Die Antarktis gilt als Ort der Forschung und des Friedens. Doch im Schatten des Eises wachsen geopolitische Spannungen. Während der Süden schweigt, beginnt im Norden längst der Kampf um Macht und Ressourcen.

Argentinien, Australien, Chile, Frankreich, Großbritannien, Neuseeland und Norwegen: Interessenten gibt es genug. Doch die Antarktis gehört niemandem. Das regelt ein Vertrag, der 1961 in Kraft getreten ist – und an den sich alle Nationen bis heute tatsächlich halten. Danach darf dort weder Militär stationiert noch radioaktiver Müll abgeladen werden. Auch für Atomtests ist die Region tabu. Im besten Fall für immer. Der sogenannte Antarktisvertrag läuft nicht aus, wer aussteigen will, muss ihn kündigen.
Vor Ort werden Bodenschätze vermutet
Deutschland hat den Vertrag 1979 unterzeichnet und ist in der Antarktis ausschließlich wissenschaftlich tätig. „Territoriale Ansprüche hat die Bundesrepublik keine“, teilt das Bundesaußenministerium auf FORUM-Anfrage mit. Auch andere Nationen halten sich derzeit zurück. „Ihre Ansprüche sind eingefroren“, so das Ministerium – ein wohl zufälliges Wortspiel angesichts von durchschnittlich minus 30 Grad Celsius im Winter. Selbst jetzt im Sommer steigen die Temperaturen kaum über minus 25 Grad. Wärmer als null Grad wird es dort selten.
Diese Zurückhaltung hat einen Grund: In der Antarktis werden Bodenschätze vermutet – Eisenerz, Kohle, Nickel, Kupfer, Platin, Molybdän und Gold. Auch Erdöl und Erdgas könnten dort lagern. Der Abbau ist jedoch durch die kilometerdicke Eisschicht extrem aufwendig und in der Regel unwirtschaftlich. Selbst wenn das Eis eines Tages durch den Klimawandel schmilzt.
Der Kontinent Antarktika ist komplett vom Südpolarmeer umgeben, rund 14 Millionen Quadratkilometer groß und nahezu vollständig von Eis bedeckt. Nur an wenigen Stellen kommen Felsen oder Geröll zum Vorschein.

Doch hinter den Kulissen gibt es Spannungen. Beobachter werfen vor allem China und Russland vor, die Ausweisung neuer Meeresschutzgebiete in der Ostantarktis seit Jahren zu blockieren – auch aus geopolitischen Gründen. Die Region hat für beide Staaten strategische Bedeutung. Und Länder mit großen Fischfangflotten haben kaum Interesse an Umweltauflagen, die ihre Indus-trie belasten würden. Während sich die Weltgemeinschaft gegenseitig blockiert, geraten Tiere wie Pinguine, Robben und Wale durch Klimawandel und Überfischung zunehmend in Bedrängnis. Umweltinitiativen schlagen seit Langem Alarm – doch gehört werden sie kaum. Erst 2024 scheiterte erneut ein Versuch, die Tierwelt in der Antarktis besser zu schützen. Schauplatz der Auseinandersetzungen ist die Antarktiskonferenz – ein jährliches Treffen der Vertragsstaaten. Dort sollen eigentlich Probleme wie diese diskutiert und im Konsens gelöst werden. Die Konferenz ersetzt gewissermaßen die Uno, denn die Antarktis ist kein Staat und somit auch kein Mitglied.
Der Konflikt ist alt – und bislang kaum lösbar. Schon 2009 vereinbarte die Konferenz ein System von Meeresschutzgebieten im Südpolarmeer. Seither wurden aber nur zwei von sechs geplanten Schutzzonen umgesetzt. Eine Ausweitung ist derzeit nicht in Sicht.
Auf dem Eis selbst hingegen herrscht Ruhe. In der Antarktis hat noch nie jemand dauerhaft gelebt. Es gibt keine Ureinwohner – der Kontinent ist der einzige ohne einheimische Bevölkerung. Nur Wissenschaftler reisen dorthin, meist auf Zeit. Städte oder Dörfer gibt es nicht. Dafür rund 40 ganzjährig betriebene Forschungsstationen, darunter die deutsche Station Neumayer III und das Forschungsschiff Polarstern. Es sind vor allem Geologen, Geophysiker, Biologen und Meteorologen, die an diesem besonderen Ort forschen, der Kälte trotzen und der ständigen Dunkelheit im Winter. Die Antarktis gilt als ideales Labor, um den Einfluss des Klimawandels auf Umwelt und Ökosysteme zu beobachten.
Am anderen Ende der Welt sieht es anders aus. Auch der Nordpol gehört offiziell niemandem. Doch ein vergleichbares Abkommen wie der Antarktisvertrag existiert dort nicht. Das liegt auch an der Geografie: Die Arktis ist keine Landmasse, sondern ein weitgehend gefrorenes Meer, umgeben von Land und Inseln.
Arktis scheint lukrativer zur Erdölförderung

Dieses Nordpolarmeer wird von fünf sogenannten Polarstaaten eingerahmt: Norwegen (mit Spitzbergen), Russland (mit Sibirien), die USA (mit Alaska), Kanada und Dänemark (mit Grönland). Diese Staaten haben in der Arktis begrenzte Rechte und jeweils eine Wirtschaftszone. Grundlage ist eine internationale Seerechtskonvention von 2008. Danach darf jedes dieser Länder die Meeresfläche bis zu 200 Seemeilen vor seiner Küste nutzen. Festen Boden gibt es am geografischen Nordpol nicht – nur zwei bis zehn Meter dickes Meereis, das sich über riesige Flächen erstreckt. Darunter liegt in etwa 4.000 Metern Tiefe der Meeresboden. Doch das könnte sich ändern. Der Klimawandel lässt das Eis schmelzen – im Sommer wie im Winter. 2024 erreichte die Eisfläche laut US-Daten nur noch 14,5 Millionen Quadratkilometer – eine Million weniger als im Durchschnitt der vergangenen 30 Jahre. Irgendwann könnte das Eis ganz verschwinden.
Unter dem schmelzenden Eis vermuten Experten Milliarden Kubikmeter Öl- und Gasvorkommen. Diese wären weitaus leichter zu fördern als in der Antarktis. Entsprechend offensiv vertreten die Anrainerstaaten ihre Interessen. Russland platzierte 2007 symbolisch eine Flagge aus Titan auf dem arktischen Meeresboden. Auch die USA wollen sich Rohstoffe sichern. Laut Schätzungen von US-Geologen könnten 25 bis 30 Prozent der globalen fossilen Energiereserven im Gebiet des nördlichen Polarkreises lagern.
Dänemark versucht dagegenzuhalten – wissenschaftlich. Im Dezember 2023 reichte der dänische Außenminister bei den Vereinten Nationen ein Schreiben ein. Ziel: den Nachweis erbringen, dass Grönland geologisch mit dem Lomonossow-Rücken verbunden ist – einer unterseeischen Landmasse direkt unter dem Nordpol. Damit könnte Dänemark Anspruch auf Teile des Nordpolgebiets erheben. Bewiesen ist das bislang nicht. Kein Forscher konnte bislang unter dem Eis bestätigen, ob die dänischen Ansprüche berechtigt sind. Doch das scheint nur noch eine Frage der Zeit zu sein. Das Rennen um den Nordpol ist längst gestartet.