Frühzeitiger Impfschutz ist für Kinder besonders wichtig, doch der Weg dorthin ist komplex. Empfehlungen, neue Präparate und gesetzliche Vorgaben stellen viele Eltern vor Fragen. Eine Orientierung im Dschungel der Impfpläne, Nebenwirkungen und Entscheidungen.
Ein heller Raum, eine Babywaage in der Ecke, und auf dem Schoß der Mutter ein Säugling, der neugierig in die Welt blickt. Der erste Besuch beim Kinderarzt, Routineuntersuchung, wie so viele. Doch für viele Familien beginnt hier auch ein Thema, das Unsicherheit auslösen kann: die erste Impfung. Schon wenige Wochen nach der Geburt startet die Grundimmunisierung, ein wirksamer Schutz gegen gefährliche Infektionskrankheiten, der Kinder ihr ganzes Leben begleiten kann.

Impfungen zählen heute zu den wichtigsten medizinischen Errungenschaften. Sie helfen, schwere Erkrankungen bei Einzelpersonen wie auch auf Bevölkerungsebene zu verhindern. In Deutschland ist die Ständige Impfkommission, kurz Stiko, dafür zuständig, medizinisch fundierte Impfempfehlungen zu erarbeiten. Dabei werden nicht nur individuelle Risiken betrachtet, sondern auch gesellschaftliche Effekte, etwa wie gut eine Krankheit durch hohe Impfquoten eingedämmt werden kann.
Die Stiko arbeitet unabhängig und ist am Robert-Koch-Institut angesiedelt. Dort befindet sich auch ihre Geschäftsstelle. Zwar spricht sie die Empfehlungen aus, doch welche Impfungen tatsächlich von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen werden, legt der Gemeinsame Bundesausschuss fest, kurz G-BA. Zusätzlich können Krankenkassen individuelle Zusatzleistungen anbieten, etwa Reiseimpfungen. Wer privat versichert ist, sollte direkt bei seiner Versicherung klären, welche Leistungen abgedeckt sind.
Der Gedanke, den Körper bewusst gegen eine Krankheit zu wappnen, ist übrigens alles andere als neu. Schon in der Antike erkannten Gelehrte, dass Menschen, die etwa die Pocken überlebten, gegen spätere Ansteckung geschützt waren. Erste Versuche, gezielt zu immunisieren, gab es früh – wenn auch mit unsicheren Methoden. Ein wirklicher Durchbruch gelang jedoch erst dem englischen Landarzt Edward Jenner. Während einer Pockenepidemie Ende des 18. Jahrhunderts beobachtete er, dass Frauen, die sich bei der Stallarbeit mit harmlosen Kuhpocken angesteckt hatten, nie an den gefährlichen Menschenpocken erkrankten. Im Jahr 1796 wagte er einen Versuch: Er übertrug einem achtjährigen Jungen ein Sekret aus den Pusteln einer Kuhpockeninfizierten. Der Junge überstand die Erkrankung – und war danach immun gegen Pocken.
Heute, über zwei Jahrhunderte nach Jenners Entdeckung, beginnt der Schutz der Jüngsten schon früh: Bereits ab der sechsten Lebenswoche können Babys ihre erste Impfung erhalten. Die Ständige Impfkommission empfiehlt einen klar strukturierten Zeitplan, die sogenannte Grundimmunisierung. Der Hintergrund: Viele Infektionskrankheiten verlaufen gerade bei Säuglingen und Kleinkindern deutlich schwerer als bei Jugendlichen oder Erwachsenen. Ihr Immunsystem ist noch nicht vollständig ausgereift – umso wichtiger ist es, rechtzeitig einen wirksamen Schutz aufzubauen.
Mit Sechsfach-Impfstoffen lässt sich frühzeitig ein kombinierter Schutz aufbauen
Nach dem ersten Termin folgen die weiteren Impfungen nach einem festen Kalender. Kinderärztinnen und Kinderärzte orientieren sich dabei an den Empfehlungen der Stiko, die regelmäßig überprüft und aktualisiert werden. Manche Impfstoffe müssen mehrfach verabreicht werden, um eine vollständige Immunität zu erreichen, andere benötigen nur eine einzige Dosis. Praktisch ist, dass es heute moderne Kombinationsimpfstoffe gibt, die mit nur einer Injektion gleich gegen mehrere Erkrankungen gleichzeitig schützen.
Die Liste der empfohlenen Schutzimpfungen ist lang und sie deckt eine Vielzahl potenziell schwerer Krankheiten ab: Dazu gehören unter anderem Tetanus (Wundstarrkrampf), Diphtherie, Pertussis (Keuchhusten), Poliomyelitis (Kinderlähmung), Hepatitis B, Hib (Haemophilus influenzae Typ B), Pneumokokken, Rotaviren, Meningokokken der Gruppen B und C, Masern, Mumps, Röteln, Windpocken (Varizellen) sowie HPV (Humanes Papillomavirus, empfohlen ab neun Jahren für Mädchen und inzwischen auch für Jungen). Auch gegen den RSV-Virus (Respiratorisches Synzytial-Virus) gibt es seit Kurzem eine zugelassene Impfung für Säuglinge.
Besonders verbreitet sind sogenannte Sechsfach-Impfstoffe, die Tetanus, Diphtherie, Pertussis, Poliomyelitis, Hepatitis B und Hib in einer einzigen Injektion abdecken. Im Laufe der Kindheit folgen mehrere Auffrischungsimpfungen, meist im Vorschulalter und erneut in der frühen Pubertät. Auch hier stehen praktische Kombinationspräparate zur Verfügung, die die Anzahl der Injektionen möglichst gering halten.

Wer sich mit dem Thema Impfnebenwirkungen beschäftigt, trifft auf zwei unterschiedliche Begriffe: Impfreaktionen und Impfschäden. Impfreaktionen sind in der Regel harmlos und zeigen, dass das Immunsystem aktiv arbeitet. Etwa ein Fünftel aller Geimpften entwickelt eine leichte Schwellung oder Rötung an der Einstichstelle, beides verschwindet meist nach ein bis drei Tagen. Auch Fieber, Müdigkeit, Kopfweh oder Unwohlsein können auftreten. Bei Säuglingen sind mitunter auch Durchfall oder Trinkunlust zu beobachten – allesamt bekannte und zeitlich begrenzte Reaktionen.
Besondere Aufmerksamkeit gilt den sogenannten Lebendimpfstoffen, etwa gegen Masern, Mumps oder Röteln. Diese können in seltenen Fällen eine abgeschwächte Form der Krankheit hervorrufen, nicht gefährlich, aber für manche Kinder unangenehm. Wichtig ist: Diese Reaktionen sind weder ungewöhnlich noch Grund zur Sorge. Sie gelten vielmehr als Zeichen dafür, dass der Impfstoff seine Wirkung entfaltet.
Anders sieht es bei echten Impfschäden aus, also bleibenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen, die direkt und nachweislich durch eine Impfung verursacht wurden. Diese Fälle sind extrem selten. Laut Angaben des Paul-Ehrlich-Instituts liegt die Wahrscheinlichkeit für einen Impfschaden im Promillebereich: bei mindestens 0,001 und weniger als 0,01 Prozent. Jeder Verdachtsfall wird einzeln geprüft – durch das zuständige Versorgungsamt und auf Grundlage einer medizinischen Begutachtung. Rechtsgrundlage ist das Infektionsschutzgesetz, insbesondere Paragraf 11 und 60.
Trotz dieser sehr niedrigen Risiken bleiben viele Eltern besorgt, vor allem, wenn es um die ersten Lebensmonate geht. Die Vorstellung, ein wenige Wochen altes Kind mit einer Injektion zu belasten, fällt nicht leicht. Erschwerend kommt hinzu: Impfpläne sind komplex, Impfstoffe wechseln, und Empfehlungen werden laufend angepasst. Wer soll da den Überblick behalten?
Wenn ein Kind das erste Mal beim Kinderarzt geimpft werden soll, stehen viele Fragen im Raum: Was genau wird gespritzt? Welche Nebenwirkungen können auftreten? Und muss ich als Mutter oder Vater zustimmen, und wenn ja, wozu genau? All diese Fragen sind berechtigt und sie gehören zum festen Bestandteil jeder Impfberatung.
Bevor eine Impfung verabreicht wird, klärt der behandelnde Arzt oder die Ärztin die Erziehungsberechtigten umfassend auf. Dazu gehört ein Gespräch über den vorgesehenen Impfstoff, seine Wirkweise, mögliche Reaktionen sowie die Empfehlung der Stiko. Zusätzlich erhalten die Eltern eine schriftliche Übersicht, das sogenannte Aufklärungsmerkblatt. Es enthält Informationen über den Impfstoff selbst, die Häufigkeit möglicher Reaktionen, Hinweise zum Verhalten nach der Impfung sowie eine Einwilligungserklärung. Diese muss vor jeder Impfung neu unterzeichnet werden.
Für jede Impfung gibt es ein eigenes Merkblatt. Das mag auf den ersten Blick umständlich wirken, hat jedoch einen klaren Zweck: Es schützt sowohl das Kind als auch die Eltern und stellt sicher, dass medizinisches Handeln auf Basis einer informierten Entscheidung erfolgt. Gleichzeitig entlastet es die behandelnden Ärztinnen und Ärzte juristisch. Denn nur wenn eine dokumentierte Einwilligung vorliegt, darf geimpft werden.
In der Praxis bedeutet das: Eltern erhalten zunächst das sogenannte „gelbe Heft“, den Impfpass ihres Kindes. Dort werden alle verabreichten Impfungen dokumentiert. Welche Impfung als Nächstes ansteht, entscheidet sich nach dem Stiko-Impfplan, dem Alter des Kindes, dem bisherigen Impfstatus und möglichen Vorerkrankungen. Für jede neue Impfung gibt es ein gesondertes Aufklärungsblatt, das mit einer Unterschrift bestätigt werden muss, auch dann, wenn es sich um einen Kombinationsimpfstoff handelt.
Einige Eltern empfinden dieses Verfahren als bürokratisch – andere als beruhigend. Denn es schafft Transparenz, Kontrolle und die Möglichkeit, in Ruhe nachzufragen. Vor allem aber unterstützt es die Arzt-Patienten-Beziehung: Wer weiß, was verabreicht wird und warum, kann sich besser entscheiden und fühlt sich seltener überrumpelt.
Dass Impfpläne keine starren Gebilde sind, sondern sich stetig weiterentwickeln, zeigt das Beispiel der Meningokokken-B-Impfung. Seit Januar 2024 gehört sie offiziell zum Impfkalender für Säuglinge. Bisher wurde in Deutschland standardmäßig nur gegen Meningokokken der Gruppe C geimpft. Die nun ergänzte B-Impfung reagiert auf eine medizinische Notwendigkeit, denn Meningokokken-Infektionen gehören zu den schnell verlaufenden, lebensbedrohlichen Krankheiten, vor denen Eltern sich und ihre Kinder besonders schützen möchten.
Meningokokken, genauer Neisseria meningitidis, kommen bei etwa 15 Prozent der Bevölkerung im Nasen-Rachen-Raum vor, ohne dass sie Beschwerden verursachen. Meist verlaufen diese Trägerzustände harmlos. Doch bestimmte Stämme können über die Schleimhäute in den Blutkreislauf gelangen und dort verheerende Folgen haben: Hirnhautentzündungen (Meningitis), Sepsis (Blutvergiftung) oder sogar Multiorganversagen. Die Erkrankung entwickelt sich rasch, oft innerhalb weniger Stunden, mit Fieber, Nackensteifigkeit, Lichtempfindlichkeit, Hautflecken oder Bewusstseinsstörungen. Trotz intensivmedizinischer Behandlung liegt die Sterblichkeitsrate bei über 20 Prozent. Wer überlebt, leidet nicht selten an Spätfolgen wie Hörverlust, neurologischen Defiziten oder Amputationen.
Der neue Impfstoff schützt gegen die häufigsten Meningokokken-B-Stämme. Säuglinge erhalten zwei Dosen im Abstand von mindestens zwei Monaten, gefolgt von einer Auffrischung nach dem ersten Geburtstag. Für Kinder zwischen dem dritten Lebensjahr und dem fünften Geburtstag werden ebenfalls zwei Impfungen im Abstand von mindestens einem Monat empfohlen. Jugendliche und Erwachsene, die nachgeimpft werden, erhalten ebenfalls zwei Dosen.
Zusätzlich gibt es Kombinationsimpfstoffe, die gegen die Meningokokken-Gruppen A, C, W und Y schützen. Sie werden je nach Alter und Indikation im Rahmen der Regelversorgung eingesetzt. Die neuen Impfempfehlungen ermöglichen damit einen umfassenderen Schutz und sind Ausdruck eines dynamischen Impfkalenders, der sich kontinuierlich an neue Erkenntnisse anpasst.
Trotz einer Impfquote von 95 Prozent kommt es immer wieder zu Ausbrüchen von Masern
Anders als in früheren Zeiten gibt es in Deutschland derzeit keine allgemeine Impfpflicht für Kinder. Die Entscheidung, ob ein Kind geimpft wird, liegt grundsätzlich bei den Eltern. Doch es gibt eine wichtige Ausnahme: das Masernschutzgesetz. Seit März 2020 müssen alle Kinder ab dem vollendeten ersten Lebensjahr nachweisen, dass sie gegen Masern geimpft sind – zumindest mit einer ersten Dosis. Vor dem Schuleintritt ist dann eine zweite Impfung erforderlich.
Die Impfpflicht betrifft alle, die eine Gemeinschaftseinrichtung wie eine Kindertagesstätte, einen Kindergarten, einen Hort oder eine Schule besuchen. Auch Erwachsene, die dort arbeiten, unterliegen dieser Vorschrift. Sie gilt unabhängig von der Staatsangehörigkeit. Ziel ist es, den Gemeinschaftsschutz zu erhöhen und Ausbrüche zu verhindern. Zwar ist die Masernimpfung seit vielen Jahren verfügbar, doch die Durchimpfungsrate liegt in Deutschland bei rund 95 Prozent – zu wenig, um eine flächendeckende Immunität sicherzustellen. Immer wieder kommt es zu lokalen Ausbrüchen mit schwerwiegenden Verläufen.
Wer sich der Impfpflicht widersetzt, muss mit Konsequenzen rechnen: Kinder dürfen ohne entsprechenden Nachweis keine öffentliche Einrichtung besuchen. Für Eltern und Einrichtungen, die sich nicht an das Gesetz halten, drohen Bußgelder von bis zu 2.500 Euro. Auch ein Ausschluss vom Schul- oder Kitabetrieb ist möglich.

Nicht alle Impfungen, die für den Alltag in Deutschland empfohlen werden, reichen aus, wenn es mit der Familie ins Ausland geht. Wer mit Kindern verreist, sei es in tropische Regionen, in entlegene Gebiete oder in Länder mit niedrigem Hygienestandard, sollte sich frühzeitig über mögliche Zusatzimpfungen informieren. Manche Länder verlangen den Nachweis bestimmter Immunisierungen bereits bei der Einreise. In anderen Regionen sind Schutzimpfungen zwar nicht vorgeschrieben, aber medizinisch dringend angeraten.
Ein klassisches Beispiel ist die Gelbfieberimpfung. Sie ist für die Einreise in bestimmte Gebiete Südamerikas und Afrikas verpflichtend. Gelbfieber wird von Mücken übertragen und kann schwere Leberschäden verursachen. Weil das Virus in Europa nicht vorkommt, besitzt die europäische Bevölkerung keine natürlichen Abwehrkräfte. Die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt die Impfung insbesondere für Reisen ins Amazonasgebiet oder nach Zentralafrika. Für Kinder wird sie ab einem Alter von neun Monaten empfohlen – in besonderen Fällen auch schon ab dem sechsten Lebensmonat.
Auch Impfungen gegen Tollwut, Typhus, Cholera oder Hepatitis A können sinnvoll sein, je nachdem, wohin die Reise geht und wie die Unterbringung geplant ist. Wer etwa in ländlichen Gegenden übernachtet, engen Kontakt zu Tieren hat oder in Gebieten unterwegs ist, in denen bestimmte Infektionskrankheiten noch verbreitet sind, sollte sich individuell beraten lassen.
Viele dieser Reiseimpfungen zählen nicht zum regulären Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung. Dennoch übernehmen zahlreiche Kassen zumindest einen Teil der Kosten – insbesondere, wenn es sich um Reisen mit Kindern handelt. Wichtig ist, sich frühzeitig zu informieren: Manche Impfstoffe benötigen mehrere Dosen im Abstand von mehreren Wochen. Spontane Impfungen unmittelbar vor der Abreise sind oft nicht mehr möglich.
Der erste Ansprechpartner ist meist die hausärztliche oder kinderärztliche Praxis. Manche Praxen bieten eigene Reisemedizin-Sprechstunden an. Alternativ kann der Impfstoff über die Apotheke bezogen und in der Praxis verabreicht werden. In jedem Fall gilt: Wer gut vorbereitet verreist, schützt nicht nur sich selbst, sondern auch die Menschen, denen er auf der Reise begegnet und bringt im besten Fall nur schöne Erinnerungen mit zurück.