Hertha BSC präsentiert sich in Nürnberg überlegen. Personalprobleme bleiben aber ein Thema.
Schon im Vorfeld seiner Rückkehr ins Frankenland wiegelte Cristian Fiel ab: „Ich hatte dort eine schöne Zeit“, erklärte der Trainer, der im Sommer vom 1. FC Nürnberg zu Hertha BSC gewechselt war. ,,Aber jetzt liegt mein Fokus komplett auf meiner Mannschaft und darauf, wie wir es angehen wollen und wie wir die größte Möglichkeit haben zu gewinnen.“ Die Umstände der Trennung waren dem Vernehmen nach in Nürnberg nicht ganz so gut angekommen – bis auf ein Transparent hielten sich die Unmutsbekundungen gegenüber dem Ex-Trainer im Achteck des Max-Morlock-Stadions dann allerdings in Grenzen.
Vielleicht auch deshalb, weil der FCN unter der Leitung des Fiel-Nachfolgers Miroslav Klose selbst in den 90 Minuten Anlass zum Missfallen bot. Die beste Situation hatten die Gastgeber dabei gleich in der ersten Minute, als Schleimer mit einem Kopfball die Latte des Berliner Tors traf. Die Entstehung aus einem Freistoß heraus ließ da noch ungute Gedanken in Reihen der Hauptstädter aufkommen, schließlich ist die Schwäche bei Standardsituationen des Gegners eine treue Begleiterin der Blau-Weißen. In der Saison 2024/25 entsprangen jedenfalls die Hälfte der bislang acht Gegentore aus Frei- oder Eckstößen – nach dem frühen Weckruf aber hielt Hertha BSC den „Club“ im ersten Durchgang weitgehend fern von seinem Tor und bestimmte das Spiel.
Die Pausenführung fiel dabei nach der Anzahl der herausgespielten Gelegenheiten eigentlich noch zu schmal aus: Acht Minuten vor der Pause hatte der erneut starke Ibrahim Maza seinen Mitstreiter Derry Scherhant geschickt angespielt und der Flügelspieler sorgte mit seinem zweiten Saisontreffer aus spitzem Winkel für das 0:1. Nach dem Seitenwechsel kontrollierte Hertha BSC dann das Geschehen mehr, als weiterhin aktiv den Weg nach vorn zu suchen. Der FCN konnte dabei noch zumindest die Statistik für sich geltend machen, diese Saison seine Punkte ausschließlich nach Rückständen erzielt zu haben – doch die Bemühungen der Klose-Elf scheiterten oft schon im fehlerhaften Spielaufbau. Dennoch behielt der Auswärtssieg durch die knappe Führung lange einen vagen Charakter – erst recht, nachdem Michael Cuisance eine Viertelstunde vor Schluss nur die Latte getroffen hatte. Trainer Fiel sorgte jedoch selbst mit seinem „Händchen“ dafür, dass er auch beim Kurzaufenthalt an alter Wirkungsstätte wieder eine schöne Zeit erlebte: Denn der in der Schlussphase eingewechselte Palko Dardai erzielte in der 90. Minute doch noch das beruhigende zweite Tor für Hertha BSC – der erste Zweitligasieg gegen Nürnberg im neunten Spiel war damit gesichert.
Schlechte Erinnerungen an Elversberg
Beherrscht wurden die Diskussionen vor dem Spiel dabei auch durch Personal- beziehungsweise Verletzungsprobleme– bekanntlich drückt die Berliner besonders in der Defensive aktuell der Schuh. Der in seinem ersten Training in der vergangenen Ligapause verletzte Neuzugang John Anthony Brooks (Sprunggelenk) ist so wohl noch bis in den November außer Gefecht gesetzt. Linus Gechter wurde zwar bereits kurz nach seiner schweren Schulterverletzung im Heimspiel gegen Fortuna Düsseldorf vor 14 Tagen operiert, dürfte aber bis Anfang nächsten Jahres ausfallen. Im selben Spiel war dazu Michal Karbownik mit einer Sprunggelenksblessur ausgewechselt worden, die ihn vier Wochen nicht zur Verfügung stehen lässt. Jeremy Dudziak– wie der Pole ebenfalls auf der defensiven Außenposition wie im Mittelfeld einsetzbar – zog sich außerdem in der Trainingswoche eine Adduktorenverletzung zu, während Andreas Bouchalakis wegen einer auf seiner Länderspielreise zugezogenen Knieblessur zuletzt ebenso nicht einsetzbar war. Dass der 31-jährige Grieche, der diese Saison noch kein einziges Mal im Spieltagskader stand, überhaupt wieder zu den Alternativen gezählt wird, unterstreicht dabei nur die gravierende Personalproblematik.
Hertha-Trainer Fiel musste also aus dem Engpass heraus gleich mehrere Entscheidungen für das Nürnberg-Spiel treffen: nach dem Abgang von Marc Kempf (zu Como / Italien) und dem Ausfall von Brooks war Marton Dardai, der vergangene Woche seinen Vertrag vorzeitig bis 2028 verlängert hat, dabei als aktuell einzig verfügbarer Linksfuß in der Abwehrzentrale quasi gesetzt. An dessen Seite rückte Toni Leistner ins Team, beide hatten bis dahin in dieser Saison noch keinen Startelfeinsatz – ebenso wie Pascal Klemens, der jedoch als Back-up für den in den letzten drei Partien vorzeitig ausgewechselten Mittelfeldspieler Diego Demme auf der Bank Platz nahm. Die Ausfälle von Dudziak und Karbownik lassen dem Coach momentan aber auch auf den defensiven Außenpositionen keinen Handlungsspielraum mehr– sollten Jonjoe Kenny (rechts) oder Deyovaisio Zeefuik (links, eigentlich gelernter Rechtsverteidiger) nicht zur Verfügung stehen, hätte Fiel aktuell keinen Ersatz mehr für sie im Kader. So wurde in der vergangenen Woche bereits medial diskutiert, ob etwa die Verpflichtung eines vertragslosen Neuzugangs sinnvoll sein könnte – allerdings wäre in dem Fall die Frage, ob ein solcher ohne Spielpraxis auf Anhieb weiterhelfen könnte. So richtete sich zumindest bezüglich der Abwehrzentrale der Blick auch einmal mehr in Richtung der U23 – hier könnten mit Peter Matiebel und Sebastian Weiland noch zwei 19-Jährige zumindest mit Einsatzzeiten, wenn auch ohne die weitreichende Erfahrung kurzfristig hochgezogen werden. Am Sonntag steht dabei für Hertha BSC nun das Heimspiel gegen die SV Elversberg auf dem Programm. Erst im Mai hatten sich die Berliner bei der 2:4-Niederlage im Saarland am drittletzten Spieltag der Saison 2023/24 vom Aufsteiger ziemlich abkochen lassen.
Dafür war den Berlinern beim Heimspiel im Dezember 2023, dem ersten Aufeinandertreffen beider Vereine überhaupt, ein deutlicher 5:1-Erfolg gelungen – der allerdings auch nur bedingt den Spielanteilen entsprach. Mit dem Dreier war die seinerzeit noch von Pal Dardai trainierte Mannschaft auf Platz acht geklettert – und lag trotzdem immer noch drei Zähler hinter der SVE. Die sind diese Spielzeit jedoch nicht so stark gestartet, und auf des Gegners Platz hat die Mannschaft von Horst Steffen in drei Anläufen auch noch nicht gewonnen – mit zwei Punkten und einem Torverhältnis von 2:3 aber gleichzeitig bewiesen, wieder ein zäher Widersacher sein zu können.