Nach zwei Startsiegen kassieren die Eisbären Berlin mit dünner Personaldecke zwei bittere Pleiten. Ein Profi erwies seinem Team mit einem Brutalo-Check einen Bärendienst.
Ob dieser Saison steckt noch mehr Berlin in den Eisbären. Der deutsche Eishockey-Rekordmeister zollt seiner Herkunft Tribut und hat in seinen Trikots für die Spielzeit 2025/26 den sogenannten „Berlin-Code“ installiert. Das neue Heim-Trikot kommt von der Schulter bis zum Oberkörper mit einem dezenten Farbverlauf von schwarz zu blau daher – ganz wie in einer zentralen Zeile der Berlin-Hymne von Sänger Peter Fox: „Während ich durch die Straßen lauf, wird langsam schwarz zu blau.“ Auch wurde die Oberflächenstruktur des Fernsehturms ins Design und der Berliner Bär in Regenbogenfarben in die Rückennummern eingearbeitet. Beim hellen Auswärtstrikot ziert nun der Schriftzug „Berlin“ statt des klassischen Club-Logos die Brust der Profis. Die Trikots seien „eine Hommage an die Bundeshauptstadt“, schrieben die Eisbären auf ihrer Internetseite.
Schwarz-blaues Heimtrikot
Zunächst schien es, als seien die Trikots auch ganz passable Glücksbringer. Der deutsche Meister startete mit zwei souveränen Siegen gegen die Dresdner Eislöwen (6:2) und bei Vizemeister Kölner Haie (7:3) in seine Mission Titelverteidigung. Doch das vergangene Wochenende entpuppte sich als sportlicher Horror: Auf die 1:7-Pleite bei den Adlern Mannheim folgte zwei Tage später ein 1:5 bei den Pinguins Bremerhaven. Zwölf Gegentore in nur zwei Spielen – so unterlegen waren die Berliner schon lange nicht mehr. Im Doppel-Heimspiel an diesem Wochenende ist für den DEL-Rekordchampion ohne Frage Wiedergutmachung angesagt: Zuerst gastieren an diesem Freitag (26. September) die Straubing Tigers in der Uber Arena, zwei Tage später steht dort die Partie gegen die Schwenninger Wild Wings auf dem Plan. Dann dürfte sich auch die Personallage wieder etwas entspannt haben, denn gegen Bremerhaven fehlten gleich sechs Stammspieler. Das konnte selbst der auch in der Breite gut besetzte Eisbären-Kader nicht kompensieren.
„Es war zweifellos ein hartes Spiel für uns“, sagte Trainer Serge Aubin: „Wir haben gerade viele Ausfälle. So ist es schwer, das nötige Energielevel aufs Eis zu bringen. Meine Spieler haben aber alles gegeben.“ Die aktuellen „Widrigkeiten“, die das Team überwinden muss, würden „aber zum Eishockey gehören“, meinte der Kanadier. Auch Verteidiger Eric Mik wollte das Fehlen von wichtigen Spielern „nicht als Ausrede“ benutzen. Die jüngsten Rückschläge seien zwar ärgerlich, sagte Mik: „Die Saison ist aber noch jung.“
Für Verletzungen wie bei den Langzeitausfällen Kai Wissmann, Markus Niemeläinen und Marcel Noebels sowie von den Angreifern Ty Ronning und Blaine Byron, die kurzfristig passen mussten, kann niemand etwas. Doch das aktuelle Fehlen von Yannick Veilleux ist selbstverschuldet. Der Abwehrspieler wurde nach seinem brutalen Check gegen den Mannheimer Luke Esposito mit einer Sechs-Spiele-Sperre belegt. Die Aktion sei „rücksichtslos und ohne anderen Zweck“ ausgeführt worden, begründete der DEL-Disziplinarausschuss das Strafmaß. Esposito, der bei dem Zusammenstoß seinen Helm verloren hatte und heftig in die Bande geknallt war, musste auf dem Eis minutenlang behandelt werden. Deutliche Blutspuren prägten die Szenerie. Nach einem Aufenthalt im Krankenhaus konnte der Profi wieder nach Hause zu seiner Familie.
Mit seiner Aktion erwies Veilleux auch seinem Team einen Bärendienst. Die Eisbären sind trotz des durchwachsenen Saisonstarts weiterhin für viele Experten der Top-Favorit auf den Titel. „Wir selbst erhöhen den Druck auf uns“, sagte Geschäftsführer Thomas Bothstede dazu der „Berliner Morgenpost“. Trainer Aubin habe zum Beispiel noch keine Play-off-Serie mit Berlin verloren, und viele Spieler seien im Eisbären-Trikot immer Meister geworden. „Das weckt Erwartungen. Man setzt sich selbst noch mehr unter Druck“, ergänzte Bothstede: „Wir haben natürlich das Ziel, den Titel zu verteidigen. Was sollen wir auch anderes sagen?“ Es gebe „drei, vier Clubs, die frustriert oder genervt sind, uns Titel sammeln zu sehen. Trotzdem würde ich nicht von Dominanz sprechen.“
Horror-Saison 2022/23
Die Horror-Saison 2022/23 mit dem Verpassen der Play-offs habe jeden im Club „Demut gelehrt“, betonte der Geschäftsführer. „Es hat uns gezeigt, dass wir verletzlich sind. Es gibt oft die Haltung, dass an Clubs wie den Eisbären alles abprallt, weil sie vermeintlich zu den Großen gehören. Doch damals mussten wir erleben, dass auch sportlich nichts selbstverständlich ist“, sagte Bothstede: „Das hat uns geerdet, wir haben gesehen, dass wir für alles kämpfen müssen, uns nicht ausruhen können auf Erfolgen.“ Und der unerwartete Abstieg der Düsseldorfer EG in diesem Jahr habe ihnen noch mal vor Augen geführt, „wie schnell auch Traditionsclubs aus der Liga verschwinden können“.
Doch nichts deutet auf einen solchen Absturz hin – trotz der jüngsten Rückschläge. Titel Nummer zwölf bleibt unbestritten das Ziel der Unersättlichen. „Erfolge machen süchtig“, meinte Trainer Aubin. Der Club hat die wenigsten Neuzugänge zu verzeichnen, weil das Meisterteam weitestgehend zusammengehalten werden konnte. Von den verpflichteten Spielern gelten die Stürmer Markus Vikingstad und Andreas Eder als gezielte Verstärkungen. Und junge Spieler sollen nun noch mehr Verantwortung übernehmen, ihnen wurden keine teuren ausländischen Profis vor die Nase gesetzt. „Wir sind breiter aufgestellt, und unsere Talente haben mehr Erfahrung“, sagte Sportdirektor Stéphane Richer. Sollte diese Strategie doch nicht wie erhofft aufgehen, hat der Club noch drei offene Ausländer-Lizenzen, um im Laufe der Saison nachzulegen.
Aubin hat besonders beeindruckt, wie motiviert und konzentriert das Team in der Sommer-Vorbereitung gearbeitet hat. Von Schlendrian oder gar Übermut sei nichts zu spüren gewesen, verriet der Kanadier: „Die Standards sind sehr hoch. Die Jungs wissen das und nehmen es an.“ Angreifer Leonhard Pföderl war ebenfalls beeindruckt von den ersten Einheiten auf dem Eis nach der langen Sommerpause: „Alle waren gleich mit einem abartigen Speed unterwegs.“ DEL-Geschäftsführer Gernot Tripcke musste zuletzt sogar die Frage beantworten, ob die Eisbären-Dominanz der Liga womöglich schade? „Es ist immer gut, wenn man eine Marke hat, an der man sich reiben kann“, antwortete er: „Das sind Phasen, die wieder vorbeigehen. Alle anderen tun etwas dafür.“
Beim 7:3-Sieg bei den Kölner Haien bewiesen die Eisbären bereits absolute Titelform. Wie schon in der Play-off-Finalserie im vergangenen Frühjahr ließen sie den Haien keine Chance, selbst ein zwischenzeitlicher 0:3-Rückstand brachte das Team nicht aus der Ruhe. „Mir hat aber gefallen, dass wir einen Weg zurück ins Spiel gefunden haben“, lobte Trainer Aubin. Die Erfolge der jüngeren Vergangenheit sorgen dafür, dass die Spieler Rückschläge deutlich besser wegstecken. Der Ausfall von Kapitän Kai Wissmann war in den ersten beiden Spielen kein Problem, doch in den Duellen mit Mannheim und Bremerhaven wurde der Nationalverteidiger schmerzlich vermisst. Er hatte sich im Training eine Achillessehnenverletzung zugezogen und fällt noch Monate aus. „Ein herber Schlag“ sei das, meinte Sportdirektor Richer. In der Tat ist Wissmann, der seinen Vertrag bei den Eisbären jüngst bis 2029 verlängerte, nicht eins zu eins zu ersetzen. Weder sportlich als Abwehrspieler noch menschlich als Führungsfigur.