Die Küche von Tony Moller in der „Neue Mohr’sche Anlage“ in Saarbrücken steht für regionale Klassiker diesseits und jenseits der Grenze. Und das auf einem Niveau, das auch große Namen begeistert.
Tony Moller hat sich in der Saarbrücker Gastro-Szene in den vergangenen Jahren einen Namen gemacht. Ich habe schon häufiger beobachtet, dass es im Restaurant „Neue Mohr’sche Anlage“ mittags keinen Platz mehr für Gäste gab, die nicht reserviert hatten. Dies alles nicht etwa in der Saarbrücker Innenstadt, sondern vor deren Toren, gegenüber des Hauptfriedhofs, ein paar Meter vom Grenzübergang „Goldene Bremm“ entfernt.
Hier treffe ich immer wieder die üblichen Verdächtigen, die ich schon seit Jahren kenne, weil sie wie ich einfach gutes Essen lieben. Wie etwa bei unserm Besuch für FORUM vor ein paar Tagen das Ehepaar Daniela und Gregor Scherer, die in Alt-Saarbrücken das Geschäft „Stempel-Ernst“ betreiben. Oder Marc Schneider, der Sohn des unvergessenen Ernie Schneider, der im Sinne seines Vaters, der mit dem „Becker Turm“ bekannt wurde, heute die „Saar Revue“ macht. Aber auch viele andere, oft aus der Nachbarschaft, aus Wirtschaft, Kultur, Politik und Sport.
Als ich Koch und Betreiber Tony und seine Ehefrau Ia vor einigen Jahren kennenlernte, war mir schnell klar, dass die beiden wissen, was sie wollen. Sie bieten mittags eine deutsch-französische Bistroküche an mit einem herausragenden „Plat du jour“ und abends sowie am Wochenende wird es etwas feiner mit ausgewählten französischen Spezialitäten. Beispielsweise mit Kalbsnieren an Senfsauce oder auch Kalbsleber mit Rotwein-Balsamico-Sauce.
Bei und von großen Köchen gelernt
Tony Moller kocht gern traditionell und klassisch. Gut bürgerlich und bodenständig, Gerichte mit eigener Handschrift aus beiden Ländern. Die Portionen, die er anbietet, sind reichlich. Seine Fonds für die Saucen zieht er selbst. Auch die Kuchen backt er selbst. Und ansonsten gilt hier: essen, trinken, schwätzen. Die Preise und die Qualität der Speisen kommen beim Stammpublikum gut an. Die besondere Grenzsituation des Gasthauses prägt auch die weitere Speisekarte. Ob nun die in Frankreich so beliebten burgundischen Schnecken, Kalbskopf und Froschschenkel auf der Wunschliste stehen oder die deftigen saarländischen „Gefillde“, „Hoorische“ oder Königin-Pastetchen mit Kalb- und Hühnerfleisch – hier wird jeder fündig. Wir entscheiden uns dieses Mal für Stubenküken aus dem Ofen an Rieslingsauce und Tonis Hirschgulasch. Schmeckt richtig toll.
Insgesamt haben sie hier 13 Angestellte, es gibt eine Mittags- und eine Abendschicht. Bei unserem Besuch arbeiten in der Mittagsschicht in der Küche Suk Ratana und Patrick Koczkas, im Service sind neben Ehefrau Ia noch Ana Mklavishuil und Ngo Srey Mao am Start. Hier geht es richtig international zu.
Mollers Werdegang kann sich sehen lassen. So arbeitete er als Koch zuvor etwa in der „Hostellerie de la Pommeraie“ im elsässischen Sélestat, im „Le Cheval Blanc“ in Niedersteinbach auf dem Weg von Wissembourg nach Saarbrücken und bei Charly Jespere im „Café de la Paix“ in Großblittersdorf. Alles Adressen, die bestimmt dem einen oder anderen Feinschmecker ein Begriff sind. Während seiner Kochausbildung in Freyming-Merlebach hieß es, er müsse auch in guten Restaurants arbeiten. Über Vermittlung eines Mitschülers kam er in die „Hostellerie de la Pommeraie“ in Sélestat. Das war Anfang des Jahrtausends, als das Haus sich in jenem Jahr einen Stern erkochte. Das prägt, und das merkt man bei seiner heutigen Küche. Schon bei einigen Besuchen zuvor konnte ich beobachten, wie er etwas kochte, bei dem ich dachte, dass dies keine typische Bistroküche ist, sondern das Rezept aus einem großen Restaurant stammen muss.
Tony Moller erinnert sich an seine Anfangszeit: „Küchenchef war damals Herr Dutouche, er stammte aus der Ardèche. Er selber war einst Lehrling beim berühmten Drei-Sterne-Koch Bernard Loiseau. Am ersten Tag sagte er mir, ich solle ein Regal säubern. Ich habe es abmontiert und stundenlang gesäubert. Das gefiel ihm wohl und er sagte: „Hast du ein neues Regal gekauft?“ – „Nein, aber sechs Stunden am Regal gearbeitet.“ Von diesem Tag an durfte er dem Chef nicht mehr von der Seite weichen und kochte jeden Tag mit ihm Fisch, Fleisch, lernte Fonds ziehen, Demi Glace herstellen – also alles, was die große französische Küche ausmacht. Das hat ihn geprägt.
Saarländische Köche sind hier gern zu Gast
Auch im „Au Cheval Blanc“ in Niedersteinbach bei Familie Zimmer, seit 1924 ein Familienbetrieb, lernte er vieles. Ich war Anfang des Jahrtausends auch mal da und es schmeckte mir dort wirklich sehr gut. Tony Moller kochte dort auch häufiger für den damaligen Bundeskanzler Helmut Kohl. „Zwei- oder dreimal pro Jahr kam Helmut Kohl. Mein Chef sagte irgendwann, ich solle heute für ihn kochen. Es war ein Sonntag, und ich kochte ihm eine Quiche Lorraine mit Salat, Hirschfilet mit Ananas karamellisiert sowie Spätzle und Rotkraut mit Maronensauce und drei Mousses: schwarz, weiß und mit Milch“, erzählt er. Danach sei der Bundeskanzler in die Küche gekommen, habe sich bedankt und Tony 500 Euro in die Hand gedrückt. Und er sagte ihm, er solle seinen Weg als Koch weitergehen.
Unvergesslich bleibt ihm auch die Zeit im „Café de la Paix“ in Großblittersdorf. Noch heute ist er ganz beeindruckt von Charly Jespere, dem Vater des heutigen Betreibers: „Bei Charly habe ich wirklich viel gelernt. Ich schätze diesen Mann sehr hoch, denn er stand 40 Jahre in der Küche und schmiss den Laden mit einem Spüler allein. Hut ab.“ In den vergangenen Monaten bin ich von vielen Gästen immer wieder gefragt worden, warum Tony so gut kochen könne. Das ist die Erklärung.
Zufrieden nach dem Essen gingen hier auch schon Alexander Kunz, Anne und Wolfgang Quack sowie Stéphanie und Cliff Hämmerle wieder raus. Oder der beliebte und von vielen Saarländern hochgeschätzte lothringische Koch Alain Freymann mit Familie.
Ein Weltstar zu Besuch in Saarbrücken
Die Weinkarte hier ist noch nicht fertig, daran wird permanent gearbeitet. Zu den Stammgästen des Hauses zählt auch Dirk Mast, Weinhändler von WeinBridge in Saarbrücken. Wenn es die Zeit erlaubt, macht er mit einigen Stammgästen und Tony gern auch mal eine Weinprobe. Was die Gäste mögen, kommt hier auf die Weinkarte. Und die Karte soll noch regionaler werden, Spitzenweine der Moselle etwa sollen noch auf die Karte. Und auch Weine von der Obermosel und der Saar. Kommt Zeit, kommt Wein. Ich finde hier immer etwas. Meine Favoriten sind ein Auxerrois vom Weingut Schmitt-Weber aus Perl, ein Camas von der Viogniertraube oder eine rote Cuvée aus Malbec, Syrah, Braucol, Grenache, Negrette, Carignan und Mourvéde namens Sang mélé.
Die Geschichte von der „Neuen Mohr’sche Anlage“ wäre allerdings heute nicht zu Ende erzählt, ohne über den Besuch von Weltstar Patricia Kaas vor einigen Wochen zu berichten. Ich war zufällig zugegen und kann es bestätigen! Tony Moller erzählt: „Es kamen vier Personen an Tisch acht. Und da ich selber aus Stiring-Wendel stamme, dachte ich, ich kenne die Frau. Das ist doch die Schwester von Patricia Kaas. Ich war mir aber nicht sicher.“ Er ging zum Tisch und fragte. Die junge Frau antwortete: „Nein, ich bin nicht die Schwester, ich bin Patricia Kaas!“ Sie war tatsächlich schwer zu erkennen, denn sie hatte längere Haare als auf den CD-Covern. Sie war auf Heimatbesuch bei der Familie und diese führte sie in die „Neue Mohr’sche Anlage“. Gegessen hat sie übrigens Schweinebäckchen mit Spätzle und Rotkraut. Ein Foto wurde auch noch gemacht. Mal gespannt, wo das einen Ehrenplatz im Restaurant findet. Bei einem meiner nächsten Besuche werde ich ganz sicher nachschauen.