Es gibt in Deutschland vermeintlich italienische Gerichte, die in Bella Italia niemand kennt oder zumindest nicht so zubereiten würde. Ein paar Beispiele für eingedeutschte Gerichte und ihre Originale.
Die Deutschen lieben die Küchen anderer Länder. Nirgendwo auf der Welt gibt es so wenige Restaurants, die speziell einheimische Küche anbietet, wie bei uns. Laut einer wissenschaftlichen Untersuchung des Ökonomen Joel Waldfogel von der Carlson School of Management an der Universität von Minnesota liegt der Anteil von Restaurants mit heimischer Küche bei uns gerade einmal bei 35,5 Prozent. Zum Vergleich: In Italien liegt der Anteil bei 77,3 Prozent, in Griechenland bei 62,7 Prozent und selbst in Großbritannien bei 50,8 Prozent. Die Deutschen gehen zum Griechen, zum Japaner, Chinesen, Spanier, Inder, Mexikaner und natürlich zum Italiener ihrer Wahl, der – abgesehen von Fast-Food-Restaurants – den größten Anteil (11,9 Prozent) bei den ausländischen Restaurants stellt.
Auf unzähligen Karten finden sich Spaghetti bolognese oder Spaghetti carbonara, Pizza Hawaii oder die Peperoni-Pizza. Hinterher darf es gern noch ein Cappuccino sein und für die Kleinen vielleicht ein Spaghetti-Eis aus der benachbarten Eisdiele. Wer schon einmal seinen Urlaub in Bella Italia verbracht hat, dürfte vieles davon vergeblich gesucht haben. Es sind eingedeutschte Gerichte, die es in Italien schlicht nicht gibt oder die dort völlig anders zubereitet werden.
Ein klassisches Beispiel sind Spaghetti carbonara. Hierzulande werden sie meist mit Schinken-Sahne-Sauce gemacht. Zweifelsohne lecker, und diese Variante gibt es durchaus auch in Italien, wird je nach Region mit unterschiedlichen Nudelsorten gemacht. Dann handelt es sich aber um Pasta alla panna und keinesfalls um eine Carbonara. Eine klassische italienische Carbonara besteht ausschließlich aus fünf Produkten: Guanciale, Eigelb, Pecorino, Pfeffer und Pasta. Basta!
In eine Carbonara gehört keine Sahne
Guanciale ist ein aus der Schweinebacke oder dem Schweinenacken hergestellter luftgetrockneter, ungeräucherter Speck. Dieser wird zunächst in dünne Scheiben oder Würfel geschnitten und bei kleiner Hitze sanft ausgebraten. Dann wird der Pecorino gerieben und mit dem Eigelb vermischt und mit Pfeffer gewürzt. Die abgekochten Nudeln – meist Spaghetti – lässt man kurz abtropfen und gibt sie dann in die noch warme Pfanne. Dort wird die Pecorino-Eigelb-Mischung untergehoben. Wer möchte, kann noch etwas vom zuvor aufgefangenen Nudelwasser hinzugeben, um die Mischung etwas cremiger zu machen. Den gebratenen Speck untermischen und direkt auf die Teller verteilen. Fertig ist die perfekte, typische Carbonara.
Auch Spaghetti bolognese ist eine deutsche Erfindung, denn es ist schlicht die falsche Nudelsorte. In Italien gibt es für jedes Gericht und für jede Sauce die eine perfekte Nudelsorte. Kein Italiener käme auf die Idee, für sein Ragù alla bolognese Spaghetti zu verwenden. Zum Klassiker aus Bologna gehören ganz klassisch Tagliatelle – ganz wichtig aus Eiernudelteig – oder allenfalls noch Pappardelle, die breitere Variante der Erstgenannten. Für das Ragù werden Zwiebeln, Karotten und Sellerie fein gehackt und in einem neutralen Öl oder in Butter angedünstet – oder in Olivenöl, wobei dessen Eigengeschmack sehr intensiv ist. Anschließend kommt für etwa zehn Minuten gewürfelter Pancetta hinzu, bevor das grob gehackte Rindfleisch dazugegeben und scharf angebraten wird. Manche Italiener nehmen auch eine Mischung aus Rinder- und Schweinehack. Anschließend wird das Ganze mit einem guten Rotwein abgelöscht.
Wenn die Flüssigkeit komplett verdampft ist, kommen Tomaten und Gemüsebrühe hinzu, und dann muss das Ganze mehrere Stunden bei gelegentlichem Umrühren köcheln. Eine wichtige Zutat sollte kurz vor der Vollendung nicht fehlen: Milch. Sie nimmt den Tomaten etwas die Säure und macht das Fleisch weicher. Noch salzen und pfeffern und die Tagliatelle in der Sauce schwenken. Fertig. Sauce auf die Nudeln geben ist nämlich auch so eine deutsche Eigenart. In Italien werden die Nudeln stets in der Sauce geschwenkt, da die Nudeln diese so besser aufnehmen.
Wo wir gerade bei Pasta sind: Diese werden bei uns wie Kartoffeln oder Reis häufig als Beilage gereicht. In Italien hingegen ist das ein klarer Affront. Nudeln sind dort in jedweder Form immer ein eigenständiges Gericht, das in aller Regel als Primo, also als Vorspeise, gereicht wird. Zum Hauptgang, der meist aus Fisch, Fleisch oder Gemüse besteht, werden in Italien zwar auch gern Kartoffeln, Polenta oder Reis gereicht, aber niemals Nudeln. Übrigens auch kein Risotto, denn auch das ist ein eigenständiges Gericht. Selbst der Nudelsalat zum Grillen ist eine deutsche Erfindung. In Italien gilt dieser ebenfalls als eigenständige Vorspeise.
Spaghetti-Eis ist in Italien unbekannt
Bei den Pizzen geht es in deutschen Landen häufig nicht weniger italienisch zu. Die Pizza Hawaii etwa, also Pizza mit Schinken und Ananas, gibt es in Italien schlicht nicht. Wobei: Vereinzelt taucht sie inzwischen in einigen billigen Lokalen in von deutschen Touristen überlaufenen italienischen Urlaubsorten tatsächlich auch auf. Sie ist aber eine amerikanische Erfindung und hat von dort ihren Weg zu uns gefunden. Wer bei uns eine Peperoni-Pizza bestellt, bekommt meist eine Pizza mit scharfer Salami und möglicherweise tatsächlich Peperoni. Pizza mit scharfer Salami gibt es in Italien zwar auch, diese heißt dort aber entsprechend Pizza con Salame picante. Peperoni hingegen bedeutet in Italien nichts anderes als Paprika, und gemeint sind die frischen Schoten – ob grün, gelb oder rot. Also ist eine italienische Pizza Peperoni eigentlich eine Paprika- oder Gemüsepizza. Wer es scharf möchte, müsste hingegen Peperoncino bestellen, das sind in Italien die kleinen Chilischoten. Diese landen dort aber normalerweise nicht auf einer Pizza.
Genauso wenig wie übrigens die vielen gängigen Käsesorten, die es in deutschen Supermärkten als Pizzakäse zu kaufen gibt. In Italien wird klassischerweise immer und ausschließlich Mozzarella verwendet, hin und wieder auch einmal Büffelmozzarella – abgesehen von der Pizza Quattro Formaggi, also der Pizza vier Käse. Hier kommen auch Pecorino, Stracchino und Gorgonzola zum Einsatz. Niemals allerdings Gouda, Emmentaler und Ähnliches. Das wäre ein Frevel.
Nicht zuletzt sorgt die Kombination der beiden Worte Gelato, also Eis, und Spaghetti in Italien mindestens für hochgezogene Augenbrauen, wenn nicht für Unverständnis. Diese Kombination kennt dort niemand. Es ist eine Erfindung, die nach übereinstimmenden Quellen einem Deutsch-Italiener zugeschrieben wird: Dario Fontanella aus Mannheim, dessen Familie 1931 nach Deutschland kam und schon immer Speiseeis zubereitete, soll 1969 der Erste gewesen sein, der das in Deutschland heute so beliebte Eis kreierte.