Der Dom von Roskilde gehört zum Unesco-Weltkulturerbe und ist ein Muss für Besucher. Darüber hinaus entführen die dänische Stadt und das Umland auch in die spannende Welt der Wikinger.
Fjordlandet“ auf der dänischen Insel Seeland – das klingt nach Erholung, und schon der Blick auf den friedlichen Roskilde-Fjord sorgt für Entspannung. Sportliche Dänen baden auch im Winter im sauberen Fjordwasser und besonders gern an Roskildes Veddelev-Strand nahe dem dortigen Campingplatz. Vielleicht wärmen sich einige anschließend in einem der nahen Reetdachhäuser wieder auf. Diese schönen Häuser sind im Fjordlandet noch ziemlich verbreitet. Andererseits reichen die Spuren der Besiedelung bis in die Steinzeit zurück. Die Wikinger, die einst am Roskilde Fjord sesshaft wurden, sind besonders präsent.
Die meisten Besucher widmen sich jedoch zunächst der schönen Stadt Roskilde und ihrem gotischen Dom, der Domkirke genannt wird. Das erhabene Gotteshaus, errichtet aus angeblich 2,5 Millionen Backsteinen, wurde um 1280 fertiggestellt und ist die erste Backsteinkirche Skandinaviens.
Dänemarks Geschichte im Dom
Bis zur Reformation (1538) war dieser Dom auch Seelands katholische Bischofskirche. Insgesamt verkörpert er nun 800 Jahre Geschichte und gehört seit 1995 zum Unesco-Weltkulturerbe. Wer in den Dom hinein möchte, muss sich mitunter gedulden. Vor allem an Wochenenden geben sich die Brautpaare die Klinke in die Hand. Erst nach den Gottesdiensten und Trauungen wird eine kleine Pforte für die Schaulustigen geöffnet. Staunend gehen dann alle durch das Gotteshaus bis zum Hochaltar, den ein Retabel aus Amsterdam schmückt, der Jesu Leben schildert. Doch bald eilen die meisten weiter in die Anbauten, um die Sarkophage von bisher 40 Regenten zu sehen. Dort ruht seit dem 15. Jahrhundert Dänemarks Geschichte und macht diesen Dom zur wichtigsten Kirche des Landes.
Besonders bewundert wird der Sarkophag von Margrethe I (1353–1412), auf dem sie liegend als junge Frau abgebildet ist. Dieser Grablege-Brauch wird bis heute fortgesetzt. Von 2003 bis 2018 hat der Bildhauer Bjørn Nørgaard bereits an dem „Sarkofag“ gearbeitet, in dem die jetzige Königin Margrethe II (geboren 1940) ruhen wird. Rund 3,9 Millionen Euro soll er gekostet haben. Er steht bereits in der St. Birgitta-Kapelle, kann aber nicht besichtigt werden.
Nach all diesen Eindrücken lockt das nur wenige Schritte entfernte „Café Korn“, vor dem noch viele Menschen die Herbstsonne genießen. Dass auf der Treppe daneben ein weißes Skelett sitzt, stört niemanden. Diese Treppe am erhaltenen Turm der zerstörten St. Laurentiuskirche führt in ein kleines Büro, in dem unter anderem die Tickets für den Besuch der einstigen, tiefer gelegenen Kirche verkauft werden. Met nach Wikingerart gibt es dort ebenfalls und eignet sich vielleicht als Mutmacher, ist doch im Untergeschoss außer Mauer- und Altarresten auch ein echtes Skelett zu sehen.
Schlanke Menschen winden sich noch auf der engen Wendeltreppe empor, um oben vom Turm auf den Marktplatz und den Dom zu schauen. Der wurde über einem Vorgänger-Bau errichtet, den wahrscheinlich Harald Blauzahn (911–987), der tatkräftige und 970 getaufte Wikinger-König errichtet hatte. Beweise dafür gibt es keine und auch nicht für die Hypothese, dass der – in der verlorenen Schlacht gegen seinen aufständischen Sohn Sven – schwer verwundete König in der nicht mehr vorhandenen Kirche seine letzte Ruhe fand. Polnische Forscher meinen sogar, der verwundete König Blauzahn sei über die Grenze auf polnisches Gebiet geflohen und dort müsste auch sein Grab sein.
Nach all diesen Vermutungen nun zur Realität, führt doch ein Weg von Roskildes Domkirke direkt hinunter zum Wikingerschiffsmuseum, das 1969 am Fjord errichtet wurde.
Anlass waren fünf Wikingerschiffe, die 1962 bei Skuldelev im Roskilde-Fjord entdeckt und gehoben wurden. Da Feinde von der Nordsee her übers Kattegatt und den Fjord Roskilde erreichen konnten, hatte man die mit Steinen beschwerten Schiffe in der Hauptfahrrinne versenkt, um die Stadt vor Eindringlingen zu schützen. Nun sind die restaurierten Relikte dieser Schiffe in einer Halle aufgereiht und genau beschriftet.
Ein sagenhaftes Königsgeschlecht
Der Star ist jedoch draußen zu finden und hat Wasser unterm Kiel. Es ist das nachgebaute 30 Meter lange Kriegsschiff „Seehengst von Glendalough“, auf dem 80 Krieger Platz hatten. Das Original muss tatsächlich über die Wellen galoppiert sein und die Bewohner der angesteuerten Orte in Angst und Schrecken versetzt haben. Nun tummeln sich nur noch die Besucher auf dem schicken Wellenreiter.
In Holzbauten an Land können Eltern und Kinder Spielzeugboote und Ähnliches basteln oder in einem abgegrenzten Stück auf dem Fjord herumfahren. Schließlich landen Große und Kleine gern im „Café Knarr“ nahe der Werft und abends noch lieber bei Speis und Trank auf der „M/S Sagafjord“, die auf dem Fjord kreist. Eine sehr beliebte Tour.
Doch niemand sollte das rund zehn Kilometer von Roskilde entfernte Sagenland Lejre versäumen. Bevor die Wikinger nach Roskilde zogen, hatten sie sich dort niedergelassen. Funde nahe dem Dorf Alt-Lejre (Gammel Lejre) lassen erkennen, dass der Ort und seine Umgebung ein Zentrum der Macht war, und zwar 500 Jahre lang und schon zur Eisenzeit.
Denn dort lebte das sagenhafte Königsgeschlecht der Skjoldungerne (Schildjungen), nach denen heute der Nationalpark benannt ist. Auch Gräber sowie Schiffssetzungen wurden gefunden, mit denen die Wikinger Gräber markiert hatten. In den letzten drei Jahrzehnten häuften sich die Ausgrabungen.
Als schließlich im Jahr 2009 die Relikte einer riesigen Königsburg (kongehal) entdeckt wurden, machten Archäologen und Architekten mobil. Nach intensiven Forschungen hat man auf einem Hügel nahe Alt-Lejre eine neue Königshalle errichtet, die größte Dänemarks!
Insgesamt 1.000 Tonnen Eichenholz haben Spezialisten bei der originalgetreuen Rekonstruktion verbaut. Die gesamte Halle mit über 600 Quadratmetern Grundfläche ist ein Beispiel für die staunenswerte Handwerkskunst und Architektur der Wikinger, die nur einfache Werkzeuge besaßen. Eröffnet wurde die neue Königshalle am 17. Juni 2020 durch die Königin Margrethe II.
Die Eröffnung fiel mitten in die Pandemie-Zeit, doch die erheblichen Schutzmaßnahmen, die man getroffen hatte, überzeugten die Regierung, und die Besucher kamen in Scharen in diesen historischen Erlebnispark. Das Programm, das auch die Steinzeit umfasst, wird von Archäologen verantwortet.
Nun können drinnen die Kinder einige stumpfe Waffen in die Hände nehmen und sich einen eisernen Wikingerhelm auf den Kopf setzen. Der ist richtig schwer, und nur Menschen mit kräftigen Hals- und Nackenmuskeln können ihn längere Zeit tragen. Die Wikinger, außerdem noch mit Schutzpanzern versehen, müssen starke Krieger gewesen sein.
Ein alter Wikingerschatz
Eine junge Künstlerin spielt und singt gerade alte Lieder, ein guter Kontrast. Sie heißt Idun, was Göttin der Jugend bedeutet. Schöner kann der Besuch dieser Königshalle kaum enden.
Von dort oben führt nun ein Pfad zuerst durch den Wald und danach durch die Felder hinunter zum Lejre Museum. Das hütet Dänemarks größten Silberschatz „Mannerupskatten“ und eine unweit vom Museum entdeckte winzige Odin-Figur, ein Abbild des gleichnamigen germanischen Gottes. Auf einem Bildschirm ist die Gestalt vergrößert zu sehen.
Nun aber schnell zum Bus, der zur Herslev Kirke fährt. Von dort sind es nur noch rund fünf Minuten zum „Herslev Bryghus“, einem Brauhaus, das Bier aus Gerstenmalz vom eigenen Feld braut und einige Sorten mit Früchten aromatisiert. Mehr Bio geht nicht.
Zurück in Roskilde lockt am nächsten Tag noch das „Ragnarock“, ein interaktives Museum für Pop, Rock und Jugendkultur mit Musik von den 1950er-Jahren bis heute in einem Bau mit güldener Fassade. Die Beatles sind auch mit dabei. Man kann hier den Rock auffrischen, Hip Hop und Rave tanzen oder ein Lied aufnehmen. Drinnen gibt es auch ein gutes Café. Im Jahr 2022 kamen rund 83.000 Besucher. Im Sommer ist es der Mittelpunkt des Roskilde Festivals, zu dem die Fans von weither anreisen.