Nach seiner Erfolgszeit in der Nationalmannschaft startet Gordon Herbert sein neues Projekt bei Bayern München. Sein Nachfolger als Bundestrainer wird genau hinschauen – er selbst kann sich erst später beweisen.
Alex Mumbrú? Diesen Namen kannte Gordon Herbert natürlich schon länger. Schließlich hat der Spanier als Basketballspieler große Titel gewonnen und sich auch als Trainer schon bewährt. Doch im Zusammenhang mit seiner Nachfolge vernahm Herbert diesen Namen erstmals bei den Olympischen Spielen in Paris. „Ich glaube, irgendjemand hat den Spielern den Namen in der Kabine vor dem Bronze-Spiel verraten. Ich weiß nicht, wer und auf welchem Wege, aber es wurde darüber geredet“, verriet der Ex-Bundestrainer. Er selbst wurde offiziell erst am Vorabend der öffentlichen Bekanntmachung darüber informiert, dass Mumbrú seinen Posten als Auswahltrainer der deutschen Basketball-Nationalmannschaft übernimmt. „Ich wurde auch nicht nach meiner Meinung gefragt“, sagte der Weltmeister-Coach. Hätte man ihn gefragt, hätte er einen seiner Co-Trainer Bret Brielmaier und Klaus Perwas vorgeschlagen, „aber die beiden wurden nicht mal gefragt, wenn ich richtig informiert bin“.
Der Deutsche Basketball-Bund (DBB) schien sich früh und sehr entschieden auf Mumbrú als neuen Cheftrainer festgelegt zu haben. Dass der Verband in dieser wichtigen Frage die Meinung Herberts nicht einholte, zeigt, dass mindestens das Ende der auf dem Papier höchst erfolgreichen Zusammenarbeit nicht ganz reibungslos verlief. Und das lag nicht nur am verpassten Medaillenziel bei den Sommerspielen in Paris. „Ich wäre interessiert gewesen zu verlängern, aber am Ende konnten wir uns nicht einigen“, sagte Herbert im Interview mit der Zeitung „Die Welt“. Die Verlängerung des bis 2025 laufenden Vertrags sei aber Grundvoraussetzung für sein Weitermachen im Verband gewesen, äußerte der Kanadier. Denn: „Es muss jetzt eine neue Mannschaft aufgebaut werden. Dafür benötigt man mindestens zwei Jahre.“ Diesen Umbruch soll nun sein Nachfolger stemmen, Herbert hat inzwischen eine andere Herausforderung gefunden: Er übernahm das Traineramt beim FC Bayern München und soll dort die Basketball-Abteilung in ähnliche Erfolgsgefilde führen, in denen sich die Fußballer des Clubs seit Jahrzehnten befinden.
In den ersten drei Wochen habe er viel mit den Spielern geredet und mit ihnen Leistungsziele und die Team-Identität festgelegt. Danach stand fest: „Wir wollen eine Meisterschaft-Kultur aufbauen“, sagte Herbert. Bedeutet: Der Siegeswille ist ab sofort bei Bayern unabdingbar – national wie international. In den ersten Gesprächen mit seinen Spielern habe er ihnen eine klare Vision mit auf dem Weg gegeben: „Wir wollen deutscher Meister werden und in der EuroLeague das Final Four erreichen.“ Die erfolgreiche Titelverteidigung in der BBL, die die Münchner mit dem Heimspiel am 20. September gegen Chemnitz starten, dürfte dabei leichter zu erreichen sein als ein Platz unter den besten vier Teams der EuroLeague. Das hat der Dauergast im höchsten europäischen Club-Wettbewerb noch nie geschafft, das Erreichen des Viertelfinals 2022 war dort der bislang größte Erfolg. Zuletzt kamen die Münchner in der EuroLeague nicht über Platz 15 hinaus.
Leben in Deutschland nicht aufgeben
Bei seinen ambitionierten Zielen setzt der Ex-Bundestrainer vor allem auf seinen großen Stamm an Nationalspielern, die er seit Jahren kennt. Andreas Obst, Niels Giffey, Nick Weiler-Babb, Oscar da Silva und auch Johannes Voigtmann, der Mitte August einen Dreijahresvertrag an der Isar unterschrieb, sollen beim FC Bayern den Ton angeben und die Herbert-Spielphilosophie maßgeblich umsetzen. „Weil wir einige Ähnlichkeiten zwischen dem System der Nationalmannschaft und dem, was wir tun, nutzen“, erklärte Herbert. Klar sei aber auch, dass er seine Philosophie an alle Spieler im Kader „anpassen“ müsse. Die Olympiastarter konnte der Kanadier erst später in der Vorbereitung begrüßen, doch großartig kennenlernen muss er sie ohnehin nicht. Das gilt auch für Voigtmann, mit dem Herbert neben dem Nationalteam auch in gemeinsamen Jahren in Frankfurt zusammengearbeitet hat. „Ich werde jetzt Teil eines meiner Meinung nach sehr spannenden Projekts bei Bayern sein, mit großem Potenzial, einer neuen Halle, neuem Coach und vielen Spielern, mit denen ich schon zusammengespielt habe und das auch sehr gern tue“, sagte der 2,11 Meter große Center, der nach acht Jahren im Ausland in die Bundesliga zurückkehrt.
Angebote aus anderen Ländern hatte Herbert auch, doch das Leben in Deutschland wollte der 65-Jährige nicht aufgeben. „Ich arbeite hier sehr gerne, ich mag die Deutschen“, erklärte der Kanadier. Ihm kam die Anfrage von Bayern-Manager Marko Pesic und -Präsident Herbert Hainer daher auch sehr gelegen. „Das hat mich sehr gefreut. Die Bayern sind einer der größten Clubs der Welt. Und sie ermöglichen mir, einige meiner Nationalspieler zu trainieren“, sagte Herbert: „Viele Leute denken, dass ich wegen des Geldes zu den Bayern gehe. Aber das stimmt nicht, ich hatte viel höhere Angebote.“ Doch klar ist auch, dass er als Club-Trainer bei den Münchnern mehr verdienen dürfte als zuletzt als Bundestrainer.
Sein Nachfolger im Verband wird auch genau hinschauen, wie Herbert in München arbeitet. Schließlich dürften Obst, Weiler-Babb und da Silva auch unter ihm zum Kader gehören. Ob die etwas älteren Münchner Giffey (33) und Voigtmann (31) den Umbruch innerhalb der Nationalmannschaft nach Platz 4 in Paris überstehen, bleibt abzuwarten. Noch ist nicht klar, welche Strategie Mumbrú genau fährt. Er wolle den unter Herbert eingeschlagenen Weg fortführen, kündigte er bei seiner Vorstellung lediglich an: „Wir sind hier, um zu glänzen und weiter am Erreichen der Ziele zu arbeiten.“ Wie genau er das erreichen will, wird sich beim Debüt im November beim Start in die EM-Qualifikation zeigen. Die große Feuertaufe wartet dann 2025 bei der EM in Lettland, Polen, Finnland und Zypern. Mumbrús Vertrag läuft bis 2026, enthält aber jeweils eine Option zur Verlängerung bis zur WM 2027 und den Olympischen Spielen 2028.
„Wir haben einen Bundestrainer gesucht, der hungrig, kompetent und hochmotiviert ist und der ausstrahlt, dass er richtig Lust hat mit der Mannschaft zu arbeiten. Davon hat uns Álex Mumbrú ganz schnell überzeugt“, beschrieb DBB-Präsident Ingo Weiss den Findungsprozess. Der Verbands-Boss verwies zudem auf die „beeindruckende Spielerkarriere mit großen Erfolgen“. Mumbrú gehörte als Spieler der „Goldenen Generation“ in Spanien an, die zahlreiche Medaillen bei großen Turnieren gewonnen hat. Er selbst sammelte fünf Medaillen, darunter jeweils Gold bei der WM 2006 und der EM 2009. Nach seinem Karriereende in Bilbao übernahm er direkt als Coach den baskischen Club, mit dem er gerade als Spieler in die zweite Liga abgestiegen war. Mumbrú gelang es, den Verein direkt wieder in die spanische Topliga zurückzuführen. In der Folgesaison belegte Bilbao Basket den sehr respektablen neunten Platz. Es folgte sein Wechsel nach Valencia, doch beim Euro-League-Starter wurde er Anfang April entlassen.
Aus seiner Spieler- und Trainerkarriere wird deutlich, dass Mumbrú ein Defensiv-Verfechter ist. „Sie haben das gegnerische Pick‘n‘Roll hart und aggressiv verteidigt und dabei versucht, viele Turnover zu forcieren“, sagte Lukas Feldhaus als Analyst bei MagentaSport zum Valencia-Spielstil unter Mumbrú: „Seine Teams wollen viel Druck auf den Ballführenden ausüben, aber auch die Mitte zumachen und eher die Dreier abgeben.“ Feldhaus glaubt, dass Mumbrú auch deswegen eine gute Wahl des DBB gewesen sei: „Vom Stil her könnte das gut passen, da auch Herbert eher auf mobilere Big Men gesetzt hat.“ Auch DBB-Präsident Weiss glaubt an eine erfolgreiche Zeit: „Unsere Vorstellungen liegen auf einer Wellenlinie.“
Dem deutschen Basketball helfen
Klar ist aber auch, dass auf Mumbrú trotz der beeindruckenden Talente-Dichte im deutschen Basketball ein komplizierter Start wartet. Im November bei der EM-Quali wird er nur auf wenige Weltmeister und Olympia-Starter zurückgreifen können, da manche aus privaten oder sportlichen Gründen nicht zur Verfügung stehen. Die EuroLeague pausiert in diesem Zeitraum ebenso wenig wie die nordamerikanische Profiliga NBA. Und ob Superstars wie Dennis Schröder und Franz Wagner bei der EM in einem Jahr überhaupt dabei sein wollen, ist noch ungewiss. Mumbrú wird also zunächst testen und auch improvisieren müssen. „Wir haben sehr viele gute Spieler, jeder hat die Möglichkeit ins Team zu kommen“, sagte er. Dass der Schatten von Vorgänger Gordon Herbert so lang ist, dürfte den Start des Spaniers ebenfalls erschweren. Genau wie der Fakt, dass er in Deutschland nur wenig bekannt ist und deshalb auch nur wenig Kredit haben dürfte. Doch all das ficht Mumbrú nicht, er geht seine neue Aufgabe voller Elan an.
„Mein großer Wunsch ist es, dem deutschen Basketball zu helfen und schnell ein Teil der deutschen Basketball-Familie zu werden“, sagte er. Es gebe auch ohne aktuelle Länderspiele „eine Menge zu tun“, und darauf freue er sich. Er habe in den vergangenen Jahren nicht nur die Partien von Schröder und Co. gesehen, sondern auch zum Beispiel die der deutschen männlichen U18-Mannschaft, die jüngst EM-Gold gewonnen hat. Er wisse, dass aktuell sehr viel richtig läuft im deutschen Basketball. Eine Revolution, zum Beispiel in der Zusammensetzung des Kaders, sei daher unter seiner Regie überhaupt nicht nötig. „Ich möchte nichts an der Teamchemie ändern, denn sie ist ja ein wesentlicher Teil des Erfolges“, sagte Mumbrú. Basketball hänge „von den Spielern ab, Coaches sind dafür da, die Spieler glänzen zu lassen“. Dafür wolle er in den ersten Wochen vor allem eines: kommunizieren. „Ich möchte alles über den Verband wissen, mit den Spielern sprechen, viele Spiele schauen. Es kann losgehen.“