Verglichen mit anderen Stadtstaaten ist Berlin führend in puncto Standortfaktoren. Stefan Schröter, Geschäftsführer der IT-Firma ODS und Landesvorsitzender der Familienunternehmer, über die Herausforderungen für Unternehmen in der Kapitale.
Herr Schröter, in der ZEW-Studie sind Berlin, Bremen und Hamburg miteinander verglichen worden: Berlin liegt auf Platz eins. Wie gut ist die deutsche Hauptstadt aus Ihrer Sicht für Familienunternehmer aufgestellt?
Das freut uns natürlich als Berliner, weil wir oft gescholten wurden. Das Land lacht ein Stück weit über Berlin, über den BER und solche Katastrophen. Insofern ist das schön, dass wir dort den ersten Platz belegt haben. Gleichwohl ist nicht alles Gold, was glänzt. Dazu gehört auch, dass wir in Berlin eine ganze Reihe an ungelösten Aufgaben haben, zum Beispiel die Verwaltung. Obwohl diese in der Studie gut bewertet wurde, denken wir, dass die Berliner Verwaltung noch erhebliche Potenziale hat, gerade für Unternehmerinnen und Unternehmer besser, also digitaler zu werden. Was die Stadt total ausbremst, ist auch das Kompetenzwirrwarr zwischen dem Senat und den Bezirken. Ich habe von Mitgliedsunternehmen des Verbandes gehört, dass zum Beispiel Baugenehmigungen oder Genehmigungen im Rahmen der Straßennutzungsverordnungen in Pankow zwei Wochen, in Köpenick sechs Wochen und in Charlottenburg acht Wochen dauern. Das sind Zustände, die total behindern. Wir wünschen uns eine Verwaltungsreform, die einfachere, schnellere und klarere Prozesse ermöglicht.
Gibt es noch etwas, was Berlin besser machen könnte?
Das Thema Verkehr ist für uns ganz wichtig, denn in Berlin haben wir neben dem Güterverkehr auch den Pendel- und Berufsverkehr als zentralen Faktor. Deshalb wünschen wir uns neben guten Rahmenbedingungen für einen reibungslosen Wirtschaftsverkehr vor allem einen attraktiven, funktionierenden öffentlichen Personennahverkehr. Daneben ist für uns Familienunternehmer der Fachkräftemangel ein zentrales Problem. Mittlerweile sprechen wir hier schon von einem allgemeinen Arbeitskräftemangel. Bei den Fachkräften ist es aber noch mal dramatischer. Deshalb tut uns die vergleichsweise hohe Berliner Schulabbrecherquote besonders weh. Jeder junge Mensch, der ohne Abschluss von der Schule geht, ist ein Verlust für die Gesellschaft. Da können wir von der Politik nur fordern, dass dort wirklich alles getan wird, damit die Berliner Schülerinnen und Schüler auch eine gute Ausbildung genießen können. Hier müssen die Rahmenbedingungen weiter verbessert werden. Also digitale Schulen, die Technik, die Bausubstanz und die Ausstattung. Auch die Lehrer müssen fit gemacht werden, damit sich digitaler Unterricht nicht darauf beschränkt, per E-Mail Hausaufgabenzettel zu verschicken.
Wie zufrieden sind Sie mit der derzeitigen Berliner Kommunalpolitik aus Unternehmersicht?
Der rot-rot-grüne Senat muss aufpassen, dass er nicht in eine staatsdirigistische Welt zurückfällt. Etwa beim für uns alle wichtigen Thema Wohnen. Es ist schwierig, wenn wir als Unternehmen wachsen wollen, aber keine Mitarbeiter finden, weil die in Berlin keine Wohnung bekommen und dann irgendwo im Umland wohnen müssen. Hier plädieren wir dafür, nicht auf Rezepte zurückzugreifen, die sich in der Zeit bis 1989 im Ostteil der Stadt schon nicht bewährt haben. Enteignung von Wohnungsunternehmen etwa ist eine schwierige Sache. Damit schreckt man auch Investoren ab. Wenn man Geld in die Hand nimmt, um Wohnungskonzerne und große Wohnungsunternehmen zu enteignen, entsteht nicht eine Wohnung mehr. Man sollte das Geld lieber nehmen, um den Neubau anzukurbeln. Das ist aus unserer Sicht eine ganz einfache Logik. Die Stadt ist attraktiv. Es ziehen netto immer noch mehr Menschen nach Berlin als weg. Dem kann man nur mit einer Ausweitung des Angebotes entgegentreten.
Wie schätzen Sie die Gefahren für Familienunternehmen und den Mittelstand ein, gerade auch hinsichtlich extrem steigender Energiepreise?
Sehr hoch. Das dritte Hilfspaket berücksichtigt den Mittelstand nicht wirklich. Das ist insbesondere für die kleinen Unternehmen dramatisch. Ich weiß vor allem von unseren Mitgliedsunternehmen, die auf Energie für ihren Unternehmenszweck angewiesen sind, dass ihnen, auf gut Deutsch gesagt, der Arsch auf Grundeis geht. In meinem Unternehmen haben wir hier „nur" Strom und Fernwärme als Energie. Wenn sich der Strompreis verdoppelt und der Gaspreis verdreifacht, wird –
so haben wir geschätzt – unser Unternehmen mit 42.000 Euro im Jahr mehr belastet. Das ist viel Geld, aber es wird für uns zu bewerkstelligen sein. Aber Unternehmen, die originär mit Gas arbeiten, für die sind es vielleicht 42.000 Euro im Monat. Dagegen gibt es kein Patentrezept, aber wir sehen mit Sorge, dass die Politik in dieser Situation auch handwerkliche Fehler macht. Wir erleben, dass die Politik getrieben ist, dass sie nur noch reagieren kann. Das ist ja nicht mehr etwas, was wirklich aktives Gestalten ist. Was wir vermissen, ist ein Pragmatismus über ideologische Grenzen hinaus. Die Familienunternehmer rufen ungern nach Staatshilfen, aber die richtigen Rahmenbedingungen muss der Staat schon setzen. Es ist ganz wichtig, dass das jetzt pragmatisch und effizient erfolgt und nicht dieser Unsinn wie der Tankrabatt oder auch das Gießkannenprinzip bei den Entlastungen. Ich habe gelesen, dass von den 21 Millionen Rentnern ungefähr 80 Prozent diese 300 Euro Energiegeld nicht brauchen. Da hätte man lieber zum Beispiel denen, die eine Mindestrente bekommen, 600 Euro geben sollen. Da fehlt mir ein bisschen das Smarte an den Lösungen.
Bestimmte Branchen sind dabei besonders hart betroffen.
Klar, die energieintensiven Branchen, aber auch das produzierende Gewerbe im weiteren Sinne. Kostensteigerungen von mehreren hundert Prozent sind durch keine seriöse Kalkulation aufzufangen. Es war abzusehen, dass Energie teurer werden würde. Dass sie teurer werden muss und auch die fossilen Energien, das ist klar. Aber nicht in drei-, vierhundertprozentigen Schritten. Das ist völlig abstrus. Da hat jeder, der über das normale Maß hinaus Energie verbraucht, jetzt echt ein großes Problem.
Wie geht es denn Ihrer eigenen Branche?
Ich glaube, der IT-Branche geht es so gut, wie es ihr im Rahmen des Fachkräftemangels gehen kann. Jeder Mitunternehmer könnte deutlich mehr Umsatz machen, wenn er mehr Mitarbeiter hätte. Das ist der Hemmschuh für gute Lösungen.
Hätten Sie da Lösungsvorschläge?
Wir brauchen ein gutes Zuwanderungsgesetz, um qualifizierte Zuwanderung in dieses Land einfacher möglich zu machen. Wir müssen auch schauen, dass wir qualifizierte Menschen aus den Schulen bekommen und dass wir dort rechtzeitig mit der Berufsorientierung anfangen. Ich glaube, die Modernisierung der Lehrpläne ist ein ganz wichtiges Thema: Dass man Technologie-Themen in den Lehrplan aufnimmt und das wirtschaftliche Grundwissen stärkt. Was ist eine Aktiengesellschaft? Was passiert an der Börse? Was heißt Abschreibung? Das sind doch böhmische Dörfer für die allermeisten jungen Menschen.
Berlin galt mal als Start-up-Hauptstadt. Ist die Stadt immer noch attraktiv für Technologie-Entrepreneure und Gründerinnen?
Ich glaube, dass Berlin nach wie vor ein attraktiver Ort ist. Natürlich normalisiert sich der Hype jetzt langsam, doch Berlin ist als Stadt ungebrochen attraktiv für junge Talente. Da schließt sich der Kreis zur digitalen Verwaltung wieder: Wenn die Start-ups Hightech- Spezialisten aus Indien oder woher auch immer anwerben, müssen die betreut werden, einen Termin beim Bürgeramt, eine Arbeitserlaubnis und so weiter bekommen. Ich glaube, wenn Berlin da besser wird, dann ist das auch für die Start-ups und die Gründer besser.