Europäische Digitalhubs sollen Unternehmen auf dem Weg durch die Transformation helfen, regionale Initiativen bringen Ideen aus Wirtschaft und Wissenschaft zusammen. So etwa das East Side Fab. Anna Lawera, Geschäftsführerin des Vereins, über Zusammenarbeit und Fachkräfte im Saarland.
Frau Lawera, was macht das East Side Fab?
Das East Side Fab ist ein regionales Innovation Hub, gegründet „von Unternehmen für Unternehmen“ als Verein. Sie haben sich zusammengeschlossen, um die großen Themen Digitalisierung und Zukunftstechnologien gemeinsam anzugehen. Viele spürten, es wird künftig nicht mehr so einfach, Dinge alleine zu bewegen. Man muss sich vernetzen, sich transformieren und neue Geschäftsideen angehen, indem man auch mal über den eigenen Tellerrand hinausschaut.
Wie viele Firmen sind mittlerweile daran beteiligt?
Wir sind 2019 mit sieben Unternehmen gestartet. Mittlerweile sind 30 weitere dazugekommen, die sich den genannten Themen und Kollaboration öffnen. Mit dabei sind auch schon Partner aus Luxemburg, wir sind vernetzt mit LuxInnovation, der nationalen Innovationsagentur von Luxemburg. Über den European Digital Innovation Hub (EDIH), der kürzlich startete, bringen wir jetzt Unternehmen auch über das Saarland und die Großregion hinaus zusammen. Denn nun können wir andere europäische Hubs anzapfen, wenn wir Wissen und Kompetenzen rund um Digitalisierung und Künstliche Intelligenz aus dem übrigen Europa hier im Saarland benötigen, und umgekehrt gilt das natürlich auch.
Und wie finanziert sich das East Side Fab?
Unser Verein und unsere Arbeit wird gefördert durch das Ministerium für Wirtschaft, Innovation, Digitales und Energie des Saarlandes und trägt sich zusätzlich aus Mitgliedsbeiträgen. Der Landesbeitrag ist derzeit unsere Haupteinnahmequelle. Darüber hinaus vermieten wir unsere Räumlichkeiten an Mitglieder und externe Unternehmen, die einen offenen Kreativraum nutzen möchten, und werben weitere Förderprojekte sowie Sponsoring-Einnahmen für Events ein. Neu hinzugekommen in diesem Jahr sind weitere Dienstleistungen, zum Beispiel besondere Workshop-Formate oder Podcasts.
Trägt sich der Verein selbst?
Nein, noch nicht. Wir stellen bei Innovationsprojekten für die Zusammenarbeit von Firmen Budgets zur Verfügung, das sind bis zu 75.000 Euro. Aber wir arbeiten mit unserem Vorstand und dem Beirat weiter an dem Geschäftsmodell, damit wir perspektivisch unsere Einnahmen weiter steigern können.
Wie funktioniert nun das East Side Fab genau?
Es baut auf vier Säulen auf: einmal auf der branchenübergreifenden Innovation Community aus Unternehmen und Wissenschaft, auf unserem Open Space und Events, hier kommen unsere Mitglieder und externe Unternehmen in Workshops entweder virtuell oder vor Ort im Eschberger Weg in Saarbrücken zusammen. Eine weitere und zentrale Säule bilden die Innovationsprojekte und die vierte Säule sind schließlich die Leuchtturmprojekte, für die wir weitere Fördermittel einwerben. Letzteres sind Projekte, die technologisch und gesellschaftlich für unsere Region relevant sind. Im Unterschied zu den Innovationsprojekten sind sie noch nicht über uns finanziert, aber haben großes Potenzial aufgrund ihrer Relevanz und ihres Innovationsgrads, eine Finanzierung über andere Töpfe aus Bund, Land oder andere Investoren zu erhalten. Das sind beispielsweise Projekte rund um Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Künstliche Intelligenz oder Fachkräftesicherung.
Das Herzstück aber sind die Innovationsprojekte?
Ja, hier haben wir 2020 erst einmal einen eigenen Prozess für diese Projekte entwickelt, damit wir agil und dynamisch an neuen Ideen arbeiten können. Das Projekt CoLab4DigiTwin war dann das erste Projekt 2020, darauf sind wir auch stolz: eine 3D-Plattform, um gemeinsam an digitalen Zwillingen im Automotive-Sektor zu arbeiten. Drei Monate haben wir das Innovationsprojekt begleitet. Angefragt wurde es von thyssenkrupp Automotive Body Solutions, einem Gründungsmitglied. Sie hatten die Idee dafür, aber ihnen fehlte noch ein Partner aus der Wissenschaft und Startups, die daran mitarbeiten sollten. Also haben wir uns auf die Suche gemacht und haben Kontakte hergestellt, alle an einen Tisch gebracht. Schnell war das gemeinsame Ziel abgesteckt, und die Beteiligten haben einen Prototypen entwickelt. Das August Wilhelm Scheer Institut, welches ebenfalls früh als Projektpartner mitgewirkt hat gemeinsam mit dem Konsortium rund um thyssenkrupp als wissenschaftlicher Partner die Anschlussfinanzierung nach Ende des Projektes mitbeantragt und das Projekt in eine eine größere Förderausschreibung überführt. Und das ist Anfang 2023 geschehen, CoLab4DigiTwin ist nun zu einem Bundesförderprojekt mit einem Volumen von 8,5 Millionen Euro angewachsen. Deshalb sind bei uns in Projekten Transferpartner sehr wichtig, die ein Auge auf Anschlussförderung einer Idee haben. Es gab weitere Projekte im Kontext von Elektromobilität oder Fachkräften, um Schüler beispielsweise besser stärker für die berufliche Ausbildung zu begeistern oder über eine KI-basierte Software mögliche Fähigkeitspotenziale in der eigenen Belegschaft zu finden.
Das bedeutet, Sie konzentrieren sich vor allem auf Ideen- und Prototypenentwicklung?
Das ist unser Kern. Wir versuchen Ideen und Projekte anzuschieben. Während der Laufzeit identifizieren wir die Potenziale für die Finanzierung, für die Zusammenstellung eines Konsortiums aus Unternehmen und Wissenschaftlern und entwickeln dann die Idee gemeinsam weiter.
Wie kann ich als Gründer, als Unternehmen mit einer Idee vom East Side Fab profitieren?
Einfach vorbeikommen oder anrufen. Unsere Events und Workshops sind offene für alle, um sich zu vernetzen und auszutauschen. Daraus ergeben sich in der Regel viele Aha-Momente. Das passiert hier ziemlich oft. Auch wenn anfangs die Frage im Raum steht: Warum sollte ich als Elektrotechnik-Unternehmen denn mit jemandem sprechen, der sich mit UX-Design befasst? Die Antwort darauf ist einfach: Die Erfahrung lehrt uns, dass vermeintlich Fachfremde völlig neue, manchmal verblüffende Antworten finden und Impulse geben können, die in neue Richtungen führen. Wir arbeiten mit der Open-Innovation-Methode, sprich jeder kann zum Impulsgeber werden, der bei einem Workshop oder Event anwesend ist.
Das East Side Fab ist nur eine von vielen Anlaufstellen fürs Gründen im Saarland – manche sagen, zu viele. Sie auch?
Ich stimme zu, es gibt viele Anlaufstellen. Das East Side Fab entstand aber, weil man sich als regionales Unternehmen mit Gründerinnen und Gründern und ihren Ideen vernetzen möchte. Das heißt, wir sind nicht immer die erste Wahl für jedes Gründungsvorhaben, alleine schon aufgrund unserer Ausrichtung. Aber ein Ziel von uns ist es, dass wir uns tiefer mit der Gründerszene vernetzen. Unsere Mitglieder berichten natürlich auch darüber, dass sie keinen Überblick über die Gründerszene besitzen – unsere Unternehmen wollen Transparenz darüber erlangen, wo mögliche Partner sitzen, welche Förderung greift. Wir hatten bislang nur sporadisch mit Gründungen selbst zu tun, das wird sich nun etwas ändern. Eines unserer Leuchtturmprojekte zusammen mit DFKI, August-Wilhelm-Scheer-Institut, ZeMA und Saaris beleuchtet ganz stark die Cybersicherheit, Digitalisierung und den Einsatz von KI von Unternehmen, dies zusammen mit Startups aus der Region. Das Projekt EDIH, das gerade angelaufen ist, will die Kompetenzen von Gründungswilligen bündeln. Jeder, der ein Unternehmen gründen möchte, ist dabei eingeladen mitzuwirken. Wir brauchen mehr Transparenz für Gründungen, aber eben auch für Unternehmen, damit die Wege zueinander kürzer werden.
Viele mögliche Stellen fürs Gründen, dem gegenüber stehen relativ wenige Neugründungen im Saarland, vor allem im Vergleich zum Bund. Sind wir risikoscheuer?
Vermutlich ja. Daher brauchen wir mehr Instrumente für Gründungen, mittlerweile gibt es entsprechende Stipendien und Förderprogramme. Im Saarland müssen wir mehr daraus machen, kooperativ gründen und vielleicht aus den Bedürfnissen der regionalen Unternehmen heraus Ideen entwickeln. Es gibt zu wenige Gründungen von Frauen, auch hier könnten wir Akzente setzen als kleines Bundesland mit kurzen Wegen. Ich plädiere dafür, Budgets für mittelständische Unternehmen zu entwickeln. Sie sind etabliert, haben bereits Arbeitsplätze geschaffen, aber brauchen vielleicht attraktive Angebote, um sich und ihre Innovationskraft auszuprobieren. Denn wir wissen, das Tagesgeschäft der Unternehmen geht vor. Gleichzeitig müssen sie Transformation gestalten, sich digitalisieren, Innovationen entwickeln. Diesen Kraftakt können sie oftmals nur mit Hilfe von außen stemmen. Durch Kollaborationen und interdisziplinäre Zusammenarbeit. Sie können nicht auf die Hochschulabsolventen warten, die nicht abwandern, sondern brauchen entscheidende Hilfestellungen. Wir im Saarland könnten hier schneller sein. Das gilt übrigens auch für die digitale Gewerbeanmeldung, die es leider immer noch nicht gibt.
Innovativ sein ist das eine, die dafür notwendigen Fachkräfte finden das andere. Können Sie dazu beitragen?
Ich glaube, wir tragen dazu bei, indem wir die Standortattraktivität erhöhen. Unser Hub zeigt, dass es hier kollaborative Institutionen gibt, die alle Akteure zusammenbringen können. Weil wir nahe an den Hochschulen und den Unternehmen sind, können wir auch schon mal Stellen vermitteln – in die eine oder andere Richtung. Das haben wir schon mehrfach getan. Aber wir sprechen uns dafür aus, dass in diesem Bereich die Bürokratie abnimmt und unsere Willkommenskultur nicht dadurch ausgehebelt wird. Es gibt viele Berichte unserer Mitgliedsunternehmen, die davon sprechen, dass qualifizierte Bewerber nur einen sehr schweren Zugang zum Job haben. Dieses Thema steht auf unserer Agenda. Dazu gehört auch die Berufsorientierung, wo wir mit der „make-it.saarland“ unterstützen. Die Messe hatte dieses Jahr 1500 Besucher, viele junge Menschen, die sich einen Eindruck von Robotern, 3D-Druck, Elektromobilität, CNC-Maschinen und vielem mehr machen können. Viele Talente wissen vielleicht noch nicht genau, wohin mit sich, deshalb sind solche Schaufenster für Unternehmen extrem wichtig. Ein anderes Beispiel ist unser Mitglied Bechtle IT, die gemeinsam mit anderen Unternehmen und Institutionen einen Ort schaffen möchten, an dem junge Menschen im Alter von zwölf bis 18 Jahren digitale Skills erlernen, und das kostenlos.
Also nicht an der Schule?
Die Schule hat bereits genügend andere Aufgaben. Das Bechtle-Ideen-Konzept, das von der HTW Saar und anderen unserer Mitglieder begleitet wird, heißt „Tumo“, existiert schon sehr lange und stammt ursprünglich aus Armenien. Junge Menschen können hier an Nachmittagen kostenlos digitale Skills und Zukunftsthemen erlernen, was ihnen eben gefällt. Das Konzept holen wir nun ins Saarland. Es hängt nur noch an der entsprechenden Immobilie und der Finanzierung ab – wir sind dran.