Das Telefon in die Hand nehmen und anrufen. Danach ging alles ganz schnell. Aber bis dahin…
Ich war nach Schwangerschaft und größerem Gewichtsverlust wie viele andere Frauen unzufrieden mit meinem Körper, insbesondere meinen Brüsten. Aber eine OP? Wenn ich an Silikonbrüste dachte, dann dachte ich an die Erotikbranche, nicht aber an die Mutter einer kleinen Tochter mit Nine-to-five-Job. Es war anfangs eher ein „mal gucken“, als ich das erste Mal über Brust-OPs recherchierte. Und je mehr ich fand, desto sicherer wurde ich mir, dass ich nicht nur „mal gucke“.
Im Jahr 2022 wurden allein in Deutschland 76.658 Brustvergrößerungen durchgeführt. Sie gehörten somit neben Lidstraffungen und Faltenunterspritzung laut DGÄPC zu den häufigsten nicht medizinisch notwendigen Eingriffen in Deutschland – und da haben wir noch nicht über die USA gesprochen, in denen ganze 255.200 Brustvergrößerungen im gleichen Zeitraum durchgeführt wurden. Es redet nur keiner drüber.
Das waren Fakten, die mich erst einmal ein bisschen erschlugen. Mit einem Mal fühlte ich mich mit meinem Wunsch gar nicht mehr so alleine. Und es machte ihn gar nicht mehr so abwegig.
Trotzdem dauerte es, bis ich einen Termin für ein unverbindliches Beratungsgespräch vereinbarte. Über Monate hatte ich den Instagram-Feed meiner bevorzugten Chirurgin quasi auswendig gelernt wie Prüfungsstoff vor einer Klausur. Ich malte mir aus, wie mein Körper später aussehen könnte, bastelte mir aus Nylonstrümpfen und Reiskörnern eigene Sizer, die ich mir in den BH steckte und damit durchs Haus lief. Aber vor diesem ersten wirklichen Schritt hatte ich sehr, sehr lange Angst.
Und dann ging alles doch ganz schnell. Insbesondere mein Puls. Denn auch wenn es erst mal nur ein Gespräch sein würde, war ich nervös. Sich dann vor einer völlig fremden Frau auszuziehen und darüber zu sprechen, warum man seine Brüste nicht mag, ist eine ganz neue Ebene von „nackt machen“. Ich merkte aber auch recht schnell, dass ein gewisses Vertrauen vorherrschte. Meinen OP Termin buchte ich noch am selben Tag. Ich rechnete eigentlich damit, dass ich nun nur noch nervöser werden würde. Aber das blieb aus. Bis ich auf dem Operationstisch einschlief, blieb ich die Ruhe selbst.
Bis ich wieder aufwachte.
Haben Sie schon einmal von „Drop and Fluff“ gehört? Es beschreibt das Absinken der Implantate in etwa so, wie ein aufgehender Hefeteig: Nach der OP sitzt das Implantat noch sehr hoch und straff unter der noch nicht gedehnten Haut (und gegebenenfalls Muskulatur). Innerhalb mehrerer Wochen sinkt es dahin, wo es hingehört. Die Brust wird weicher – „fluffiger“ – und sieht dadurch in vielen Fällen noch mal voluminöser aus.
Meine Chirurgin hatte mich sehr wohl darüber aufgeklärt, aber unter meinen Schlüsselbeinen hängende Porno-Torpedos auch wirklich live AN MIR sehen zu können, war etwas ganz anderes. Und ab hier begann eine Achterbahnfahrt. Fand ich sie zu groß? Oder zu klein? Zu prall? Und – oh mein Gott – würde die Lücke zwischen meinen Brüsten für immer so klein sein, dass es aussah, als wären sie in einem unsichtbaren Push-up gefangen?
Mein Schlafmangel verbesserte meine Gemütslage nicht wirklich. Denn die Anweisung, sechs Wochen auf dem Rücken im 45-Grad-Winkel zu schlafen und rund um die Uhr einen Kompressions-BH zu tragen, ist genauso unangenehm, wie es sich anhört. Da ich mich für Implantate über den Brustmuskel entschieden habe, „droppten“ sie recht schnell im Vergleich zu solchen unter dem Muskel und ich konnte nach etwa vier Wochen langsam aufatmen.
Doch außer meinem selbst gewählten Psychoterror verlief meine Heilungszeit wie im Flug. Keine Schmerzen, keine Komplikationen. Ich fuhr bereits wenige Tage nach der OP Auto und kehrte fix zu meinem Bürojob zurück, bei dem ich alles tun konnte, außer Kaffeetassen aus dem obersten Regal zu holen, denn auch die Arme dürfen in den ersten sechs Wochen nicht über den Kopf gehoben werden. Schwieriger war es da schon zu Hause, wo ein kleines Kind darauf wartete, herumgetragen zu werden. Denn auch schweres Heben ist in der Zeit tabu.
Nicht tabu sollte aber sein, über den Eingriff zu sprechen. Ihn zu normalisieren, nicht aber zu verharmlosen. Eine Operation ist immer mit Risiken verbunden und sollte nie ohne Grund vorgenommen werden. Aber warum sollte mein psychisches Wohlbefinden ein weniger triftiger Grund sein, als mein körperliches? Als ich mich entschlossen habe, mir die Brüste machen zu lassen, habe ich mich ebenfalls dazu entschlossen, mit dieser Entscheidung sehr offen umzugehen. Zum einen, weil es mir wichtig ist, gerade jungen Frauen keine falschen Körperbilder zu vermitteln. Zum anderen aber auch, weil ich mir in meiner Situation jemanden gewünscht hätte, der es getan hätte.