Sie galt als Pfeiler britischer Tradition und hatte sich die Liebe ihrer Untertanen vor allem durch ihre Arbeitsmoral und ihr Durchhaltevermögen gesichert. Selbst in den letzten Monaten ihres Lebens versuchte sie ihre königlichen Verpflichtungen so weit wie möglich zu erfüllen.
Die Planungen für das 70. Thronjubiläum, das schon aus Wettergründen traditionell wieder im Juni statt im schmuddeligen Februar abgehalten werden sollte, wurden in den ersten Monaten des Jahres 2022 durch die wachsende Sorge der gesamten britischen Nation um den Gesundheitszustand der allseits beliebten und hochverehrten Queen Elizabeth überschattet. Schon seit Beginn der Corona-Krise hatte sich die Monarchin nur noch selten im Buckingham-Palast aufgehalten, sondern stattdessen Schloss Windsor zur präferierten königlichen Residenz und zur Zentrale ihres Homeoffices auserkoren. Bis zum Spätsommer des Jahres 2021 hatte die scheinbar nimmermüde und trotz ihrer 95 Lenze rüstige sowie geistig fitte Monarchin noch weitaus mehr offizielle Termine absolviert, als es für ihr durch den Tod ihres Ehemanns Prinz Philip angeschlagenes Allgemeinbefinden gut sein konnte.
Von daher hatte die Nachricht, dass die Queen nach der Streichung einer Reise nach Nordirland die Nacht auf Donnerstag, den 21. Oktober 2021, in einem Krankenhaus hatte verbringen müssen, in Großbritannien für große Beunruhigung gesorgt, auch wenn der Vorfall sogleich als reine medizinische Routine-Untersuchung abgewiegelt wurde. Danach ließ die Queen aber ihre Teilnahme an einer ganzen Reihe von Veranstaltungen absagen – beispielsweise der Weltklimakonferenz in Glasgow, wo sie die Eröffnungsrede halten sollte. Sie trat nur noch ganz selten in der Öffentlichkeit auf, wobei sie sich meist auf einem bis dahin von ihr nie benutzten Gehstock abstützte.
Ein gesundheitlich erzwungener Rückzug der Queen auf Raten begann sich abzuzeichnen, in dessen weiterem Verlauf die jüngeren Royals immer mehr Termine in Vertretung der Königin übernahmen, der im November 2021 eine Rückenverstauchung zu schaffen machte. Eine Abdankung, wie sie etwa die niederländische Königin Beatrix 2013 vollzogen hatte, stand für die Queen allerdings nie zur Debatte. Immer wieder führte sie den Hinweis auf ihren Inthronisierungs-Eid aus dem Jahr 1953 ins Feld, in dem sie den Dienst an der Nation bis zu ihrem Ableben als persönliche Verpflichtung geschworen hatte.
Mitte Februar 2022 wurde bei der Queen eine Corona-Infektion diagnostiziert, die aber laut dem Palast-Bulletin nur einen milden Verlauf genommen hatte. Dieses Statement sollte von der Königin wenig später höchstpersönlich dementiert werden. Die Krankheit habe sie doch sehr mitgenommen, sie habe sich vor allem müde und erschöpft gefühlt. Als Zeichen ihrer Genesung nahm die Queen am 29. März am ersten Gedenkgottesdienst für Prinz Philip in der Londoner Westminster Abbey teil. Es war ihr erster öffentlicher Auftritt seit Monaten, wobei sie sich ganz ostentativ von ihrem unter Missbrauchsvorwürfen stehenden Sohn Prinz Andrew an ihren Platz geleiten ließ.
Überraschenderweise fehlte die Queen dann aber beim traditionellen Gründonnerstags-Gottesdienst, der am 14. April in der St.-Georgs-Kapelle auf Schloss Windsor abgehalten wurde. Eine Erklärung dafür könnte der Überraschungsbesuch ihres Enkels Harry mit Ehefrau Meghan gewesen sein, die am gleichen Tag auf Schloss Windsor zum Teetrinken vorbeigeschaut hatten. Harry teilte US-Fernsehsendern mit, dass er seine Großmutter in bester Verfassung vorgefunden habe: „Es war toll, sie wiederzusehen und mit ihr zu scherzen."
Eine vorzeitige Abdankung stand nie zur Debatte
Ihren 96. Geburtstag am 21. April beging die Queen wie gewohnt in kleinstem Kreise, wobei sie ihre Besucher auf ihrem Landsitz Sandringham House empfing. Genauer gesagt: in einem abgelegenen idyllischen Cottage namens „Wood Farm", wo sich Prinz Philip in seinen letzten Lebensjahren am liebsten aufgehalten hatte. Für die Öffentlichkeit ließ sie ein Bild mit zwei ihrer schneeweißen Lieblings-Ponys posten. In London und Windsor wurde ihr von Militärkapellen ein Geburtstagsständchen gehalten, im Londoner Hyde Park donnerten die Kanonen mit Salutschüssen.
Ein geradezu historischer Einschnitt war der Verzicht der Queen auf die Eröffnung der Sitzungsperiode des britischen Parlaments am 10. Mai. Anstelle seiner Mutter verlas Prinz Charles die von Premier Boris Johnson ausgearbeitete Regierungserklärung und übernahm daher mit Blick auf seine künftige Rolle als König – die laut dem Boulevardblatt „The Sun" – „wichtigste Pflicht des Staatsoberhaupts". In einer Stellungnahme des Buckingham-Palasts wurde die Absenz der Königin mit „Mobilitätsproblemen" begründet, wobei die Queen ihre Entscheidung nur „widerwillig" getroffen habe. Zuvor hatte die Monarchin nur zweimal in ihrer langen Amtszeit, nämlich 1959 und 1963 wegen ihrer Schwangerschaften mit Prinz Andrew und Prinz Edward, auf ihr Vorrecht zur Parlamentseröffnung verzichten müssen.
Von daher war es keine größere Überraschung, dass die Queen wenige Tage später auch nicht an den traditionellen Gartenpartys rund um den Buckingham-Palast teilnehmen konnte, bei denen sie in farbenfrohen Outfits mit den geladenen Gästen zu plaudern pflegte. Mit Spannung wurde deshalb erwartet, ob und wie oft sie an den viertägigen Feiern zu ihrem 70-jährigen Thronjubiläum vom 2. bis 5. Juni beteiligt sein würde. Um Kraft für die Festivitäten zu tanken, hatte sich die Queen vorab auf ihre Sommerresidenz nach Schloss Balmoral in Schottland zurückgezogen. Paraden, Konzerte und ein Gottesdienst zum Platinjubiläum versprachen jede Menge Anstrengung für die Monarchin, die sich letztlich nur – im Rahmen der seit 1748 für das britische Staatsoberhaupt abgehaltenen Militär-Geburtstagsparade „Trooping the Color" – zweimal ganz kurz auf dem Balkon des Buckingham-Palasts blicken ließ, in einem taubenblauen Kleid und unter brausendem Jubel einer riesigen Zuschauermenge.
Die übrigen Programmpunkte des Festes für das nach dem französischen Sonnenkönig Ludwig XIV. dienstälteste Staatsoberhaupt der europäischen Geschichte gingen ohne die Teilnahme der Queen über die Bühne, beispielsweise ein Pop-Konzert vor dem Palast mit Mega-Stars wie Diana Ross, Rod Stewart, Duran Duran, Alicia Keys und Andrea Bocelli, eine bombastische Flugschau oder unzählige festliche Picknicks unter freiem Himmel. Nicht einmal beim „Dankesgottesdienst für die Herrschaft der Queen" in der St.-Paul’s-Kathedrale konnte die Monarchin die Huldigungen persönlich entgegennehmen.
Unmittelbar nach den Festivitäten kehrte die Queen nach Schloss Balmoral zurück, jenes Anwesen, das die Oberhäupter der königlichen Familie schon seit den Zeiten von Queen Victoria (1819–1901) als Sommerresidenz zu nutzen pflegten, normalerweise allerdings nur ab Mitte Juli bis Ende September. Aber die schottische Residenz galt schon immer neben Schloss Windsor als Lieblingswohnsitz von Queen Elizabeth II., weil sie dort ein hohes Maß an Privatsphäre genoss und mit den Highlands viele Erinnerungen an glückliche Zeiten verband. Dass die Queen aber nicht einmal zur offiziellen Ernennung der neuen Premierministerin Liz Truss nach London zur traditionellen Zeremonie in den Buckingham Palast zurückkehrte, sondern die neue Regierungschefin (das 15. Regierungsoberhaupt in der langen Amtszeit der Königin) sich am 6. September 2022 selbst nach Schloss Balmoral begeben musste, nährte neuerliche große Bedenken bezüglich des Gesundheitszustandes der Queen; auch wenn ein Pressefoto, das die Queen lächelnd im Schottenkaro-Rock und auf ihren Gehstock gestützt an der Seite der konservativen Politikerin gezeigt hatte, offenbar das britische Volk beruhigen sollte.
Beigesetzt neben Schwester und Gatte
Doch innerhalb der folgenden zwei Tage ging es der Queen immer schlechter. Am Morgen des 8. Septembers 2022 wurde eine Mitteilung des Königshauses verbreitet, wonach sich die behandelnden Ärzte „besorgt" über den Gesundheitszustand der Monarchin geäußert hatten. Der Ernst der Lage wurde offensichtlich, als im Laufe des Tages Meldungen über das Eintreffen der engsten Verwandten der Queen auf Schloss Balmoral in den weltweiten Medien die Runde machten. Am Abend wurde die Nachricht vom Tod der am Nachmittag „friedlich" verstorbenen Queen Elizabeth II. über die britischen Sender in Verbindung mit der Nationalhymne „God save the Queen" verkündet.
Damit wurde das von der Königin selbst minutiös bis hin zu Musikwünschen geplante und teilweise auch schon erprobte Beisetzungs-Prozedere in Gang gesetzt. Wobei es selbstverständlich war, dass der Königin mit einem der größten Staatsbegräbnisse der britischen Geschichte die letzte Ehre erwiesen wurde. Höhepunkte der in Großbritannien angeordneten zehntägigen Staatstrauer waren der Staatsakt in Westminster Abbey am 19. September, wo sich vor den Augen von Milliarden von TV-Zuschauern 2.000 hochrangige Gäste aus aller Welt eingefunden hatten, die anschließende, ebenfalls vom Fernsehen live übertragene Prozession nach Schloss Windsor, der Beerdigungsgottesdienst in der dortigen St. George’s Chapel sowie schließlich das Hinablassen des Sarges unter Ausschluss der Öffentlichkeit in der königlichen Gruft der St.-Georg-VI.-Gedächtniskapelle. Dort ruht Elizabeth II. nun an der Seite der sterblichen Überreste ihrer Eltern, ihrer Schwester Margaret und ihres Ehemanns Prinz Philip.