Die Notwendigkeit der anstehenden Klinikreform in Deutschland ist unumstritten, doch in Bezug auf die konkrete Umsetzung herrscht Uneinigkeit. Tino Sorge, Gesundheitspolitischer Sprecher der CDU/CSU warnt eindringlich vor den drohenden Konsequenzen.

Herr Sorge, die Klinikreform, die von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) vorangetrieben wurde, ist noch immer nicht im Kabinett verabschiedet worden. Wie erklären Sie sich diese Verzögerung?
Karl Lauterbach hat den Reformprozess von Anfang an als Alleingang betrachtet, was sich als sein größter Fehler erwies. Er startete eine eigene Kommission ohne Beteiligung des Parlaments und versprach vor anderthalb Jahren eine ‚Revolution‘. Dann diffamierte er die Vertretung der 1.887 Krankenhäuser als ‚Lobbygruppe‘ und AfD-nah, obwohl sie die Hauptbetroffenen der Reform sind. Zuletzt kündigte Lauterbach sogar an, die Reform auch ohne Zustimmung der Bundesländer durchsetzen zu wollen, obwohl sie tief in ihre Kompetenzen eingreift. Wer das letzte Porzellan zerschlägt, sollte sich nicht wundern, wenn die Reform ins Stocken gerät. Sie wird so nicht funktionieren.
Ihre Feststellung, dass die Klinikreform zu einem erheblichen Kliniksterben in Deutschland führen würde, ist mittlerweile zur Realität geworden. Welche konkreten Schritte sind nötig, um die Situation zu verbessern?
Seit Monaten geraten immer mehr Kliniken in wirtschaftliche Not. Die Zahl der Insolvenzen steigt. Die Hauptgründe liegen in der Inflation und in gestiegenen Energie- und Personalkosten. Laut Karl Lauterbach soll die Klinikreform aber erst ab dem Jahr 2027 wirksam werden, was für viele akut gefährdete Häuser viel zu spät ist. Als Union haben wir daher schon vor Monaten ein Vorschaltgesetz und einen Transformationsfonds gefordert, um die Zeit bis zum Inkrafttreten der Reform zu überbrücken und den Kliniken zu helfen, die nach der Reform definitiv gebraucht werden. Die Ampel-Koalition hingegen tut das Gegenteil. Karl Lauterbach beobachtet den Strukturwandel, der längst begonnen hat, tatenlos. Er nimmt in Kauf, dass zahlreiche Kliniken schon vor der Reform in große Schwierigkeiten geraten. Die wenigen angekündigten Entlastungen sind lediglich Mogelpackungen, die zu Lasten Dritter, der Beitragszahler und der Länder gehen.
Was sagt Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach, mit dem Sie ja in ständigem Kontakt sind, zu diesem Argument?
Es wäre wünschenswert, wenn wir im ständigen Kontakt wären. Allerdings schottet sich der Minister seit Monaten systematisch ab. Seine Besuche im Gesundheitsausschuss sind eine absolute Rarität, er spricht kaum mit den Krankenhäusern, und den Ländern hat er unmissverständlich mitgeteilt, dass er bei der Reform seinen ganz eigenen Plan verfolgt. Er hat immer wieder die gemeinsamen Absprachen mit den Ländern abgebrochen und Vertrauen verspielt. Regieren bedeutet, gemeinsam den bestmöglichen Kompromiss auszuloten, auch wenn das Geld knapp ist und die Interessen konträr. Das wäre der Leitgedanke für eine erfolgreiche Reform. Der Bundesgesundheitsminister hat jedoch entschieden, die Reform weitestgehend im Alleingang voranzutreiben. Das mag ein legitimer Politikstil sein, wird aber nicht von Erfolg gekrönt sein.
Wie glaubwürdig ist für Sie als gesundheitspolitischer Sprecher der Unionsfraktion die Reform der Krankenhäuser ausgerechnet aus der Feder von Karl Lauterbach?
Karl Lauterbach ist kein Neuling in der Gesundheitspolitik. Während der Großen Koalition war er auf Seite der SPD unser wichtigster Ansprechpartner. Viele Gesetze im Gesundheitswesen haben wir gemeinsam verhandelt und beschlossen. Das vergisst Lauterbach gern. Stattdessen präsentiert er sich nun als Retter in der Not, der angeblich einen jahrzehntealten Reformstau bekämpft. Dabei war es ausgerechnet Karl Lauterbach selbst, der das System der Fallpauschalen in Deutschland eingeführt hat – und zwar schon 2003, unter der damaligen SPD-Gesundheitsministerin Ulla Schmidt. Wenn er nun genau dieses System überwinden will, ist das auch das Eingeständnis, damals falsch gelegen zu haben.
Also der Vater der Gesundheitsreform für die Kliniken, der die Einführung der Fallpauschalen vorangetrieben hat, reformiert jetzt seine eigene Reform?
Es ist oft zu hören, dass Deutschland mit der Ökonomisierung der Kliniklandschaft zu weit gegangen ist. Dass Karl Lauterbach an selbst maßgeblich an diesem Prozess beteiligt war, erwähnt er selten. Übrigens war es damals schon die Union, die davor warnte, ausschließlich auf den Mechanismus der Fallpauschalen zu setzen.
Eines darf man nicht vergessen: Deutschland hat eines der teuersten Gesundheitssysteme der Welt. Macht es da nicht Sinn, langsam mal zu sparen und effizienter zu werden?

Die Notwendigkeit einer Krankenhausreform und die Möglichkeit, dabei Geld zu sparen, sind unbestritten. Parallelstrukturen und ungenutzte Überkapazitäten sind kostspielig und binden Personal, das knapp ist. Wenn ein Herzinfarkt-Patient in ein Krankenhaus ohne Herzkatheterlabor eingeliefert wird, ist das sogar lebensgefährlich. Länder, Städte und Gemeinden, Kliniken und Krankenkassen bestätigen einstimmig den Handlungsbedarf und das Sparpotenzial. Es geht also nicht darum, ob eine Reform nötig ist, sondern wie sie umgesetzt wird.
Aber woran scheitern denn bisher alle Reformversuche?
Jens Spahn hat in der letzten Legislaturperiode bereits die Chancen einer Krankenhausreform sondiert. Dann kam 2020 die Corona-Pandemie, und die Kliniken waren zwei Jahre lang im Krisenmodus. Dass in dieser Phase keine Reform möglich war, ist offensichtlich. Die aktuelle Reform ist jedoch aus anderen Gründen festgefahren: vor allem aufgrund des unkooperativen Stils des aktuellen Ministers. Er hat wichtige Akteure, wie die Kliniken, die Länder, die Kommunen und sogar das Parlament vor den Kopf gestoßen. Eine Reform dieses Ausmaßes ist ein föderales Milliarden-Projekt, sprichwörtlich eine Operation am offenen Herzen. Dafür muss man als Gesundheitsminister alle relevanten Akteure vertrauensvoll einbeziehen, statt sie zu verprellen. Es hätte einen neuen Lahnstein-Moment gebraucht – einen lagerübergreifenden Konsens mit allen Beteiligten an einem Tisch. Dann wäre auch bei so mancher Reformidee des Ministers ein wenig Pragmatismus eingekehrt. Es ist nicht zu spät, zu einem konstruktiven Miteinander zurückzukehren. Karl Lauterbach läuft aber die Zeit davon. Das ist besonders ärgerlich, weil der Grundkonsens, dass eine Reform nötig ist, sehr breit ist.