Schon das Wort verspricht Gewaltiges: Investitionsbooster. Was der Wirtschaft helfen soll, reißt auf der anderen Seite große Löcher. Im Streit um eine faire Verteilung der Lasten scheint eine Chance auf Verständigung in Sicht.
Mit einem milliardenschweren Paket vor allem an steuerlichen Erleichterungen soll der dümpelnden Wirtschaft nicht nur ein bisschen auf die Sprünge geholfen, sondern ein richtig ordentlicher Schub verpasst werden. Dass das dringend geboten ist nach drei Jahren in der Rezession und mit letzten Plätzen im Wachstums-Ranking der Industrienationen, darüber herrscht große Einigkeit. Auch die Größenordnung des Pakets, das Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD) vorgelegt hat, ist im Wesentlichen unstrittig.Aber irgendwer muss das schließlich bezahlen.
Die Steuerentlastungen für Unternehmen bedeuten im Umkehrschluss, dass der Staat auf etwa 48 Milliarden Euro Einnahmen (von 2025 bis 2029) verzichtet. Und „der Staat“ heißt in diesem Fall aufgrund der Verteilschlüssel bei den Steuerarten, dass gut zwei Drittel dieser Mindereinnahmen (etwa 30 Milliarden) bei den Ländern zu Buche schlagen würden und davon wiederum knapp die Hälfte zulasten der Kommunen gehen würde.
Nun ist die Idee hinter diesem Booster, dass sich die Wirtschaft wieder berappelt und zu alter Stärke zurückfindet, und dann auch entsprechend wieder mehr Steuern zahlen kann. Was aber den Ländern und vor allem den vielen ohnehin notleidenden Kommunen im Moment nicht hilft. Im Gegenteil. Der Investitionsstau an diesen Stellen ist bereits so oft beschrieben worden, dass er fast schon legendär ist.
Alles eine Frage der Verteilung
Der Protest der Länder auch in Interessenvertretung ihrer Kommunen war folglich vorprogrammiert, und zwar völlig unabhängig von irgendwelchen Parteizugehörigkeiten.
Der Bundesrat, die Vertretung der Länder, forderte entsprechend „eine Verständigung über einen Ausgleich dieser Mindereinnahmen“. Eine klare Positionierung vor einem Treffen mit dem Bundeskanzler. Dabei hatten die Länder durchaus ein Druckmittel: Der Bundesrat könnte derartige Steuerpläne stoppen.
Allerdings stünden dann die Länder vor dem Dilemma, dass sie – ebenso unisono – selbst dringend einen ordentlichen Booster für die Wirtschaft gebrauchen könnten. Wirtschaftliche Rezession, die Folgen von Transformationsprozessen und globale Unsicherheiten werden nämlich unmittelbar durch Arbeitsplatzverluste spürbar.
So gut wie alle großen Industriekonzerne (zuletzt vor allem im Automobil- und Zulieferbereich) haben massiven Arbeitsplatzabbau angekündigt. Und wenn es der Wirtschaft nicht gut geht, bedeutet das eben auch Verluste von Steuereinnahmen – und gleichzeitig steigende Ausgaben im Sozialbereich.
Eine Situation also für eine kluge Kompromisslösung. Was im Fall des ziemlich komplexen Steuersystems vor allem heißt: eine ausgeklügelte Lösung.
Eine Sache für Spezialisten, die sich in den Verästelungen von Verteilschlüsseln und Berechnungsmethoden auskennen.
„Wer bestellt, bezahlt“ – diese Grundforderung, die die Länder an den Bund stellen (wie auch die Kommunen an die Länder und den Bund), klingt plausibel und fair.
Die Umsetzung ist in einem Geflecht teils kommunizierender Röhren allerdings sogar bei einigem guten Willen nicht so einfach.
So würden zwar den Ländern (und Kommunen) nach den ursprünglichen Plänen rund 30 Milliarden Euro fehlen – gleichzeitig aber profitieren die Länder vom Sondervermögen Infrastruktur. Von den 500 Milliarden sollen 100 Milliarden den Ländern zugutekommen, die aber zweckgebunden für Infrastruktur und Transformation eingesetzt werden sollen.
Und so steckt am Ende der berühmte Teufel im Detail.
Diese 100 Milliarden (aus dem Sondervermögen) sollten ursprünglich wie üblich nach dem so genannten „Königssteiner Schlüssel“ auf die Länder verteilt werden. Dieser Schlüssel legt fest, wie die Länder an gemeinsamen Finanzierungen beteiligt werden. In die Berechnung fließen das Steueraufkommen der Länder (zu zwei Dritteln) und die Bevölkerungszahl (ein Drittel) mit ein.
Beim Investitions-Sondervermögen ist es dem Saarland gemeinsam mit den ostdeutschen Ländern gelungen, eine Änderung des Verteilschlüssels zu verhandeln, was dem Saarland über die nächsten fünf Jahre zusätzlich rund 19 Millionen Euro bringen würde.
Die Größenordnung ist angesichts der Milliardenbeträge, um die es insgesamt geht, eher überschaubar, zeigt aber, wie detailreich um jede Stellschraube in dem komplexen System gerungen und verhandelt wird.
Beim Spitzentreffen der Länder mit dem Bundeskanzler gab es nun im Grundsatz die Zusage des Kanzlers, die Steuerausfälle für die Länder durch den Wachstumsbooster zu kompensieren. Es soll „befristete und unmittelbare“ Entlastungen wegen der Steuerausfälle geben.
Entscheidend ist, was bei den Kommunen ankommt
Wie diese Zusage des Bundeskanzlers schließlich ausgestaltet wird, darüber wird derzeit verhandelt. Ziel ist nach übereinstimmenden Angaben von Beteiligten, bis zur letzten Sitzung des Bundestags vor der Sommerpause (11. Juli) ein Paket geschnürt zu haben.
Für den neuen Bundesfinanzminister Klingbeil wird diese Bundestags-Sitzungswoche (vom 8. bis 11. Juli) die erste große Bewährungsprobe. Der Wachstumsbooster ist Teil des Bundeshaushalts für das laufende Jahr. Und er ist nicht die einzige Herausforderung. Von fast allen neuen Ressortchefs und -chefinnen der neuen Bundesregierung sind Bedarfe angemeldet worden und das bei gleichzeitig geringeren Steuereinnahmen aufgrund der konjunkturellen Entwicklung. Wegen der vorgezogenen Neuwahl gibt es noch keinen beschlossenen Haushalt für dieses Jahr. Weil aber schon ein halbes Jahr unter vorläufiger Haushaltsführung vorbei ist, sind Gestaltungsspielräume auch nicht mehr allzu groß, weshalb auch vieles bereits im Blick auf den Haushalt 2026 beraten wird.
Immerhin ist die neue schwarz-rote Koalition mit zwei zentralen Beschlüssen im Rücken gestartet. Zum einen wurde die Schuldenbremse für Verteidigungsausgaben aufgehoben und zum anderen das erwähnte 500-Milliarden-Sondervermögen für Infrastrukturinvestitionen aufgelegt.
Dass das dennoch alles andere als ein Freibrief dafür ist, jetzt Versäumnisse der Vergangenheit (teils bedingt durch die Schuldenbremse) im Eiltempo aufholen und gleichzeitig in Zukunftsaufgaben investieren zu können, wird durch die laufenden Verhandlungen eindrucksvoll unterstrichen.
Immerhin scheint es, abgesehen von den Verteidigungsausgaben, in den meisten anderen Bereichen einen weitgehenden Konsens über die Notwendigkeit massiver Investitionen zu geben. Jedenfalls ist es um die zuvor auch noch im Wahlkampf und anschließend weiter in der Union heftig ausgetragenen Debatte um die Schuldenbremse in den letzten Wochen deutlich leiser geworden.