Nach dem ersten Halbjahr 2024/25 steckt Hertha BSC scheinbar aussichtslos im Tabellenmittelfeld der 2. Liga fest. Und auch für die zweite Hälfte wird die Personalnot eine Rolle spielen.
Das letzte Heimspiel des Jahres offenbarte den Stimmungsumschwung im Lager von Hertha BSC in aller Deutlichkeit: Hatten die Treusten der Treuen in der Ostkurve trotz insgesamt mäßiger und zuletzt sogar schwacher Bilanz der Mannschaft noch die Stange gehalten, so gab es nach dem 1:2 gegen Aufsteiger Preußen Münster nicht nur ein Pfeifkonzert – beim Gang der Spieler nach Abpfiff zu den Ultras fielen dann auch erstmals harte Worte. Vor der abschließenden Begegnung in Hannover hatte Hertha BSC so nur noch einen Sieg aus sechs Punktspielen feiern können – für den Anspruch, an den Aufstiegsplätzen dranzubleiben, viel zu wenig. Die ernüchterten Statements aus Reihen der Hertha-Profis nach der Pleite, der fünften Heimniederlage in acht Partien im Olympiastadion – man hatte sie auf diese Art auch schon öfters in dieser Hinrunde vernehmen müssen. Diesmal fielen sie vielleicht noch etwas extremer aus: Toni Leistner etwa erklärte nach dem „tiefsten Tiefpunkt der Hinrunde“ angesichts spielentscheidender Fehler, man müsse wohl schon die Qualitätsfrage stellen. Ibrahim Maza wählte wiederum eine andere Form der Selbstanklage: „Wenn ich ein Fan wäre, wäre ich heute nicht gekommen“, sagte der 19-Jährige, „dass im letzten Heimspiel trotzdem so viele hier waren, und dass wir das mit so einer Leistung zurückgeben, ist einfach respektlos.“ Solche Sätze scheinen dabei in erster Linie vor allem die eigene Ratlosigkeit zum Ausdruck zu bringen– was die Sache aber noch bedenklicher macht. Selbst Trainer Fiél äußerte nach dem Münster-Spiel zum wiederholten Mal ganz konkret angesichts der Fehler seines Teams: „Es ist schwierig für mich, das zu erklären.“ Mittlerweile ist die Stimmung im blau-weißen Teil der Berliner Fußballgemeinde derart angespannt, dass dem Übungsleiter beinahe schon vorgezählt wird, wie oft er die Ratlosigkeit über die Performance seiner Schützlinge bereits bekundet hat.
Die fünfte Heimniederlage
Immer öfter wird in der Berichterstattung darauf hingewiesen, dass Fiél im Sommer nach der Trennung von Trainer Pal Dardai eigens für eine Ablösesumme (500.000 Euro) vom 1. FC Nürnberg losgeeist worden war. Womit neben der lauter werdenden Kritik am Coach auch das Murren über die Führungsetage von Hertha BSC zuletzt vernehmbarer wurde. Ob nun gegenüber den sportlich Verantwortlichen wie Benjamin Weber (Sportdirektor), „Zecke“ Neuendorf (Leiter Lizenzspielerabteilung) oder dem CEO Thomas Herrich – letzterer hatte dabei auf der Mitgliederversammlung im November die Arbeit des Trainers („Er hat die Erwartungen sogar übertroffen“) derart über Gebühr gelobt, dass ihm die Aussage nun mit unschöner Regelmäßigkeit unter die Nase gerieben wird. Die Fakten sind jedenfalls: 22 Punkte aus 17 Spielen bedeuten das schwächste Hinrundenergebnis von Hertha BSC in der 2. Liga seit Einführung der 3-Punkte-Regel in der Saison 1995/96. So gaben die Berliner nicht nur auf dem Platz, sondern auch abseits davon ein Bild ab, das dem eines (vermeintlichen) Aufstiegsaspiranten kaum konträrer entgegenstehen könnte. Kapitän Leistner hatte in der Folge vor dem Hannover-Spiel zu einer mannschaftsinternen Aussprache gebeten, dabei soll reichlich Klartext unter den Spielern gesprochen worden sein. Trainer Fiél goutierte dabei zwar die informelle Zusammenkunft ohne ihn („Das war wichtig, dass sie mal alleine über diese Dinge sprechen“) – andererseits musste er sich aber darüber ärgern, dass das eine oder andere Detail der Unterredung den Weg an die Öffentlichkeit fand.
Personal als große Baustelle
Ein gewaltiges Problem auch im Hinblick auf das zweite Halbjahr bleibt bei Hertha BSC das verfügbare Personal: Neben den Langzeitverletzten mussten sich etwa auch drei Rückkehrer nach ersten Einsatzzeiten wieder abmelden. Dazu gehört neben Kevin Sessa und Linus Gechter auch der eminent wichtige Fabian Reese, dessen auskurierte Sprunggelenksverletzung nun mit einem Ödem auf die Belastung reagierte und den 27-Jährigen einmal mehr bis auf Weiteres ausschaltet. Dazu musste Florian Niederlechner, der von Fiél zuletzt zum Mittelstürmer umfunktioniert wurde, in den vergangenen beiden Partien mit Oberschenkelproblemen vorzeitig raus – in Hannover sogar schon vor der Pause. Immerhin hielten die Fans dann aber doch ihren Farben dort die Treue: Etwa 10.000 mitgereiste Berliner verwandelten das Gastspiel in der niedersächsischen Landeshauptstadt beinahe in ein Heimspiel. Die 96er waren dabei als bis dahin bestes Heimteam aufgetreten, während die Blau-Weißen ihre Stärken auf des Gegners Platz besonders zum Tragen bringen konnten. Insofern durfte eine spannende Partie erwartet werden, in der der größere Druck allerdings auf den Hauptstädtern lastete. Diese hielten zwar zunächst kämpferisch dagegen, die 96er hatten aber dennoch Vorteile und im ersten Durchgang auch zwei nennenswerte Chancen. Nach der Ampelkarte gegen Hannovers Kunze aber konnten die Herthaner eine Druckphase erzeugen, blieben im Abschluss aber zu unpräzise. Noch bevor die Hinausstelllung von Marton Dardai dabei wieder für Gleichzahl sorgte, nahmen die Berliner aber schon wieder unerklärlicherweise den Fuß vom Gas. So taugte das torlose Unentschieden zum Jahresabschluss kaum zu einem möglichen Aufbruchssignal. Im gerade begonnenen Jahr steht Hertha BSC damit vor einer Herausforderung, die noch gewaltiger als zu Saisonbeginn ausfällt.
Unter den gegebenen finanziellen Engpässen musste der Verein also das Ziel Aufstieg ausgeben – das mit einem neuen Trainer, einer sehr jungen Mannschaft und dem Fehlen zweier Schlüsselspieler wie Haris Tabakovic (jetzt Hoffenheim - 2023/24: 22 Tore) sowie Reese (2023/24: 9 Tore, 18 Vorlagen), der in der Hinrunde verletzungsbedingt praktisch nicht zur Verfügung stehen sollte, durchaus als ambitioniert gelten konnte. Insofern hat sich die Ahnung vor der Saison, dass das ausgegebene Ziel Aufstieg nur schwer zu erreichen sein wird, im Verlauf der Hinrunde erhärtet. Angesichts der Komplikationen, die die Spielzeit für Hertha BSC bislang mit sich gebracht hat, scheint dieses Vorhaben sogar beinahe aussichtslos – die ersten beiden Partien im neuen Jahr beim SC Paderborn (19.01.) und gegen den Hamburger SV (25.01.) könnten hier bereits vorentscheidenden Charakter besitzen.