Moderne italienische Küche mit asiatischen Nuancen finden Gourmets jetzt im neu eröffneten „Cicchetti da Rosa“ am Ludwigkirchplatz in Wilmersdorf.
Für all diejenigen, die der italienischen Sprache nicht mächtig sind, stellt dieses Wort möglicherweise eine kleine Herausforderung dar: Cicchetti. So viele Konsonanten! Doch das, was vielleicht schwierig erscheint auszusprechen, entpuppt sich für Liebhaber der leichten Küche als ein Synonym für willkommene Schmankerl. Cicchetti – ausgesprochen Tschicketti – sind die venezianische Variante der spanischen Tapas. Die leckeren Appetizer all’italiana überbrücken den kleinen Hunger vor der nächsten Mahlzeit: Ob Artischocken, gefüllte Oliven oder auch lecker belegte Weißbrotschnitten – in Venedig und Umgebung sind Cicchetti die typischen Snacks, die Einheimische wie Touristen gern mittags oder nachmittags goutieren.
Etwa 800 Kilometer nordöstlich von der Lagunenstadt kann man jetzt auch am Ludwigkirchplatz in Berlin-Wilmersdorf von den kleinen, feinen Köstlichkeiten all’italiana kosten. „Cicchetti da Rosa“ ist das neue Projekt des Gastronomenpaars Rosetta „Rosa“ Panzera und Duc Anh Tran. Das Ende Juli eröffnete Lokal liegt vis-à-vis zur St.-Ludwigs-Kirche in einer bürgerlichen Gegend fernab der Touristenströme. „Hier ist Berlin noch Berlin“, sagt Duc Anh Tran, der mit seiner Partnerin Rosetta Panzera auch im Kiez wohnt.
Die Klarheit spürt man bereits beim Eintreten
Im „Cicchetti da Rosa“ wird die italienische Küche gefeiert, die sich in den vergangenen Jahren stark weiterentwickelt hat. Eine Küche, die längst nicht mehr so rustikal ist wie ihr Ruf. Statt der Cucina della nonna steht in der „Cicchetti da Rosa“ der moderne Ansatz im Fokus: klar, minimalistisch, produktbezogen und bewusst regional.
Diese Klarheit der beiden Gastronomie-Unternehmer spürt man schon, wenn man die neuen Räumlichkeiten betritt. Der lang gezogene, lichtdurchflutete Raum samt hellem Holzmobiliar und den mit nachtblauem Samt bezogenen Sofas vermitteln Leichtigkeit in einer einladenden Atmosphäre. „Unsere Gäste sollen sich zu Gast bei Freunden fühlen“, sagt Chefin Rosetta Panzera, „und das gelingt uns hoffentlich mit gutem Essen und herzlichem Service.“ Das bestätigt auch ihr Partner Duc Anh Tran, während er uns durch die neuen Räumlichkeiten führt. Am Ende der frisch renovierten, neuen Location befindet sich eine Kücheninsel, die einen sofort in ihr Wohnzimmer-Flair zieht. „Das ist eine Showküche, hier können Gruppen-Events wie zum Bespiel Kochkurse stattfinden“, erläutert der Gastronomie-Unternehmer im Gespräch.
Mit der „Cicchetti da Rosa“ setzt das kreative Duo sein Erfolgskonzept aus der „Salumeria Rosa“ fort. Die Idee, sich auf die italienische Küche zu konzentrieren, basiert auf Rosa Panzeras Familie: Ihr Vater ist Sizilianer und betreibt ein Restaurant in Friedenau. So ist die gebürtige Berlinerin mit der Kultur und in der Gastronomie aufgewachsen.
Auch für Liebhaber vegetarischer Gerichte
Ihr Partner Duc Anh Tran wurde im vietnameschen Hanoi geboren. Als kleiner Junge wanderten seine Eltern mit ihm und seinem Bruder in die deutsche Kapitale aus. Der Gourmet liebt die vietnamesische Suppe seiner Mutter ebenso sehr wie die südeuropäische Küche. Nach seiner Ausbildung im „Grand Hyatt“ und weiteren Stationen in der Hyatt-Gruppe baute er 2014 zunächst die „Salumeria Rosa“ auf, ehe Duc Anh Tran das „Acht&Dreissig“ in Mitte eröffnete.
„Wir übersetzen die nachhaltigen Ideen des italienischen Küchenstils natürlich und arbeiten mit regionalen und saisonalen Produkten aus Berlin und Brandenburg“, erklärt Duc Anh Tran, „die Zubereitung ist italienisch, die Einflüsse sind international.“ Mittwochs und freitags verwöhnen das GastronomenPaar und sein Team die Gäste mit einem Fischgericht. Und selbstredend kommen auch Liebhaber der pflanzlichen Genüsse mit vegetarischen Speisen auf ihre Kosten. „Wir sind kein ‚typischer Italiener‘“, sagt Duc Anh Tran. Es ist früher Nachmittag, gerade noch Zeit für uns, um ein paar Cicchetti und mehr von der vielversprechenden Mittagskarte zu kosten.
Duc Anh Tran überrascht uns mit einer zart schmelzenden Burrata an einer süß-sauer kandierten Aubergine, Trüffelpaste, Duxelles und Koriander. Die Fusion der italienischen und asiatischen Küche harmoniert schon gleich bei der ersten Vorspeise. Raffiniert und mit unverkennbaren Zügen aus dem fernen Osten ist auch der Vitello tonnato de luxe: Das Kalbfleisch an einer leichten Thunfischcreme wird gekonnt von einem Thunfisch Tataki getoppt. Selbst der Fotograf – als Italiener Kenner der südeuropäischen Küche und Gourmet – ist begeistert von der Komposition.
Die passenden Weine für die kreativen Leckereien bezieht „Cicchetti da Rosa“ vor allem aus Italien. Auch aus Österreich und Deutschland findet sich eine Auswahl auf der Karte. Die Zusammenstellung hat Arno Steguweit übernommen. Steguweit war Chefsommelier im „Hotel Adlon“, heute hat er einen eigenen Weinhandel und berät Restaurants wie das „Grill Royal“. Wer es meerig mag, kann seinen Gaumen bei Thunfisch-Carpaccio verwöhnen – das Ensemble ist mit Zitrone von der Amalfiküste, Rettich, Soja und Trüffel verfeinert. Ein weiteres Schmankerl sind Gambas, angerichtet mit Schwarzwurzel und Tomaten-Marmelade.
Ein unschlagbarer Gaumenkitzel
Für uns geht es an diesem Nachmittag erst einmal vegetarisch bei einem Insalata di Pomodoro weiter – „einer Rekonstruktion eines süditalienischen Tomatensalats“, wie Duc Anh Tran im Vorfeld verrät. Die Komposition ist mehr als nur ein Augenschmaus aus roten, gelben und grünen Tomaten. Angerichtet ist das Ganze mit Radieschen, Zwiebeln, Minze, Aceto balsamico und Olivenöl. So ist dieser Salat ein Gaumenkitzel ohnegleichen. Besonderer Clou ist das hausgemachte Dressing aus Blutorangen. Der Salat ist knackig, leicht säuerlich und dabei fabelhaft fruchtig.
Absolut al dente und scharf wird es für uns dann beim Hauptgang. Dabei darf natürlich die Pasta nicht fehlen, die in Italien zu den Vorspeisen zählt. Die Chili Rigatoni mit Chili, Tomaten, Lauch und Burrata sollten eigentlich das Finale grande unseres Besuches einleiten, wenn mir eine Miso-Crème-brûlée mit Yuzo nicht vorwitzigerweise auf der Karte so zugezwinkert hätte. „Diese Crème brûlée ist unkonventionell“, sagt der „Cicchetti da Rosa“-Chef. Gekocht wird das Ensemble zunächst ganz konventionell mit Sahne, Eiern und Vanille. Doch dann kommt der Clou mit der Paste aus fermentierten Bohnen, auch Miso genannt. „In Vietnam verwendet man Miso sowohl für süße wie auch für herzhafte Speisen“ erläutert Duc Anh Tran. On top gibt es noch ein Yuzo-Gelee und ein paar Kleckse gesalzener Karamell-Creme. Die Fusion aus süß, säuerlich und salzig ist ein unschlagbarer Gaumenkitzel. Die Kreation harmoniert perfekt mit der Crème-brûlée-typischen Textur aus hart und weich.
Wie schön, dass sich in dieser Stadt so viele unterschiedliche kulturelle Einflüsse auf den Tellern und Tischen wiederfinden. Und noch schöner, dass Duc Anh Tran und Rosetta Panzera diese Vielfalt auf ihre eigene Art und Weise zu perfektionieren wissen.