Für die Bundestagswahl ist Deutschland in 299 Wahlkreise eingeteilt. Vier davon (296 bis 299) sind im Saarland. In allen vier kommt es bei der Vergabe der Direktmandate zu interessanten und spannenden Duellen.
Das Saarland war komplett rot gefärbt. Die SPD gewann alle vier Wahlkreise und lag landesweit deutlich vor der CDU, und zwar mit 8,6 Prozentpunkten. Das war vor dreieinhalb Jahren.
Und heute?
Natürlich schauen alle, die jetzt um Stimmen für ihre Partei und in den Wahlkreisen für sich selber kämpfen, auf die letzte Wahl im September 2021 zurück. Aber eigentlich verbietet sich der Vergleich zur letzten Bundestagswahl. Die Voraussetzungen für die Wahl am 23. Februar sind völlig andere als im September 2021.
Es ist kaum übertrieben zu sagen: Die Welt ist eine andere. Und im Grunde ist es auch unnötig, noch mal alle großen Stichworte dazu aufzuschreiben, vom Krieg in der Ukraine bis zum neuerlichen Amtsantritt von Donald Trump, samt allem, was dazwischen passiert ist.
Das alles hat ziemlich viel mit dem Saarland zu tun. Wenn Ministerpräsidentin Anke Rehlinger (SPD) nicht müde wird zu betonen, dass das Saarland früher und härter von den Krisen und Veränderungen getroffen wird, ist das anhand der Fakten nachzuweisen.
War den Menschen bei der letzten Bundestagswahl nach 16 Jahren Angela Merkel und den Jahren der großen Koalition nach einem Wechsel zumute, sprechen jetzt alle Umfragen dafür, dass sie nach drei Jahren „Ampel“ erneut eine andere Regierung wünschen (und viele würden sich eine Große Koalition zurückwünschen).
Geht es nach den Umfragen, dann ist das Rennen um Platz zwei zwischen SPD, Grünen und AfD die eigentlich spannende Frage am 23. Februar. Dass die Union gewinnt und der nächste Kanzler Friedrich Merz heißt, scheint für viele vier Wochen vor der Wahl ausgemachte Sache. Auch wenn die Erfahrung lehrt, wie schnell und kurzfristig sich Stimmungen ändern und in Stimmen niederschlagen können.
Offen ist jedenfalls auch noch der Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde. Ob BSW, FDP und Linke den Einzug in den Bundestag schaffen, kann mehr Ausschlag geben für künftige Verhältnisse im Parlament und damit die Möglichkeiten zur Regierungsbildung als die reinen Prozentzahlen sagen.
Die Ereignisse in Aschaffenburg und die daraus folgende scharfe Diskussion um die Migrationspolitik haben den Wahlkampf bereits verändert, ebenso die offene Einmischung des Milliardärs und Trump-Vertrauten Elon Musk in den deutschen Wahlkampf.
Das alles überlagert natürlich auch den Wahlkampf in den vier saarländischen Wahlkreisen und lässt die Kandidatinnen und Kandidaten nicht unberührt. Sie alle betonen selbstverständlich, sie wollten natürlich im Fall ihrer Wahl die Interessen ihres jeweiligen Wahlkreises in Berlin vertreten. Seit Anfang des Jahres sind sie unermüdlich unterwegs. Haustürwahlkampf im Winter.
Menschen sind an Themen interessiert
Und alle berichten von ähnlichen Erfahrungen. Anders, als es die aufgeheizten bundesweiten Diskussionen vermuten lassen, werden sie kaum abgewiesen, im Gegenteil. Die meisten Menschen sind interessiert, über die Themen zu reden, die sie beschäftigen oder bedrücken. Und das – so die zweite Erfahrung – sind nicht unbedingt immer die Themen, die die öffentliche Debatte dominieren.
Natürlich geht es, wenig verwunderlich bei den vielen Hiobsbotschaften der jüngsten Zeit, um die Sorgen um den Arbeitsplatz, darum, wie sie über die Runden kommen angesichts der ständig steigenden Preise und Kosten. Es geht aber auch um Klimaschutz, vor allem bei Älteren, die sich Sorgen um die Zukunft ihrer Enkel machen. Und es geht um den Zustand der Gesellschaft, um Staat und Demokratie.
Die Ausgangslage in den Wahlkreisen ist höchst unterschiedlich. Die Vergabe der Direktmandate dürfte sich nach Lage der Dinge zwischen CDU- und SPD-Bewerberinnen und Bewerbern entscheiden, die wir im Portrait vorstellen, darunter bekannte Gesichter, Newcomer in Sachen Bundestagswahl und Überraschungen.
Die größte Veränderung gibt es im Wahlkreis Saarlouis (mit den Landkreisen Saarlouis und Merzig-Wadern). Der stand bei den letzten Wahlen immer im Mittelpunkt bundesweiter Aufmerksamkeit, traten doch dort zuletzt jeweils zwei Kabinettsmitglieder der großen Koalition und politische Schwergewichte gegeneinander an: Peter Altmaier und Heiko Maas.
Beide sind aus der aktiven Parteipolitik ausgeschieden. Um die Nachfolge bewerben sich David Maaß (SPD) und Philip Hoffmann (CDU). Maaß (Landkreis Saarlouis) hat sich als Gewerkschafter (Gewerkschaft der Polizei GdP) und Landtagsabgeordneter einen Namen gemacht, Philipp Hoffmann (Landkreis Merzig-Wadern) hat sich als Kandidat im CDU-internen Wettbewerb gegen die Landtagsabgeordnete Dagmar Heib durchgesetzt.
Im Wahlkreis St. Wendel will Christian Petry (SPD) sein Direktmandat verteidigen. Das hatte er 2021 gegen Nadine Schön gewonnen (35,1 zu 32,1 Prozent). Nadine Schön tritt nicht mehr an, Gegenkandidat ist diesmal der Landtagsabgeordnete Roland Theis, der zugleich auf Platz eins der Landesliste und damit als CDU-Spitzenkandidat im Land antritt.
Im Wahlkreis Homburg gibt es eine Neuauflage des Duells zwischen den Bundestagsabgeordneten Markus Uhl (CDU) und Esra-Leon Limbacher (SPD), der zugleich Generalsekretär der SPD-Saar ist und als Spitzenkandidat (Platz eins der Landesliste) antritt. Bei der letzten Wahl hatte sich Limbacher in seinem Wahlkreis deutlich durchgesetzt (36,6 zu 26,1 Prozent). Den Wahlkreis Saarbrücken will die Bundestagsabgeordnete Josephine Ortleb für die SPD verteidigen. Bei der letzten Wahl hatte sie sich klar gegen Annegret Kramp-Karrenbauer durchgesetzt (36,9 zu 25,1 Prozent). Für die CDU tritt diesmal Yvonne Brück an, eine ehemalige Grünen-Politikerin im Saarbrücker Stadtrat, die zur CDU gewechselt ist.
Die meisten Parteien erhalten im Wahlkampf höchst prominente Unterstützung. So war beispielsweise bereits Bundeskanzler Olaf Scholz bei einer Veranstaltung zu Gast, bei der er auf große Reden verzichtete und sich den Fragen aus dem Publikum stellte. Auch die FDP hatte ihren Parteichef und Spitzenkandidaten Christian Lindner zu Gast.
Die CDU erwartet am 6. Februar ihren Kanzlerkandidaten Friedrich Merz. Ob Robert Habeck noch ins Saarland kommt, um für die Grünen zu werben, stand noch nicht fest.