Der Tag des weltweiten Klimastreiks zeigt, dass man sich nicht nur in der Bundesregierung uneins ist über den richtigen Weg, den Klimawandel zu stoppen. Auch in der Klimabewegung herrscht rege Konkurrenz.
Hupende Autos, schimpfende Fahrer, orangefarbene Transparente quer über die Straße gespannt, festgeklebte Demonstranten, dazu Polizisten, bemüht dem Chaos irgendwie friedlich Herr zu werden. Fast acht Wochen blieb das den Autofahrern in den deutschen Großstädten erspart. Die Klimaaktivisten von Fridays for Future, Extinction Rebellion und Letzte Generation hatten eine Sommerpause eingelegt.
Mit der Internationalen Autoausstellung IAA in München Anfang September waren auch für sie die schönsten Wochen des Jahres beendet. In diesem Spätsommer und Herbst steht wieder die Bundeshauptstadt im Mittelpunkt der Aktionen. Den Auftakt macht der schon traditionelle Weltklimastreik Mitte September. Ausgerufen wurde dieser von Fridays for Future, viele andere Klimaschutz-Gruppen sind mit dabei.
Auf der Bühne vor dem Brandenburger Tor tummelten sich aber auch Vertreter aus Politik, Verbänden und Kirchen. „Schöne Bilder, aber nur für einen Freitag, und morgen spricht kein Mensch mehr davon. Nächste Woche ist alles vergessen“, kommentiert Lina Johnsen die Veranstaltung von Fridays for Future. Die 25-jährige Studentin aus Hamburg ist derzeit hauptsächlich in der Pressestelle der Letzten Generation in Berlin tätig. Lina Johnsen umschreibt das Grundproblem der Klimaaktivisten ganz simpel: Es geht vor allem um die Bilder, darum größtmögliche Aufmerksamkeit zu erzeugen. Das wird in Zeiten der unüberschaubaren medialen Vielfalt immer schwerer.
Größtmögliche Aufmerksamkeit
Eine Demonstration mit einem drei Meter Riesenluftballon in Form der Weltkugel vor dem Brandenburger Tor ist den Hauptnachrichten im Fernsehen maximal ein Schnittbild von fünf Sekunden wert und kein echter Bringer. Darum setzt die Letzte Generation in den kommenden Wochen vor allem auf ihre Straßenblockaden. Wobei Sprecherin Carla Hinrichs noch einige Überraschungen im Gepäck hat, so wie zwei Tage vor dem Weltklimastreik. Der spontane Protestmarsch von einigen Hunderten der Letzten Generation, teilweise in Anzug und Krawatte, von Kreuzberg Richtung Regierungsviertel legte über Stunden den Innenstadtverkehr streckenweise völlig lahm. Tausende standen im Stau. „Ich bin überzeugt, dass es etwas braucht, das die Dringlichkeit unseres Anliegens in den Vordergrund stellt, und darum müssen wir leider Gottes die Menschen auch streckenweise mit unseren Aktionen nerven. Aber nur so können wir die Öffentlichkeit auch erreichen.“
Die Sprecherin der Letzten Generation nimmt darum auch in Kauf, für ihren Kampf um den Komplettausstieg aus den fossilen Energien bis 2030 nicht nur Sympathien in der breiten Öffentlichkeit zu ernten. „Martin Luther King war zu Lebzeiten in den USA auch nicht sonderlich beliebt, auch er hat genervt und auf diese Weise viel erreicht.“
Das sieht die Sprecherin von Fridays for Future, Luisa Neubauer, naturgemäß anders. Sie pocht auf den Dialog mit allen Menschen. „Alle müssen bei der Verkehrs-, Wärme- und Energiewende mitgenommen werden. Darum müssen die Maßnahmen vor allem für die sozial Schwachen finanziell vom Staat abgefedert werden. Nur so schaffen wir Akzeptanz für die anstehenden, einschneidenden Maßnahmen.“
Ein Standpunkt, den auch der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbandes, Ulrich Schneider, oder DIW-Präsident Marcel Fratzscher mittragen und sich gern mit Luisa Neubauer auf gemeinsamer Bühne zeigen. Solch prominenten Zuspruch hat die Letzte Generation dagegen nicht. Carla Hinrichs und die anderen Aktivisten der Letzten Generation mühen sich weiter in den unteren Ebenen des Protestes, während Luisa Neubauer auf der politisch- parlamentarischen Ebene agiert. Ein Hauptangriffspunkt gegen Neubauer ist ihre Parteimitgliedschaft bei den Grünen. Sie sitzt selber nicht im Bundestag, aber als Parteimitglied wird sie mit in Haftung genommen für das Agieren der Grünen in der Bundesregierung beim Kampf gegen den Klimawandel. Da kann Neubauer auf Grünen-Parteiveranstaltungen Brandreden halten, wie sie will: Der Vorwurf bleibt, dass sie als Mitglied des politischen Establishments nicht bereit ist, konsequent gegen die Klima-Krise anzutreten – auf der Straße.
Klimabewegung ist gespalten
Die Klimabewegung ist gespalten. Da gibt es Extinction Rebellion, eine Bewegung, die wie die Letzte Generation aus England kommt und in Deutschland übernommen wurde. Ihr Anliegen ist radikaler, sie sehen nur in einer Abkehr vom kapitalistischen Konsum-System eine Chance, das Klima noch zu retten. „Es macht keinen Sinn, wenn wir die Verbrenner- durch Elektroautos ersetzen. Die Rohstoffe für diesen kompletten Fahrzeugtausch kommen weiter aus den Ländern des Globalen Südens. Wir beuten weiter die Länder in Afrika und Südamerika aus und damit muss Schluss sein“, so der Standpunkt von Extinction Rebellion. Doch die Bewegung ist allein schon personell in die Defensive innerhalb der rivalisierenden Klimagruppen geraten. Viele der Extinction-Rebellion-Aktivisten sind zur Letzten Generation abgewandert. Latsch-Demos bringen nichts, es muss gehandelt, das heißt geklebt werden. Keine einfache Gemengelage. Dass man sich innerhalb des Parteienspektrums nicht einig ist, ist wenig verwunderlich. Aber wenn dann selbst die Klimabewegungen untereinander im Zwiespalt sind, wird es schwierig für den Klimaschutz.