Das Historische Museum der Pfalz in Speyer widmet dem berühmten Liebespaar „Caesar und Kleopatra“ eine Sonderausstellung. Was ist Wahrheit, was Mythos? Gibt die Schau Antworten?

Ein Wäschesack. Das Bündel steht mitten in einer opulenten Szenerie, die das Historische Museum der Pfalz für sein Großprojekt erdacht hat. „Ist das Kunst, oder kann das weg?“, möchte ich den Kurator Lars Börner fragen. Seine Erläuterung kommt mir zuvor. Keine Kunst, kann aber nicht weg. Bei genauerem Hinschauen erkenne ich, dass in dem Wäschebündel eine Person verborgen scheint. Die Installation ist eine Reminiszenz an die erste Begegnung zwischen Caesar und Kleopatra im Jahre 48 vor Christus. Er verfolgte den Kontrahenten Pompeius, der sich nach Ägypten abgesetzt hatte, und versuchte zudem die Thronstreitigkeiten zwischen Kleopatra VII. und ihrem Bruder Ptolemaios XIII. beizulegen. Sie war von den mächtigen Beratern ihres Bruders ins Exil gedrängt und nun zurückgekehrt, um Caesar auf ihre Seite zu bringen. In einem Teppich habe sich Kleopatra in Caesars Gemächer schmuggeln lassen, so jedenfalls will es uns der Monumentalfilm mit Elisabeth Taylor glauben machen. Dem Museums-Besucher wird die Illusion einer edlen farbigen Wandteppichbespannung suggeriert. Der griechische Schriftsteller Plutarch berichtet von einem Bettwäschesack. Schon bin ich mittendrin in der Weltgeschichte: Teppich oder Wäschesack? Wir wissen es nicht. Beinahe wirkt es wie ein Witz, dass die Besucherin und der Kurator von denen, die es wissen, beobachtet werden.
Exponate aus acht Ländern von 30 Leihgebern

Mir ist bekannt, dass allenfalls vier zeitgenössische Bildnisse von Kleopatra existieren. Caesars gibt es jede Menge. Eine Kleopatra-Büste, die ich dort gesehen habe, steht in Berlin. Eine weitere in den Vatikanischen Museen. Werde ich ein Bildnis von Kleopatra, das zu ihren Lebzeiten entstanden ist, in Speyer entdecken? Immerhin glänzt die Schau mit den Namen „Caesar und Kleopatra“. Oder will der Titel lediglich Publikumsmagnet sein? Gar so unverblümt äußere ich die Überlegung nicht, bestürme jedoch den Ausstellungsleiter Lars Börner, der mich im Museumsfoyer erwartet. Er lächelt: „Gehen wir hinein!“ Es ist dunkel. Wir flüstern. Die Lichtspots sind exakt auf die Exponate ausgerichtet. Da ist sie. Gegenüber vom Wäschesack: Kleopatra.

Ein Mädchen. Ein kleines Köpfchen aus Marmor. Wo kommt es her? Aus der Schweiz. Die Fondation Gandur pour l’Art, mit Sitz in Genf, ist gegründet als gemeinnützige Organisation, um der Öffentlichkeit Zugang zu deren Sammlungen zu gewähren. Ausstellungsleiter Lars Börner erzählt, dass 15 Leihgaben der Fondation Gandur pour l’Art vor Ort sind, und dass man heutzutage im Sinne der Nachhaltigkeit mehrere Objekte von einem Leihgeber bevorzuge und man Routen bündele, dass weniger Transportfahrten erforderlich werden. Zwei Jahre wurde im Vorfeld gearbeitet, um über 240 Objekte aus acht Ländern von 30 Leihgebern für diese Schau zusammenzuführen. Mittlerweile habe ich verstanden, dass die Schau einen weiten Bogen spannt, vom ptolemäischen Ägypten zur Römischen Republik bis zum Kaiserreich. Obendrein folgt auf Kleopatras kurze Liaison mit dem mehr als 30 Jahre älteren Caesar, eine Affäre mit Marcus Antonius.

„Porträt der jungen Kleopatra VII (?)“ lese ich auf dem Erklärtäfelchen. Warum Fragezeichen? Ich erfahre, dass die Zuschreibungen bei allen hellenistischen Kleopatra-Büsten vielfach umstritten seien. Neben dem Kleopatra-Köpfchen, ein Charakterkopf: Caesar als älterer Mann. Der Porträtkopf aus Marmor, datiert 40 bis 30 v. Chr., zeigt starke Beschädigungen, was seine Wirkung mehr verstärkt als schmälert. Als Fundort nimmt man den Hunerberg bei Nimwegen in den Niederlanden an. Dort befand sich ein Lager der zehnten Legion, die von Caesar gegründet worden war. Caesar, römischer Feldherr, Senator, Konsul. Eine steile Karriere. Am 15. März 44 v. Chr. ermordeten Verschwörer den Diktator auf Lebenszeit. Sie betrachteten ihn als Tyrannen. Die „Iden des März“ stehen seither als Metapher für Unheil.
Wie war die Welt damals aufgeteilt? Landkarten findet man ausreichend, gekreuzte Schwerter markieren Orte vieler Schlachten. Ich wende den Blick ab, und – wohl wissend, dass der Alexandrinische Krieg, die Seeschlachten bei Naulochos sowie Actium für den Lauf der Geschichte von Bedeutung sind – dem Schönen zu. Lars Börner erzählt, dass Besucher Gegenwartsbezüge erkannt haben wollen und mit den Namen „Putin“ oder „Trump“ belegen. Ich blicke auf den Goldschmuck. Mein Gegenwartsbezug: Könnte ein Goldschmied solch filigrane Schmuckstücke fertigen? Die Ohrringe schwerlich, die Schlangenarmbänder, die zeitlos wirken, sicherlich.
War Kleopatra eine Schönheit?

Der Kurator macht auf eine Stele aufmerksam, die der Louvre gesandt hat. Inschrift und Bild passen nicht zueinander. Ein Pharao bringt der weiblichen Gottheit Isis Opfergaben. Der Name „Kleopatra“ ist lesbar, aber: Warum ist sie nicht abgebildet? War die Stele ursprünglich für einen Mann gedacht gewesen? Die Forschung datiert die Kalkstein-Stele auf das erste Regierungsjahr der Kleopatra VII. und betrachtet sie als frühes Zeugnis ihrer Alleinherrschaft, da der Mitregent-Bruder Ptolemaios XIII. keine Erwähnung findet. Die Königin als männlicher Pharao!

War Kleopatra eine Schönheit? Sie hat Münzen prägen lassen. Ihr Abbild mit prägnanter Nase – auch Asterix-Leser kennen sie – und vorstehendem Kinn lässt nicht darauf schließen. Als ich ein Münzbild mit ihrem Vorfahren Ptolemaios I. Soter betrachte, erkenne ich die Familienähnlichkeit. Es kam darauf an, die Herrscherlinie auf diese Weise fortzuführen. Plutarch beschreibt als herausragendes Merkmal nicht Kleopatras Schönheit, sondern die „Überzeugungskraft ihrer Reden“, ihren „Reiz“ und ihren „Charakter“. Das ist eine Beschreibung von Schönheit, meine ich. Darüber hinaus war sie gebildet, sie sprach sieben Sprachen. Der Alexandrinische Hof war ein kulturelles und wissenschaftliches Zentrum. Ägypten war dank des Nils und der Getreideernten reich. Sie war wohl eine kluge, reiche und machtbewusste Strategin.
Interaktive Stationen

Als sich Kleopatra in Rom aufhielt – vermutlich hatte sie Caesars Sohn, den er noch nie gesehen, mitgebracht – beeindruckte sie mit modischen Trends. Bekannt ist ihre Melonenfrisur. Besonders gut erkennbar an der Marmorbüste, die in der Berliner Antikensammlung steht. Aus unterschiedlichen Perspektiven fotografiert, ist sie zweimal im Begleitbuch abgebildet. Das Buch ist ein Prachtband. Fundiertes Wissen wird zusammengeführt, belegt, und über Forschungsprojekte informiert. Der deutsche Kleopatra-Experte Christoph Schäfer kommt zu Wort, in der Ausstellung ist er per Video präsent.
Überraschung: Gegen Ende der Schau erblicke ich eine weitere Kleopatra aus ihrer Zeit. Die Forschung ist bei der Zuschreibung relativ sicher: „Statue Kleopatra VII. Philopator (?)“ Nichtsdestotrotz bleibt ein Fragezeichen für die Pariser Statue.
Die Ausstellungsmacher bieten den Besuchern vielfältige Möglichkeiten in der Annäherung an die Epoche. Die App des Historischen Museums der Pfalz mit der Audio-Tour für Erwachsene und einer eigenen für Kinder, ist vor Ort oder im Anschluss, eine vortreffliche Möglichkeit die Exponate kennenzulernen. In den Ausstellungsräumen kann man sich an den Kapitelüberschriften orientieren. An interaktiven Stationen kann man prüfen, wie viel man bereits gelernt hat, oder, man erkundet das antike Alexandria. Aktivitätsinseln für Kinder sind in die Ausstellung integriert. Ein Vater spielt mit seinen beiden Kindern Schiffe versenken, während ringsherum wertvolle Exponate an die Seeschlacht bei Actium erinnern.
Der Ausgang der Schlacht bei Actium besiegelt das Schicksal von Kleopatra VII. Octavian, Caesars Adoptivsohn, erklärt Kleopatra den Krieg. Marcus Antonius, einstmals Freund und Bundesgenosse Octavians, stürzt sich ins Schwert. Kleopatra stirbt an Gift – mutmaßlich ohne Schlange. Die Dynastie der Ptolemäer geht unter. Ägypten wird römische Provinz.