Während der Corona-Krise hatte es auch die Filmbranche nicht einfach. Viele Filmschaffende konnten von heute auf morgen nicht mehr arbeiten. Jetzt läuft das Geschäft wieder an, und die Branche steht vor neuen wirtschaftlichen Herausforderungen.
Endlich wieder Berlinale in voller Präsenz, mit rotem Teppich, applaudierendem Publikum und vor allem den legendären Partys in den Nachtclubs rund um den Potsdamer Platz im Herzen Berlins. Nicht nur für Cineasten das Highlight des Jahres. Für die Filmschaffenden hinter den Kulissen und Kameras, von der Maske über Kostüm, Licht, Kulissenbau bis zur Aufnahmeleitung und Regie, fällt mit der Berlinale Weihnachten und Ostern zusammen: Rückschau auf das eigene Werk vor großem Publikum. Dennoch steht die Filmindustrie vor großen Herausforderungen – angefangen von der Filmproduktion, den filmtechnischen Betrieben mit Filmstudios, Postproduktion und Visual Effects über den Filmverleih bis hin zu den Kinos.
Kostensteigerungen auch beim Film
Auch in der Film- und Fernsehbranche sind in diesem Jahr die gestiegenen Kosten das beherrschende Thema. Die aktuelle Herbstumfrage der Allianz Deutscher Produzenten – Film und Fernsehen e. V. (kurz: Produzentenallianz) zur Kostenentwicklung innerhalb der Branche zeigt: Langfristige Trends wie der Fachkräftemangel und Investitionen in nachhaltiges Produzieren trafen 2022 mit den Folgen unvorhergesehener Ereignisse zusammen und stellten die Produktionsunternehmen vor noch größere Herausforderungen als diejenigen, die bereits in den Vorjahren unter den Bedingungen der Corona-Krise zu bestreiten waren. „In diesem Jahr wird sich deutlicher zeigen, ob die Branche sich von den Auswirkungen der Corona-Pandemie und den Folgen des Krieges in der Ukraine erholen kann“, sagt eine Sprecherin der Spitzenorganisation der Filmwirtschaft (Spio). „Die Kosten steigen, gleichzeitig sind die finanziellen Rücklagen und das Eigenkapital der Unternehmen häufig aufgebraucht.“ Auch die Besucherzahlen in den Kinos hätten bei weitem noch nicht das Vor-Pandemie-Niveau erreicht. „Wir werden uns intensiv damit beschäftigen, die Menschen wieder für die Kinos und Veranstaltungen zu gewinnen.“ Man brauche auch angekündigte Initiativen vonseiten der Politik, wie den von Kulturministerin Claudia Roth angekündigten Kulturpass. „In diesem Jahr ist es besonders wichtig, dass die Überarbeitung des Filmförderungsgesetzes erfolgreich umgesetzt wird“, sagt Christian Sommer, Präsident der Spio. Die Filmförderung sei essenziell für die Struktur der deutschen Filmwirtschaft, denn nur mit ihr könne die kreativ-künstlerische Qualität und die Vielfalt des deutschen Kinofilms sichergestellt werden. „Wir wollen Kinofilme wieder mit ausreichenden Budgets ausstatten können, um ihre Qualität und Reichweite zu erhöhen“, so der Spio-Chef. Ein großes Problem im deutschen System sind die geringen Anreize zur Investition in Kinofilme. „Das zeigt sich eindeutig in den seit Jahren rückläufigen durchschnittlichen Budgets für deutsche Filmproduktionen“, so die Spio-Sprecherin: 2019 hätten die durchschnittlichen Produktionskosten für einen deutschen Kinofilm noch 3,1 Millionen betragen, im Jahr 2020 2,9 Millionen und im Jahr 2021 nur noch 2,4 Millionen Euro.
Wegen Corona keinen Job mehr am Filmset
Finanzielle Unsicherheiten beschäftigen auch die Filmschaffende Maike K. Etwas verloren steht sie vor dem Berlinale-Plakat im Schaukasten eines großen Kinos am Potsdamer Platz. Bis zum Beginn der Pandemie lief gut 20 Jahre lang immer ein Festival-Beitrag, an dem die 48-Jährige aus Wolfsburg irgendwie hinter der Kamera beteiligt war. Nun geht die Berlinale nach drei Jahren wieder richtig los, aber in diesem Jahr fühlt sich Maike K. eher als Zaungast. „Das tut schon weh, aber seit über einem Jahr habe ich keinen Job mehr am Set bekommen. Erst wurden die Drehs alle abgesagt und dann kamen die Hammer-Corona-Maßnahmen.“ Bei ihrem letzten Dreh empfand sie es nur noch als nervig: Vor jedem Drehtag musste sie einen PCR-Test machen, die Kosten dafür übernahm selbstverständlich die Produktionsfirma. „Doch am Set wurden wir dann als einzelne Teams regelrecht voneinander abgeschirmt, das hatte zur Folge, dass dieser besondere Spirit bei einem Dreh überhaupt nicht mehr aufkam, also Spaß hat das nicht mehr wirklich gemacht.“
Doch die Regeln im Rahmen der „Arbeitsplatzschutzmaßnahmen“ wurden infolge der Pandemie dann noch weiter verschärft. Maskenpflicht und Trennung der einzelnen Szene-Teams reichte nun auch nicht mehr aus. Bei einer Filmproduktion ging es beinahe zu wie im OP-Bereich der Notaufnahme eines Krankenhauses. „Spätestens mit der Impfpflicht bei den Filmproduktionen war ich dann raus aus dem Geschäft. Ich war und bin weiterhin nicht geimpft, weil meine Gesundheit das einfach nicht zulässt. Ich habe ein schweres Nierenleiden, dann kann so ein Impfstoff erhebliche Folgen für mich haben, weil das alles nicht erforscht ist.“ Die freiberufliche Filmschaffende bekam keine Aufträge mehr, wie viele ihrer Kolleginnen und Kollegen. Genaue Angaben über den Kreis der Betroffenen liegen selbst der Künstlersozialkasse nicht vor, da solche Zahlen bis zum heutigen Tag nicht erhoben werden. Viele Mitarbeiter der cineastischen Künste rutschten in den Status der Arbeitslosigkeit oder gleich in Hartz IV. In der Folge wandten sich etliche Filmschaffende von der Branche ab, orientierten sich anderweitig.
„Hintergrund für diese strikten Maßnahmen war die Versicherung der Drehs. So ein Produktionstag kann bis zu 150.000 Euro kosten. Wenn die Produktion wegen eines Corona-Falls im Team in der Quarantäne-Folge auch nur fünf Tage ausfällt und die Versicherung zahlt wegen Unzulänglichkeiten bei den Corona-Maßnahmen nicht, hätte sich die gesamte Produktion dann schnell erledigt. Pleite!“, so erklärt es Alexander Soyez. Der 55-Jährige ist seit über 30 Jahren Film- und Kino-Journalist für Radio und Print und kennt die Branche intern wie kaum ein anderer. Auch er hat die Widersprüche bei den Corona-Maßnahmen am Set sehr intensiv begleitet. „Die Filmproduktionen haben sich erstaunlich schnell an die Corona-Maßnahmen angepasst und konnten, ja mussten so sehr schnell wieder ihre Arbeit aufnehmen. Die Streaming-Plattformen brauchten dringend neuen Content. Das Problem für viele Mitarbeiter waren sicherlich die strikten Corona-Maßnahmen. Wer nicht geimpft war, bekam zeitweise vielleicht keinen Job mehr. Das war für die Betroffenen sicherlich unschön, brachte aber auch die Produktionen in die Bredouille. Auftrags-Boom, hoher Bedarf, zu wenige Leute, und einige Mitarbeiter standen nicht zur Verfügung, weil sie nicht geimpft sind.“ Zu den 2-G-Regelungen in der Filmbranche möchten die Vertreter der Spio nichts sagen. „Dazu liegen uns aktuell keine Informationen vor“, heißt es auf Anfrage von FORUM.
Streaming-Dienste auf dem Vormarsch
Auch die Filmbranche kämpft mit Personalmangel, bedingt durch die Covid-19-Maßnahmen. „Während Produktion und Verleih weniger stark betroffen waren, hat es augenscheinlich vor allem die Filmtheater getroffen“, so die Spio-Sprecherin. Die Arbeitskräfte in den Kinos konnten aufgrund der monatelangen Schließungen ihrer Arbeit nicht nachgehen, was zum Arbeitskräftemangel beigetragen hat. Die Corona-Krise habe der gesamten Branche besonders stark verdeutlicht, wie wichtig Planungssicherheit und geregelte Rahmenbedingungen sind. „Für die Kreation eines Kinofilms braucht es sehr viele Glieder innerhalb der Filmindustrie, die ineinandergreifen und aufeinander angewiesen sind.“
Filmjournalist Alexander Soyez sieht die Branche in diesem Frühjahr besser aufgestellt als in den gesamten 20 Jahren zuvor, wobei dem überzeugten Cineasten der Schock des ersten Lockdowns heute noch in den Knochen steckt. „Natürlich gab es im Frühjahr 2020 erst mal den Einschlag auch bei den Produktionen. Doch während sich die Kinos nur langsam davon erholten, boomte es bei den Produktionen schnell wieder. Das ging bereits im Sommer 2020 los und danach wird bis heute gedreht wie nie zuvor.“ Alexander Soyez ist optimistisch: „Die Pandemie hat den Filmfirmen den neuen Trend mehr oder weniger aufgezwängt, dieser wird in die Zukunft führen, gerade bei den deutschen Produktionen. Weg vom herkömmlichen Geschäft der Produktionsfirmen, wir setzen eine Filmproduktion um und das wird dann über die üblichen Ausspielkanäle abgewickelt.“ Also erst Kino, danach terrestrische Fernsehverbreitung (klassisches Fernsehen), danach Streaming-Dienste und dann der DVD-Verkauf. Dabei sieht der 55-Jährige Streaming-Dienste klar auf dem Vormarsch: „Man kann schon sagen, dass die Corona-Krise zu einem echten Turbo für die Akzeptanz der Streaming-Dienste geworden ist. Die Abo-Zahlen sind geradezu explodiert. Aber was sollten die Menschen auch machen, sie mussten zu Hause sitzen und wollten auf ihre Kino-Unterhaltung nicht verzichten.“
Natürlich hoffen die traditionellen Kinos ebenfalls auf so einen Booster, jetzt wo es wieder losgeht – ohne Masken und Abstandsregelungen. Kino, live mit anderen Menschen, Popcorn, Limonade und dem Gemeinschaftsgefühl bei der Vorführung. Auch Aufnahmeleiterin Maike K. hofft, dann nicht nur als Zuschauerin im Saal zu sitzen, sondern bald wieder hinter den Kulissen zu wirbeln. Die Zeichen stehen gut für ihre berufliche Zukunft, auch bei den Drehs wurden die strikten Corona-Maßnahmen der Produktionsfirmen weitestgehend kassiert. Der Auftragsdruck ist riesengroß, und da passt Impfpflicht einfach nicht mehr rein.