Sie hatte bereits Topmodels wie Adriana Lima vor der Kamera und arbeitete für namhafte Magazine und Marken: Daniela Glunz verbindet in ihren Bildern Fotografie und Malerei auf einzigartige Weise. Ein Einblick in ihre Arbeit und ihr Schaffen.
Frau Glunz, wie sind Sie zur Fotografie gekommen und was waren Ihre ersten Motive?
Die ersten bewusst geschossenen Fotos, an die ich mich erinnern kann, waren von unserer Katze. Ich war ungefähr 13 Jahre alt. Dann kamen ganz klassisch Selbstporträts, und während meines Kommunikationsdesign-Studiums fotografierte ich drei- bis viermal Frauen – mal klassisch Fashion, mal extravaganter in die Gothic-Richtung. Letztendlich war jedoch mein Praktikum bei Fritz Brinkmann (Faceland) der treibende Punkt. Er meinte, ich hätte ein unglaubliches Auge – und ich glaubte ihm. Ich arbeitete an mir und meinen Fähigkeiten, was ich bis heute tue.

Sie fotografieren regelmäßig für große Modemagazine und beliebte Marken. Wie kamen Sie anfangs an diese tollen Aufträge?
Tatsächlich sind diese meist auf mich zugekommen, später dann durch meine damalige Agentur und Menschen, die ich auf meiner Reise als Fotografin kennengelernt hatte. Ich habe sehr, sehr viele freie Shootings gemacht und im Internet veröffentlicht. Ich denke, man bekommt das zurück, was man bereit ist zu geben.
Wie sehen Ihr Alltag und Ihre Jobs momentan aus?
Einen geregelten Alltag gibt es bei mir seit 20 Jahren nicht mehr – und darüber bin ich sehr froh. Natürlich gibt es wiederkehrende Aufgaben wie Bürokratie, Bildbearbeitung sowie die Pflege meiner Website und Social-Media-Profile. Ersteres gehört definitiv nicht zu meinen Lieblingstätigkeiten, während mir das Bearbeiten von Fotos durchaus Spaß machen kann – allerdings genieße ich auch das lieber in kleinen Häppchen.
Manchmal fühle ich mich wie Pippi Langstrumpf: kreativ, frei, stark und eigenständig. Doch es gibt auch Tage, an denen ich um drei Uhr morgens aufstehen muss, um den ersten Flieger nach München oder Ibiza zu erwischen. Darüber möchte ich mich keineswegs beschweren, auch wenn ich kein Frühaufsteher bin – Abwechslung und Disziplin sind Dinge, die meine Seele braucht.
Seit ein paar Jahren arbeite ich häufig für einen deutschen Großkonzern, für den ich Tutorials und Vorher-nachher-Shootings im Beauty-Bereich erstelle. Da das Unternehmen in Düsseldorf sitzt, bin ich oft dort – am liebsten mit dem Auto, da ich immer viel Equipment dabeihabe. Zudem gehört Autofahren mit lauter Musik zu meinen liebsten „Kopf frei“-Aktivitäten.
Sehr gerne setze ich auch freie Shootings mit befreundeten Models um, um eigene Ideen zu verwirklichen oder gemeinsam Neues zu erarbeiten. Ohne diese kreativen Projekte wäre das Leben als Fotografin nur halb so schön.
Als Künstlerin probiere ich zudem gerne neue Dinge aus. Letztes Jahr habe ich zum Beispiel mit Musik angefangen – eine spannende Abwechslung, da die Arbeitsweise (logischerweise) eine völlig andere ist. Auch Psychologie und Astrologie faszinieren mich seit vielen Jahren. Es gibt immer etwas Neues zu lernen, was meinem Gehirn sehr gefällt. Ich liebe es, Muster zu erkennen und psychologische Gedankenexperimente durchzuführen. Außerdem sind diese Themen eine großartige Grundlage für tiefgründige Gespräche – denn Small Talk gehört definitiv nicht zu meinen Stärken.
Es gibt auch Tage, an denen ich mich komplett in mein Atelier zurückziehe und an meinen Gemälden arbeite. Ich liebe meine Freiheit und würde sie gegen nichts eintauschen.

Für eine Werbekampagne des Kosmetikherstellers Maybelline haben Sie zum Beispiel Topmodel Adriana Lima fotografiert. Sind Sie noch aufgeregt bei solchen Jobs? Und wie haben Sie das Shooting erlebt?
Das ist, glaube ich, die verrückteste Geschichte meines Lebens. Während meiner ersten Jahre wurde mir oft gesagt, dass man als Fotograf erst ab 35 Jahren so richtig durchstartet. Adriana Lima fotografierte ich zum ersten Mal an meinem 35. Geburtstag – in Berlin, backstage, während der Fashion Week. Der Moment, in dem sie in ihren High Heels den langen Flur auf mich zukam, war nahezu unreal. Ich bekam sogar eine Geburtstagsumarmung von ihr, und natürlich war ich aufgeregt. Ich glaube, es ist ganz normal, in so einem Moment aufgeregt zu sein.
Allerdings vergeht die Aufregung meist, sobald ich anfange zu fotografieren. Dann liegt mein Fokus ganz auf dem Ergebnis, und ich habe keine Zeit mehr, mich mit meinen Gefühlen auseinanderzusetzen. Tolle Models zu fotografieren ist einfach etwas Besonderes – dieses Selbstbewusstsein ist ansteckend, und es liegt immer etwas Magie in der Luft.
Sie malen beeindruckende Gemälde und verbinden auch in vielen Ihrer Fotos Fotografie und Malerei – mal fotografieren Sie Porträts von Models mit grafischen Malereien im Gesicht, mal mit Ganzkörper-Bodypainting. Wie entstand diese Idee?
Vielen Dank. Bereits seitdem ich einen Stift halten konnte, malte und zeichnete ich wie besessen. Mir war es sehr wichtig, alle Details zu erfassen und alles so abzubilden, wie ich es sah. Ich denke, durch die Fotografie und die Kombination der Möglichkeiten ist es mir gelungen, den Realismus hinter mir zu lassen und einen Ausdruck meiner Gefühle in meine Arbeit einzubeziehen.
Bemalen Sie alle Models selbst? Wie gehen Sie hier vor?
Die meisten Body- und Face-Paintings habe ich selbst gemacht. Es ist eine sehr intuitive Arbeit – manchmal starre ich das Model einfach nur an, bis ich die Eingebung für den nächsten Pinselstrich bekomme. Daher ist es wichtig, dass die Energie zwischen dem Model und mir stimmt.
Welche Farben verwenden Sie hierfür?
Gerne benutze ich die Farben von „Farbstark“, da sie bereits flüssig sind und es dadurch möglich ist, schneller großflächig zu arbeiten als mit trockenen Farben, die man erst mit Wasser anmischen muss. Natürlich kann man alles verwenden, was hautverträglich ist.

Wovon ist es abhängig, auf welche Art und mit welchen Farbtönen die Models angemalt werden – müssen die Farben zur Haarfarbe und zum Typ passen oder entscheiden Sie dies spontan?
Manchmal frage ich nach den Lieblingsfarben des Models, weil es mir wichtig ist, dass das Model sich selbst gefällt. Alles Weitere entsteht dann sehr intuitiv.
Was macht für Sie den speziellen Reiz dieser Bilder aus?
Es ist eine Erweiterung meines Schönheitsideals. Ein lebendiges Kunstwerk vor sich zu haben gibt einen besonderen Kick beim Fotografieren, weil es immer anders und irgendwie neu ist. Ich liebe Ästhetik und die Möglichkeit, sie auf eine andere Art und Weise darzustellen als gewohnt.
Neben diesen Fotos machen Sie auch viele Porträts, Beauty-, Fashion-Fotos und Editorials, Werbefotos und künstlerische Bilder. Welche Art von Bildern fotografieren Sie am liebsten und warum? Oder hat jeder Bereich seinen eigenen Reiz?
Eigentlich hat alles seinen eigenen Reiz; jeder Prozess ist etwas anders und auf seine eigene Art spannend.
Porträts faszinieren durch ihre Einfachheit. Es geht darum, die Essenz des Menschen festzuhalten, ohne viel Schnickschnack – den Moment, den Blick einzufangen, der das Bild oder den Menschen besonders macht.
Beauty ist Perfektion. Es ist eine Symbiose aus Porträt und dem letzten Schliff, der sich an bestimmten Idealen/Beispielen orientiert. Das Rad wird hier meist nicht neu erfunden, aber das ist in Ordnung, weil es ein Ziel gibt. Außerdem hatte ich schon immer ein Faible für Haare und Make-up und habe zu meinen Anfangszeiten viele Privatkunden auch selbst gestylt, was mein Verständnis für dieses Handwerk erweitert hat und mir die nötige Sicherheit sowie das Wissen für diese Bereiche gibt.
Bei Fashion ist es ähnlich wie bei Beauty, jedoch ist (meistens) wesentlich mehr Bewegung dabei, was den Prozess auch körperlicher für mich macht. Es geht mehr darum, eine Stimmung durch die Kombination aus Posing, Winkel, Moment und Ausdruck einzufangen. Das Streben nach Perfektion ist gut, aber nicht zwangsläufig notwendig, da es im besten Fall den Betrachter inspirieren soll, sich mit den abgebildeten Outfits selbst in Szene zu setzen.
Editorials sind oft sehr frei und erzählen eine Geschichte. Das ist superspannend und oft eine Kombination aus Porträt, Beauty und Fashion. Man kann sein Potenzial ausschöpfen und Regeln brechen – das macht Spaß.
An der Werbefotografie reizt mich die Vorstellung, die Wünsche des Kunden/Artdirectors umzusetzen und meinen eigenen Blick mit einzubeziehen. Es ist eine Symbiose von mehreren Parteien, die alle am gleichen Ziel arbeiten. Teamwork – etwas gemeinsam zu erschaffen – ist eine schöne Art, sich selbst nicht zu wichtig zu nehmen und andere Meinungen einfließen zu lassen.

Sie haben auch viele Aufträge für Werbung. Was würden Sie sagen, wie sich der Blick auf Mode in der Fashion- und Werbefotografie in den letzten Jahren verändert hat?
Früher war alles irgendwie etwas komplizierter aufgebaut. Es gab weniger Motive pro Tag, weil man als Kollektiv noch nicht so viel Erfahrung hatte und die Technik natürlich auch noch nicht auf dem heutigen Stand war. Gerade im Bereich E-Commerce wird mittlerweile richtig „durchgeballert“ – oft mehr als 50 Outfits pro Tag. Es wird auch weniger retuschiert als früher, was aber möglicherweise mit veränderten Beauty-Standards in der Branche zu tun haben könnte. Die Körperideale haben sich etwas gelockert. Letztlich bleibt es ein Business, das sich an den Bedürfnissen und Wünschen der Kunden orientiert.
Welche waren Ihre aufwendigsten Shootings?
Vermutlich eine Kampagne in Bulgarien, die in den Nu Boyana Film Studios umgesetzt wurde. Dort waren mehrere Sets in einer riesigen Halle aufgebaut, und der Weg zur nächsten Location betrug rund zehn Minuten zu Fuß. Das Team bestand gefühlt aus über 100 Personen. Viele Produktionen kombinieren den Fotografie-Part mit Filmaufnahmen für TV- oder Werbespots, sodass lange Arbeitstage und ausgedehnte Wartezeiten eingeplant werden müssen.
Ein weiteres aufwendiges Projekt war ein Musikvideodreh, bei dem ich Making-of-Fotos erstellt habe. An einem Tag wurden die Performance-Szenen in einer großen Halle gedreht, am nächsten Tag fanden die Außenaufnahmen an der Nordsee statt – bei eisigen minus sechs Grad Celsius. Die Laufsequenzen am Strand wurden mit einer Filmkamera auf einem Kamerawagen aufgenommen, was den Dreh besonders anspruchsvoll machte.
Doch auch reine Make-up- oder Hairstyling-Shootings können sehr aufwendig sein. Teilweise vergehen mehrere Stunden, bis das Styling perfekt sitzt, bevor überhaupt das erste Foto gemacht werden kann.
Ist auch schon einmal etwas richtig schiefgelaufen?
Die Branche ist sehr dynamisch, und jeder Job bringt seine eigenen Herausforderungen mit sich. Gerade wenn es um Perfektion im richtigen Moment geht, passieren oft kleine Dinge, die man nicht immer unter Kontrolle hat. Zum Glück ist mir noch nie eine Blitzanlage um die Ohren geflogen oder etwas ähnlich Dramatisches passiert.
Allerdings hatte ich einmal einen Vorfall vor einem wichtigen Job: Morgens vor dem Hotel bin ich auf dem nassen Boden schwer gestürzt, weil ich es eilig hatte, zum Auto zu kommen. Dabei habe ich mir die Rippen geprellt – und musste dennoch vier Tage am Stück weiterfilmen und fotografieren, ohne mir etwas anmerken zu lassen. Zum Glück habe ich es durchgezogen. Manchmal erstaunt es mich selbst, wie belastbar ich in solchen Situationen bin. Danach musste ich allerdings eine Woche nahezu vollständig im Bett verbringen, denn jede Bewegung war eine Qual. Zum Glück hatte ich in dieser Zeit keine weiteren Jobs, die ich hätte absagen müssen.
Haben Sie ein Faible für spezielle Model-Typen, Farben, Perspektiven und Details?
Ich denke, das kommt ganz auf die Situation an. In meinen 20 Jahren als Fotografin habe ich für mich herausgefunden, dass Teamwork das Wichtigste ist. Ein Model kann noch so toll aussehen, aber wenn es keine Lust auf das Projekt oder meine Vision hat, wird es für mich schwierig.
Als Details liebe ich Augen und Lippen. Farbiges Licht und Glitzer sind ebenfalls etwas, das mich jedes Mal aufs Neue begeistert.

Haben Sie Lieblingsfotos oder Bildserien von sich – welche sind es und warum?
Ich liebe alles mit Glitzer und kann davon einfach nicht genug bekommen. Schon als Kind war ich fasziniert von allem, was glänzt und schimmert – und ich glaube, das wird sich mein Leben lang nicht ändern. Die Art und Weise, wie ich Glitzer fotografiere, ist sehr kreativ: mit Langzeitbelichtung, offener Blende, farbigem Licht und anderen Techniken. Es gibt unzählige Möglichkeiten, und ich genieße es, mich immer wieder aufs Neue auszuprobieren.
Zu meinen Favoriten gehören auch meine Bodypaint-Shootings. Ich liebe den Moment, in dem meine Kunst auf einem Menschen zum Leben erwacht. Manchmal wirkt das Ergebnis fast surreal – besonders, wenn das ganze Gesicht bemalt ist. Es bekommt dann etwas Außerirdisches. Genau das fasziniert mich: die Möglichkeit, die Realität auf eine Weise darzustellen, die man so im Alltag nicht sieht.
Was waren für Sie persönlich die Highlights in Ihrer Karriere?
Meine erste Veröffentlichung auf „vogue.de“ nach nur drei Jahren Fotografie – das war nahezu magisch. Wer kann schon von sich sagen, dass „vogue.de“ sie oder ihn angeschrieben hat? Darauf folgte ein Interview zum Thema Schönheit, ein Zehn-Jahres-Jubiläumscover für das „Z!nk Magazine“ aus New York, ein Interview mit der „Marie Claire Türkei“, Schwarzkopf USA und Adriana Lima dürfen natürlich auch nicht fehlen.
Gibt es Wunschmodelle oder Schauspieler, die Sie gern einmal fotografieren möchten? Wie würden Sie diese in Szene setzen?
Tatsächlich hätte ich Interesse daran, mehr Künstlerporträts zu machen – Schauspieler, Sänger und so weiter. Also, wenn das jemand liest: Hit me up!