In der Liga-Auszeit sorgte der zweite Fall von Hodenkrebs im Kader von Hertha BSC für Betroffenheit. Außerdem droht dem Verein vor dem Arbeitsgericht eine weitere kostspielige Trennung.
Geht es um Negativschlagzeilen oder Hiobsbotschaften, war auf Hertha BSC in der Vergangenheit oft Verlass. Leider gehört hierzu auch die vergangene Woche publik gewordene tragische Hodenkrebsdiagnose bei Neuzugang Jean-Paul Boetius. Der Niederländer sollte demnach noch am Freitag während der Bundesligapause operiert werden. Besondere Aufmerksamkeit wurde dem Fall zuteil, weil es sich bereits um den vierten eines Bundesligaprofis in diesem Jahr handelte – und gleich den zweiten bei einem Spieler von Hertha BSC. Zuvor war bereits bei Timo Baumgartl (1. FC Union) und dem von Ajax Amsterdam zu Borussia Dortmund gewechselten Sébastien Haller ein Tumor festgestellt worden – und eben bei Marco Richter.
Nun hoffen sie bei der „Alten Dame", dass der Fall von Boetius vergleichbar „glimpflich" abläuft wie bei Richter. Nach der nötig gewordenen Operation des 24-Jährigen war das Geschwulst zwar als bösartig klassifiziert, aber eben auch so frühzeitig entdeckt worden, dass eine Chemotherapie nicht nötig war. Und tatsächlich schaffte es Richter innerhalb weniger Wochen erst wieder zurück ins Training – und dann sogar bei einem Pflichtspiel auf den Platz. Damit nicht genug, erzielte der gebürtige Friedberger mittlerweile in vier Jokereinsätzen bereits zwei Tore: eine fast schon unglaubliche Geschichte. Doch natürlich sind derartige Diagnosen nicht vergleichbar und auf andere Fälle zu übertragen.
Bei Timo Baumgartl etwa wurde nach der Operation eine Chemotherapie erforderlich – dass der Verteidiger überhaupt auf den Platz zurückkehren könnte, war dabei fraglich. Doch etwa fünf Monate später, am vergangenen Bundesligaspieltag, war es auch für den 26-Jährigen so weit: Gegen den VfL Wolfsburg gab es ein emotionales Comeback für Baumgartl. Im Fall von Sébastien Haller, der die Diagnose unmittelbar nach seinem Wechsel zum BVB vor Saisonbeginn erhielt, wurde ebenfalls eine Chemotherapie unumgänglich. Diese ist jedoch noch nicht abgeschlossen. Nun also traf es Jean-Paul Boetius und Hertha BSC mit der zweiten Schockdiagnose.
„So bitter diese Nachricht im ersten Moment auch ist, wir sind voller Hoffnung und Zuversicht, dass Jean-Paul wieder gesund wird und schnellstmöglich in unseren Kreis zurückkehrt", versuchte Fredi Bobic, die richtigen Worte für die neuerliche Hiobsbotschaft zu finden. Nach anfänglichen Kurzeinsätzen von der Bank aus und einem (zugegebenermaßen schwachen) Startelfdebüt beim 0:1 gegen Dortmund war Boetius gerade dabei, nach seiner Last-Minute-Verpflichtung im blau-weißen Dress Fuß zu fassen. Er profitierte dabei von einem Infekt des Mannschaftskollegen Suat Serdar, der ihm zuletzt im Spiel bei seinem alten Arbeitgeber 1. FSV Mainz 05 wieder zum Comeback von Beginn an verhalf.
Bobic setzte auf gütliche Einigung
Nun wird sich der „Glücksfall", wie Bobic den 28-Jährigen nach seiner Verpflichtung bezeichnet hatte, jedoch auf vorerst unbestimmte Zeit gedulden und mit der schwierigen Situation einer solchen Diagnose umgehen müssen. „Bis zu seiner Rückkehr bekommt er von uns jede erdenkliche Unterstützung", unterstrich Fredi Bobic dabei die bedingungslose Rückendeckung durch den Verein demonstrativ.
Vor diesem wirklich traurigen Hintergrund bekommt dagegen das Theater um Rune Jarstein einen ganz anderen Anstrich. Mochte man es als Fan anfangs bedauern, dass eine Trennung zwischen Hertha BSC und seinem langjährigen Torwart auf diese Weise zustande kommt, so erscheint sie nun eher ärgerlich. Zur Erinnerung: Nach einem offenbar heftigen Streit zwischen Jarstein und Torwarttrainer Andreas Menger, bei dem es auch zu Beleidigungen gekommen sein soll, war der Norweger zunächst suspendiert worden. „Ohne Disziplin funktioniert eine Fußball-Mannschaft nicht, sonst haben wir hier wilde Sau", erklärte der Geschäftsführer Sport die Entscheidung und machte dabei deutlich, dass es keine Rückkehr für Jarstein in den Kader geben würde.
Allerdings hatte Bobic auf eine dennoch gütliche Einigung gesetzt: „Wir unterhalten uns wie vernünftige Menschen und wollen versuchen, dass es am Ende des Tages sauber auseinandergeht." Doch so einfach und wohl auch schonend(er) für die Vereinskasse dürfte der Streit nun nicht beendet werden, denn ein Einvernehmen der beiden Parteien gelang nicht. Bobic soll dem Torwart daraufhin zu Ende November gekündigt haben, was Hertha BSC noch teurer als bisher erwartet zu stehen kommen könnte. Denn Jarstein hat vor dem Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg mittlerweile eine Klage gegen seinen bisherigen Arbeitgeber eingereicht. So könnte es durchaus sein, dass Hertha BSC und Bobic nach den Trennungen von Pal Dardai („Abfindung im niedrigen siebenstelligen Bereich") und „Zecke" Neuendorf („Abfindung im sechsstelligen Bereich") Anfang September erneut tiefer wird in die Schatulle greifen müssen, um ein Arbeitsverhältnis vorzeitig zu beenden. In der Bundesligapause waren mit acht Spielern aus dem Kader im Vergleich zu vorigen Länderspielterminen eher weniger Hertha-Profis auf Reisen mit ihren Nationalteams. Marton Dardai (DFB U21), Stevan Jovetić (Montenegro) und Peter Pekarik (Slowakei) zählen aktuell dabei aber nicht zu den Startelfkandidaten bei den Berlinern wie etwa Dodi Lukébakio (Belgien). Aber auch vier Neuzugänge waren unterwegs, die auf diese Weise natürlich weitere Eingewöhnungszeit verpassen. Torwart Oliver Christensen (Dänemark), Chidera Ejuke (Elfenbeinküste) und Wilfried Kanga (Nigeria) gehören aber auch bereits zu den „festen Größen" bei Trainer Sandro Schwarz – lediglich Agustin Rogel (Uruguay) wird die Länderspielreise also zunächst einmal wertvolle Tage im Hertha-Training kosten.
Mit der Partie gegen die TSG Hoffenheim (Sonntag, 2. Oktober, 15.30 Uhr) beginnt dabei nun die Phase der Saison, in der das Team langsam die Punkte einfahren muss, die sich nach Auffassung der Verantwortlichen zwangsläufig einstellen müssen, wenn die Spieler weiter so arbeiten wie bisher. Das letzte Aufeinandertreffen im Olympiastadion dürfte man an der Spree noch in guter Erinnerung haben: Im März siegte Hertha BSC in prekärer Tabellensituation mit 3:0. Es war das erste Spiel unter der Leitung von „Feuerwehrmann" Felix Magath und Mark Fotheringham – diese Namen lassen die Partie jedoch schon wieder beinahe eine halbe Ewigkeit zurückliegend erscheinen.