Bis zur Bundestagswahl im Februar könnten einige Gesetzesvorhaben der Ampel noch in Kraft treten, wenn die Fraktionen in Berlin sich einigen können. Vor allem ein Kernvorhaben seitens der SPD aber dürfte erst einmal vom Tisch sein: das Rentenpaket II.
Mit der Vertrauensfrage am 16. Dezember soll verfassungsgemäß der Weg für Neuwahlen freigemacht werden. Danach aber möchte Kanzler Olaf Scholz in Zusammenarbeit mit den Grünen und der Opposition geplante Gesetzesvorhaben durch den Bundestag bringen – welche das sein werden, ist jedoch weitgehend unklar. So manch relevante Gesetzgebung bleibt in jedem Fall auf der Strecke, dafür haben auch beständige Änderungswünsche der Liberalen gesorgt. Immerhin: Auf die Weiterfinanzierung des Deutschlandtickets, wichtig für Hunderttausende deutsche Pendler, hat sich eine gesetzgeberische Mehrheit aus SPD, Grünen und der CDU-Opposition bereits geeinigt. Formal beschlossen ist diese jedoch noch nicht. Zustimmen werden die Christdemokraten wohl auch.
Sicher vor dem Aus steht das Rentenpaket II, das Prestigeprojekt der SPD. Um den Beitragsangstieg der Renten auf mittelfristig 22,3 Prozent abzumildern, sollte ein aktienbasiertes Generationenkapital, ein Vorschlag der FDP, eingeführt werden. Zwar galt es als ausverhandelt, die Kritik der Liberalen aber nahm nicht ab. Erst im Herbst erreichte es den Bundestag, das Gesetzgebungsverfahren aber ist noch nicht abgeschlossen. Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) erklärte das Rentenpaket II nun für gescheitert. Direkte Auswirkungen auf die Renten hat dies nicht, Heil warnte jedoch vor steigenden Rentenbeiträgen ohne Ausgleich in den kommenden Jahren. Auch das zuletzt von der SPD favorisierte Bundestariftreuegesetz, das für Tariftreue bei Unternehmen sorgen sollte, die Ausschreibungen des Bundes gewinnen wollen, wird nicht mehr kommen. Für die Kindergrundsicherung, das Wunschprojekt vom Familienministerin Lisa Paus (Grüne), die Kindergeld und andere soziale Leistungen vereinfachen und zusammenlegen sollte, läutet ebenfalls das Totenglöcklein. Sie sollte die bürokratischen Hürden verringern, damit jene Gelder auch bei Familien und Kindern ankommen. Auch das deutsche Lieferkettengesetz, das durch europäisches Recht ersetzt werden soll, könnte kippen – Olaf Scholz sagte auf dem Arbeitgebertag selbst: „Das kommt weg.“
Verhandlungen mit Oppositionsparteien
Mahnende Worte für seinen „Herbst der Reformen“ fand Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD). Ein Großteil seiner Reformvorhaben sind mit dem Bruch der Koalition nun ausgesetzt, darunter die Reform der Notfallversorgung und der Organspende als Opt-Out-Modell, in dem man einer Organspende also aktiv widersprechen muss. Bleiben nur jene Vorhaben, die bereits die wichtigsten Hürden genommen haben. Die Krankenhausreform hat den Bundestag bereits passiert, nun fehlte noch der Bundesrat. Trotz Querelen – Ursula Nonnemacher (Grüne), Gesundheitsministerin von Brandenburg, verlor während der laufenden Ratssitzung in der vergangenen Woche ihren Job, weil sie die Reform gegen den Wunsch von Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) durchwinken wollte – stimmte der Bundesrat am Ende mehrheitlich dafür. Die saarländische SPD-Landesregierung hatte bereits im Vorfeld angekündigt, dass sie der Krankenhausreform zustimmen werde. Mit der Reform soll der finanzielle Druck von Krankenhäusern genommen und eine deutliche Spezialisierung der Häuser initiiert werden, um kostenintensive Mehrfachstrukturen in Regionen zu vermeiden.
Laut dem geschäftsführenden Finanzminister Jörg Kukies liegt dessen Fokus in den letzten Wochen vor allem auf der Wachstumsinitiative und dem Abbau der Kalten Progression (steigende Steuersätze, die Gehaltserhöhungen letztlich auffressen). Laut Medienberichten sind die Aussichten dafür, dass sie umgesetzt werden, im Augenblick gut, auch wenn die CDU nicht alle mittragen wird. Es geht unter anderem um bessere Abschreibungsbedingungen für Unternehmen, höhere Freibeträge bei der Einkommenssteuer und beim Kinderfreibetrag, ein Wunschprojekt der FDP, entsprechend könnte sie mit der Minderheitsregierung stimmen und so eine Mehrheit erzeugen. Die CDU/CSU hat bereits durchblicken lassen, dass sie dem nicht zustimmen wird.
Unsicher ist auch, ob das geplante Strompreispaket für die Industrie noch verabschiedet werden kann. Es sollte die Stromsteuer für energieintensive Betriebe auf das EU-Minimum von 0,05 Cent pro Kilowattstunde senken. Außerdem sollte damit der sogenannte „Super Cap“, eine Deckelung des Strompreises für energieintensive Betriebe im internationalen Wettbewerb, ausgeweitet und entbürokratisiert werden. Mehr bürokratische Entlastungen verspricht auch das vierte Bürokratieentlastungsgesetz, das durch den Bundesrat bereits im Oktober gebilligt wurde. Darin geht es um 420 Millionen Euro an Entlastungen für die Wirtschaft.
Entscheidend für zahlreiche Fördermittel des Bundes für neue und laufende Projekte wäre jedoch ein verabschiedeter Haushalt für 2025. Obwohl sich die Ampel im Sommer nach einigem Gezerre auf einen Haushalt geeinigt hatte, platzte die Koalition vor seiner Verabschiedung. Der Bund geht daher wahrscheinlich mit einem vorläufigen Haushalt in das nächste Jahr. Damit würde ein Zwölftel des genehmigten Etats für 2024 für 2025 freigegeben, um laufende Ausgaben zu bezahlen. Wird in einzelnen Bereichen – beispielsweise für Haus- und Heizungsumbauten, Mobilitätszuschüsse und so weiter – mehr Geld benötigt, läuft es auf eine Haushaltssperre hinaus, sprich mehr als ein Zwölftel des vergangenen Etats wird es nicht geben. Doch auch hier scheinen die Anzeichen laut Äußerungen des Finanzministers derzeit gut zu sein.
Einige Fragezeichen bleiben also, die nun in dringenden Verhandlungen der Regierung mit der Opposition, mit CDU/CSU und FDP, aus dem Weg geräumt werden müssen. Eine „lahme Ente“, wie eine US-Präsidentschaft in ihren letzten Monaten heißt, sieht anders aus. Klar ist: Viele dringend notwendige Reformprojekte sind damit bis auf Weiteres auf Eis gelegt, mindestens bis zur Bildung einer neuen Bundesregierung. Und das geschieht, sofern sich die Koalitionspartner rasch einigen können, frühestens im April 2025.