Eine geschmacksintensive indische Küche gibt es im „Moksa“ in der ersten Etage des „Manifesto“-Food-Hubs am Potsdamer Platz zu entdecken.
Die Mannigfaltigkeit von 1.001 Nuancen an Düften und Aromen zieht sich wie ein roter Faden durch die indische Küche. Trotz unterschiedlicher regionaler Gerichte, Kochstile und Traditionen vom Himalaya bis zur Insel Ceylon sind die Vielfalt der Gewürze und die Currys charakteristisch für die Küche des vielsprachigen Landes am Ganges. Einer, der im Universum der facettenreichen Aromen des Subkontinents groß geworden ist, ist Zed Marke.
Der Inhaber und Küchenchef des „Moksa“ wurde Mitte der 1980er-Jahre im kanadischen Vancouver geboren. Als Waisenkind wuchs er in der dortigen Gemeinschaft von Punjabis und Sikhs auf. Die indische Küche und die Werte seiner multikulturellen Umgebung prägten ihn. „Dies führte zu einer Leidenschaft für alles, was mit Essen zu tun hat, und zu einer Ausbildung in den Bereichen Kochkunst, Lebensmittelwissenschaft und Unternehmensführung“, erzählt der „Moksa“-Chef. „Es folgte ein Aufenthalt in Indien, wo ich als Koch arbeitete und ausgebildet wurde, dann ging es nach Berlin“, sagt der 39-Jährige, der mittlerweile die deutsche Staatsbürgerschaft hat.
Zed Marke legt Wert auf beste Qualität
In Berlin eröffnete der Koch dann im Jahr 2016 in der Markhalle Neun einen Street-Food-Stand, 2019 schließlich das Restaurant „Moksa“ an der Oranienstraße in Kreuzberg. Doch dann kamen die Covid-19-Restriktionen und mit ihnen die großen Unsicherheiten und Unwägbarkeiten. Der Entrepreneur schloss seinen Laden in Kreuzberg und eröffnete ihn Ende Januar am Potsdamer Platz in Mitte neu. Seitdem ist das „Moksa“ im „Manifesto Market“ beheimatet, einem großen Food Hub mit unzähligen kleinen Restaurants am Potsdamer Platz – dort, wo früher die Potsdamer Platz Arkaden waren.
„Die Zeit für Veränderungen ist gekommen“, sagt Marke. Der Ansatz für sein kulinarisches Konzept sei ein „thinking outside the box“, so der nachdenklich wirkende Unternehmer. Auch der Name seines Lokals steht dafür: „Moksa“ kommt aus dem Sanskrit und bedeutet so viel wie „Erlösung“ oder „Befreiung“. Im hinduistischen Glauben ist „Moksa“ das höchste Lebensziel, der Ausbruch aus dem ewigen Kreislauf von Geburt, Tod und Wiedergeburt.
Heruntergebrochen auf das kulinarische Konzept will der Indien-Experte an der Alten Potsdamer Straße ein „Erwachen aus einem endlosen Kreislauf westlich geprägter indischer Restaurants“ bewirken, hin zu der Idee, dass es „hier anders sein kann“.
Dieses Anderssein zeigt sich in der Herkunft der Produkte und der Zubereitung der Speisen, die alle über ein höheres Niveau als die in Deutschland übliche indische Standardküche verfügen. Deshalb konzentriert sich der Küchenchef darauf, die besten Zutaten auf den lokalen Märkten zu finden. Im Next-level-Ansatz des „Moksa“ werden die Gerichte nicht mit Billigöl, sondern mit echtem Ghee gebraten und frittiert. Der Teig der Naan wird nicht mit Hefe getrieben, sondern mit 150 Jahre alten Sauerteigkulturen von einem isländischen Bauernhof. Auch vorgefertigte Gewürzmischungen und -pasten sind in seinem Küchenlabor nicht zu finden.
Gewürzmischung mit Suchtpotenzial
Der Deutsch-Kanadier importiert die Gewürze direkt aus Indien in Bio-Qualität und mischt sie dann selbst nach eigenem Gusto und eigener Expertise zusammen. An die 100 von ihnen hat der Hüter der Gewürze in seinem Repertoire. Und fast zu jedem von ihnen hat der Gewürzliebhaber eine kleinere oder größere Geschichte parat. So erzählt Zed Marke von Shilajit, einem der besonders exotischen Gewürze in seiner Sammlung. Er beschreibt Shilajit als ein noch nicht in Gänze erforschtes Super-Food. Die harzige Substanz kommt unter anderem in den Felsen des Himalaya-Gebirges vor. Beliebt als Nahrungsquelle ist das Gewürz bei dort lebenden Affen. Ein Blick ins Internet zeigt, dass Shilajit bereits seit Jahrhunderten in der ayurvedischen Medizin verwendet wird. Auch als „Schwarzöl des Himalaya“, Mumijo oder „Nectar of God“ bezeichnet, wird der mineralstoffreichen Substanz eine antioxidative, energetisierende und vitalisierende Wirkung nachgesagt.
Unter den zahlreichen weiteren duftenden Schätzen von Amchur bis Zimt befindet sich auch eine – natürlich eigens kreierte – Gunpowder-Mischung. Der „Moksa“-Chef öffnet den großen Plastikbehälter und lässt mich eine Prise davon kosten. „Das ist wie Kokain“, verspricht er augenzwinkernd. Das „Schießpulver“ aus dem „Moksa“-Gewürzlabor hat eine grobe pulvrige Textur und schmeckt nussig und leicht süß. Der Kokain-Vergleich ist nicht ganz abwegig, denn diese Mischung hat durchaus Suchtpotenzial!
Der Nuancenreichtum der Gewürze färbt selbstverständlich auch auf die Gerichte im „Moksa“ ab. Sein Tiefenaroma scheint sich herumgesprochen zu haben. Bei meinen beiden Besuchen im „Moksa“ sehe ich auch einige Inderinnen und Inder unter den Gästen. Beim zweiten Mal komme ich mit einem von ihnen ins Gespräch: Harshat Lingam, ein Comedian und Wahl-Berliner, schwärmt geradezu von der Küche im „Moksa“. Der indische Expat erzählt, dass er auf der Facebook-Seite des „Moksa“ über ein Foto des marinierten Hühnchens mit dem Küchenchef in Kontakt gekommen und neugierig geworden sei. Für Harshat Lingam war es anscheinend Liebe auf den ersten Biss. „Ich bin völlig begeistert von Zeds Tandoori Chicken mit Jolo Chutney“, erzählt Lingam. Seitdem sei er Stammgast dort, sagt der indische Gourmet.
Auch ich bin ähnlich angetan von dem Signature Dish, auch wenn ich es ohne die „Soße aus der Hölle“ probiere, wie das Chutney auf der Speisekarte beschrieben wird. Erfunden hat den Klassiker aus der Region Punjab der legendäre Koch Kundan Lal Gujral in den 1920er-Jahren. Das Hühnchen wird zunächst mit in einem Dressing aus Masala-Gewürzen und Joghurt mariniert, bevor es im Tandoor, einem Lehmofen, gegrillt wird. Traditionellerweise bleibt das Fleisch mehrere Stunden bis zu zwei Tagen in seiner Soße, bevor es in den Ofen kommt.
Nicht so in der Küche des „Moksa“, denn dort verweilt der Vogel ganze zwei Wochen in seiner Marinade! Über den längeren Zeitraum dringen die Aromen tiefer in das Fleisch ein. Am Ende sei das Huhn dadurch besonders „saftig, zart und hat mehr Geschmack“, erläutert der Koch.
Auch Vegetarier werden fündig
Zu dem sagenhaften Gericht, das an Limette und in Kokosessig fermentierten roten Zwiebeln serviert wird, probiere ich einen absolut köstlichen Salat aus Mungobohnensprossen und diversem, ebenfalls fermentiertem Gemüse. Dazu noch das fluffige, buttrige Sauerteig-Naan – und der „Tandoori-Himmel ist nah“, wie eine Kollegin es einmal beschrieben hat. Begleitet wird das Ganze von einem Hefeweizen des indischen Craft-Beer-Produzenten „Bira 91“ und einem Schlüsselchen Makhana. Letzteres ist gerösteter Lotussamen, auch „Fox Nut“ genannt. Äußerlich erinnern die aufgeblasenen Körner nicht nur an größeres Popcorn, sondern sie schmecken auch ein bisschen danach. Nach Aussage des Restaurant-Chefs sollen sie eine neutralisierende Wirkung haben.
Vegetarier kommen im „Moksa“ unter anderem beim Genuss des aromatisch-cremigen Bagara Baigan voll auf ihre Kosten. Obendrauf als Krönung gibt es noch ein knuspriges Curd-Chili, und das Curry-Gericht aus gerösteten Auberginen und Tomaten mit Kokos und Erdnüssen ist perfekt. „Hier werden grüne Chilis in Joghurt oder Buttermilch getaucht, gesalzen und dann in der Sonne gebacken“, erläutert Zed Marke die Zubereitung des normalerweise scharfen Gemüses, das in dieser Form erstaunlich mild schmeckt.
Selbstverständlich wartet die Küche im „Moksa“ noch mit vielen weiteren Gerichten auf, die es zu kosten lohnt. So etwa ein Thali mit bis zu sechs Komponenten. Derartig umfangreiche, tapas-ähnliche Essensplatten sind eine Seltenheit in Berlin. Oder das Palak Paneer mit Pinienkernen und Guave. Den Bio-Spinat für das vegatarische Curry bezieht Zed Marke von einem Anbieter, der am Berliner Stadtrand anbaut. Der Samen dafür wird indes aus Indien importiert. Offensichtlich gibt es noch vieles zu erschmecken am Potdamer Platz – und das alles, ohne gleich ein Flugticket nach Dehli, Mumbay oder Chennai buchen zu müssen.