aufgaben betraut werden. „Dabei haben sie die Grundfähigkeiten wie den Ballgewinn verlernt.“ Stattdessen müssten sie sich vor der Eroberung des Balls Gedanken machen, wie sie ihn hinterher schnell wieder in die Spitze spielen können. Gute Abwehrspieler seien in Deutschland schon immer die Basis für fußballerische Erfolge gewesen, deshalb müssten die Trainer schon im Jugendbereich gutes Abwehrverhalten stärker üben: „Verteidigen ist leichter zu lernen als Kreativität“, sieht Kohler gute Chancen, dem Nachwuchs durch entsprechendes Training wieder mehr Defensivqualitäten beibringen zu können. 

Das A und O: gute Abwehrspieler

Einen vielversprechenden Ansatz dafür sieht der Fußballer des Jahres 1997 in dem neuen System „FUNino“, bei dem schon Fußball-Minis mit anderen Regeln auf einem Kleinfeld mehr Spielintelligenz entwickeln können und mehr Ballkontakte haben. Da so auch wieder mehr Zweikämpfe geführt werden müssen, könne auch gutes Abwehrverhalten öfter eingeübt werden. 

Heute ist der 59-Jährige Vermögensberater und Unternehmensrepräsentant
Heute ist der 59-Jährige Vermögensberater und Unternehmensrepräsentant - Foto: imago images/Martin Hoffmann

Kohler hat nach Abschluss seiner internationalen Karriere, in deren Verlauf er 1992 in Italien zum besten ausländischen Spieler gewählt wurde, sein Glück auch als Trainer versucht, nachdem er in einem damals für Nationalspieler ermöglichten Schnellkurs im Jahr 2000 die Trainerlizenz erworben hatte. Erste Erfahrungen sammelte er 2002 als Coach der U21-Nationalmanschaft. Nach einer gut einjährigen Tätigkeit als Sportdirektor von Bayer Leverkusen kehrte er 2005 auf die Trainerbank zurück. Nach kurzen Engagements bei MSV Duisburg und VfR Aalen wechselte er zu zwei Clubs als Jugendtrainer, bevor er ab 2013 eineinhalb Jahre lang den Rheinlandligisten SpVgg Wirges und danach jeweils für eine Saison den Oberligisten SC Hauenstein und den Mittelrheinligisten VfL Alster betreute. Letzte Station Kohlers war der FC Viktoria Köln, wo er von 2018 bis 2020 als Cheftrainer die A-Jugend trainierte und mit ihr in die A-Junioren-Bundesliga aufstieg. Während dieser Zeit hat er vorübergehend auch die Regionalligamannschaft von Viktoria betreut und mit ihr den Aufstieg in die Dritte Liga geschafft.

Neben dem Fußball hat Jürgen Kohler auch andere Projekte umgesetzt und beispielsweise eine eigene Immobilienfirma und eine Hausverwaltung aufgebaut. Zudem war er beratend tätig für verschiedene in- und ausländische Clubs, wo er Konzepte für deren Weiterentwicklung geschrieben hat. „Dem einen oder anderen Verein habe ich einige konzeptionelle Dinge an die Hand gegeben und auch Businesspläne gemacht“, erklärt Kohler im Fußballmagazin „Rund“. Er schaue sich auch in verschiedenen Ligen um, um einen gewissen Überblick und ein gewisses Augenmaß zu behalten. Auch als Unternehmensrepräsentant ist der Ex-Nationalspieler tätig. All dies seien Tätigkeiten, die ihn „voll und ganz ausfüllen“. 

Überblick im Fußball behalten

Einen kenntnisreichen Blick richtet Kohler auch auf die sportliche Entwicklung seiner Söhne, die er bisweilen aber „ausbremse“, weil ihm ihre sportliche Karriere nicht alles bedeute. Für wichtiger hält er eine gute schulische Ausbildung seiner Kinder.

Kohler, in seiner Dortmunder Zeit auch schon mal als „Fußballgott“ verehrt, gehört ehrenamtlich dem Kuratorium der „Stiftung Jugendfußball“ an, die er im Jahr 2000 mit Kollegen wie Jürgen Klinsmann und Dozenten der DFB-Trainerausbildung selbst 
gegründet hat.

Trotz seiner skeptischen Beurteilung der deutschen Defensivkräfte ist Kohler verhalten optimistisch für die laufende Fußball-Europameisterschaft. „Nach vorne sind wir gut. Deshalb sehe ich für diese EM nicht schwarz.“ Auf dem Platz brauche das DFB-Team Spieler wie Pascal Groß, „der die Drecksarbeit übernimmt.“ Dazu brauche es aber „diese Faszination Fußball, diese Gier, diese Leidenschaft, dieses Gewinnenwollen, diese hundertprozentige Überzeugung, das schaffen zu können“, betonte Kohler vor der Heim-EM im Fußballmagazin „Rund“. Dann könne er sich durchaus vorstellen, dass Deutschland ins Halbfinale kommt, „wenn nicht sogar ins Endspiel.“ Bis zum Redaktionsschluss dieser Ausgabe bestand diese Option jedenfalls noch. Von seinen weiteren Favoriten − Spanien, Frankreich und Italien − hatte sich Letzterer allerdings schon aus dem Wettbewerb verabschieden müssen. 

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