Das „Kink“ ist Bar und Restaurant in einem. Gelegen im Industriedenkmal Pfefferberg, besticht es nicht nur durch sein beeindruckendes Ambiente, sondern auch durch erlesene, kreative Speisen samt passendem Getränke-Pairing.
Imposant – das ist das erste Wort, das mir einfällt, als ich das „Kink“ betrete. Die Location in Prenzlauer Berg wurde mir vor längerer Zeit von einem Kellner empfohlen, der früher mal dort arbeitete. „Es ist wirklich beeindruckend dort“, meinte er damals, als er mir den Latte Macchiato zu unserem Frühstück servierte. Das ist nun fast eineinhalb Jahre her. Doch endlich bin ich seinem Rat gefolgt und stehe in den Räumlichkeiten an der Schönhauser Allee 176. Ich befinde mich im Herzstück des „Kink“ – ein Gastraum, der eine nahezu sakrale Atmosphäre verströmt, ist er doch nur punktuell beleuchtet und beinahe so hoch und so groß wie eine alte Kathedrale.
Labor hinter Glas zum Zuschauen
Im Zentrum steht die große Bar und darüber schwebt eine sich wie mehrere Lassos schlingende und in eleganten Kurven tanzende Lichtinstallation. Geschaffen wurde das Werk vom Schweizer Künstler Kerim Seiler. Anscheinend hat der Lichtkünstler den Restaurantnamen visuell umgesetzt. Schließlich bedeutet der englische Begriff „Kink“ auf Deutsch so viel wie „Knick“, „Knoten“ oder“ „Welle“. Für das kommunikative Miteinander sorgen ein paar kleinere Buchten mit Tischen und Barhockern – direkt an der Bar. Dort kann man seiner jeweiligen Begleitung entspannt gegenübersitzen und gleichzeitig Bar-Feeling spüren. Natürlich gibt es auch die üblichen Barplätze direkt vor dem Tresen. Wer mag, kann sich auch auf einem der bequemen Sofas auf dem Podest niederlassen. Oder man sitzt – wie wir an diesem Abend – noch erhöhter auf der verglasten Galerie und kann das Geschehen rund um die Bar von oben aus betrachten.
Bevor wir zum kulinarischen Teil des Abends kommen, nimmt der Mitbegründer Oliver Mansaray unserer kleines Tester-Team noch mit auf einen Rundgang durch das 400 Quadratmeter große Lokal. Gleich neben der Bar befindet sich das Labor – hinter Glas einsehbar für neugierige Blicke. „Hier stellen wir eigene Destillate und Pre-Batchings her. Wir zentrifugieren, dehydrieren, infundieren und destillieren“, erläutert der Gastronom nicht ohne Stolz und zeigt auf den Rotationsverdampfer. Die Produkte aus dem alchemistischen Laboratorium klingen ungewöhnlich: „Damit haben wir zum Beispiel einen Erdnussbutter-Whiskey produziert oder im Frühling einen eigenen Spargel-Gin.“
Weiter geht es in einen Private Room, der für circa 36 Personen ausgerichtet ist und über eine eigene, kleine Bar verfügt. Hier fällt mein Augenmerk wieder auf die Kunstwerke, wie etwa ein rundes, verspieltes Glaskunstfenster. „Das erinnert an ein Kirchenfenster“, findet Oliver Mansaray und erzählt uns ein wenig von der Geschichte des Areals, auf dem sein Restaurant gelegen ist. „Der Pfefferberg ist die zweitälteste Brauerei“, sagt der Gastronom. Allerdings wird auf dem Gelände zwischen Schönhauser Allee und Teutoburger Platz schon lange kein Bier mehr gebraut. Die Anfänge des Pfefferbergs reichen indes bis in das 19. Jahrhundert zurück. Damals erstand Joseph Pfeffer ein unbebautes Grundstück vor den Toren Berlins. Dort errichtete der bayerische Braumeister eine Brauerei untergäriger Brauart, die erste ihrer Art in Berlins nördlicher Vorstadt. 1844 schließlich eröffnete er das „Bierzapfungslokal der neuen Bayerischen Bier-Brauerei Schönhauser Allee 176“. Die Brauerei wechselte danach ein paarmal den Besitzer, und eine vielseitige Geschichte durchzog das Areal. So beherbergte das heutige Industriedenkmal unter anderem eine Schokoladen- und Brotfabrik. Und zu DDR-Zeiten wurde auf dem Gelände die Tageszeitung „Neues Deutschland“ gedruckt.
„Kink“ war 2020 bester Newcomer
Nachdem das Pfefferberg-Areal jahrelang dem Verfall ausgesetzt war, setzte sich ab 1990 eine Bürgerinitiative für seine kulturelle und soziale Nutzung ein. Mit Erfolg: Das Gelände wurde saniert und neu belebt. Seitdem fanden dort ein Hostel, ein Museum und ein Theater ebenso ihren Platz wie Gastronomen, Werbetreibende, Architekten und Künstler. Der dänische Künstler Ólafur Elíasson hat auf dem Pfefferberg sein Berliner Atelier, und auch der chinesische Exil-Künstler Ai Weiwei arbeitete früher in Räumen auf dem ehemaligen Brauereigelände, bevor er weiter nach Portugal zog.
In den Räumlichkeiten, die wir heute besuchen, befand sich bis zum Jahr 2019 das spanische Restaurant „Tauro“ unter der Leitung von Gerd Spitzer. Dann übernahmen die langjährigen Freunde Daniel Scheppan und Oliver Mansaray das Lokal. Die gelernten Tischler gestalteten dabei so einiges um, ließen dabei auch Treppen umbauen und neue Wände ziehen, bevor ihre Location Ende 2019 eröffnet werden konnte. „Dabei geschah vieles auch in Eigenregie“, erinnert sich Oliver Mansaray. Der aus München stammende Entrepreneur hatte zunächst in London Innenarchitektur studiert, später im Berliner „Berghain“ gekellnert und danach im „Katz Orange“ als Restaurantleiter gearbeitet hat. Seit der Eröffnung kurz vor den schwierigen Corona-Jahren fand das neue Lokal in der gastronomischen Szene Anklang: So wurde das „Kink“ von den Berliner Meisterköchen 2020 als bester „Newcomer“ und im folgenden Jahr als bestes „Szene-Restaurant“ ausgezeichnet.
Nach dem Rundgang nehmen wir oben auf der Galerie Platz. Während wir auf die Speisen warten, kosten wir schon einmal von der hausgemachten Kombu-Zitronen-Butter und dem leckeren Sauerteigbrot, das von der nachhaltigen „Frea“-Bakery angeliefert wird. Dann trudeln die ersten Kompositionen von Küchenchef Ivano Pinerolo ein. Die Vorspeisen erweisen sich schon einmal als wahre Delikatessen. Von dem schneckenförmig gerollten, knackigen Kohlrabi in Haselnussschaum mit Holunderblüten könnte ich gleich noch mehr naschen. Die Kombination aus salzig, säuerlich und süß ist hier perfekt gelungen. Auch beim Hamachi Crudo an Blumenkohl und Rettich beweist der neapolitanische Koch ein gelungenes Austarieren von salzig und säuerlich-fruchtig. Fruchtig und mit einer leichten Holznote kommt auch der 2022er Riesling von Jakob Kühn aus dem Rheingau daher, der einer unserer Getränke-Pairings an diesem Abend sein soll.
Fulminantes Dessert-Finale
Bei den Hauptgerichten geben selbst die kulinarischen Nebendarsteller ihr Bestes: Das Kartoffelgratin ist nicht nur absolut deliziös, sondern überzeugt auch als Gaumenschmeichler mit seinen hauchdünnen, Mille-feuille-artigen Kartoffelscheiben mit einer cremig-schmelzenden Soße aus Parmesankäse und Herbsttrüffeln. Meine Begleiterin und ich sind absolut hingerissen. Auch die kulinarischen Protagonisten kommen gut an: So etwa der mit Harissa scharf angebratene Oktopus oder das Rote-Bete-Risotto mit in Asche gewälztem Ziegenkäse (Berliner Brikett). Der Geschmack des lila leuchtenden Reisgerichts bringt vor allem den begleitenden Fotografen ins Schwärmen – obwohl er ansonsten gar kein Fan dieser Rübenart ist. Wer es lieber ganz pflanzlich mag, kann die Risotto-Kreation auch vegan mit Cashew-Creme anstatt Ziegenkäse genießen.
Dass uns aber bei so vielen Köstlichkeiten der Höhepunkt des Abends beim Nachtisch begegnet, hätten wir alle drei nicht erwartet: Vor uns steht ein Schälchen Zichorienwurzel-Eiscreme, die uns „wie ein schöner Waldspaziergang“ beschrieben wird. Dem äußeren Anschein nach hält man das Ganze für eine Schokoladencreme. Doch die Kreation schmeckt nur ein wenig schokoladig. Vielmehr entfacht sich eine ganzes Portfolio an Geschmacksnoten auf Zunge und Gaumen. Zur dezenten Süße kommen noch malzige, salzige und erdige Nuancen hinzu. Kein Wunder: Schließlich sind außer Schokolade und Zichorienwurzel auch noch Pastinake, Steinpilz und ein Destillat von schwarzer Walnuss mit im Spiel. Den ultimativen Gaumenkitzel entfacht die Eiscreme-Kreation aber in Kombination mit dem uns dazu empfohlenen Pairing: Cascara und Rote Bete. Hinter dem Namen verbirgt sich eine Kreation aus PX Sherry, Wermut aus Kaffeekirsche und dem Saft der roten Rübe. Bravo, was für ein fulminantes Finale!