Spätestens seit dem Kinohit „Brautalarm“ gehört Kristen Wiig zu den gefragtesten Schauspielerinnen in Hollywood. Ihre Fähigkeit, Menschen zum Lachen zu bringen und ihre liebenswerte, immer etwas verspielte Art verleihen ihren Auftritten ganz besonderen Charme.
Goodbye, Ruby Tuesday, sang Mick Jagger zu Ehren von Kristen Wiig, als sie vor zwölf Jahren die amerikanische TV-Comedy-Kult-Serie „Saturday Night Live“ verließ, um sich ihrer Karriere als Schauspielerin intensiver widmen zu können. Sieben Jahre lang gehörte sie zum Stamm-Ensemble, trat in über 700 Sketchen auf und wurde neben Bill Hader, Will Ferrell, Maya Rudolph und Tina Fey zum Comedy-Super-Star par excellence. Noch heute schwärmt Kristen Wiig von dieser Zeit. „Das war meine große Lehrzeit. Ich weiß noch, wie ich jedes Mal Blut und Wasser schwitzte, wenn ich bei der Redaktionskonferenz meine Sketch-Ideen vor versammelter Mannschaft vortragen musste. Ich trete, ehrlich gesagt, auch heute noch nicht gern allein auf. Was mir immer hilft, ist mit Kollegen, die ich anspielen kann, gemeinsam auf der Bühne oder vor der Kamera zu stehen. Dann vergesse ich, dass man mir dabei zuschaut und konzentriere mich nur auf mein Gegenüber.“
Kristen Wiig, Jahrgang 1973, studierte an der University of Arizona Kunsterziehung und wollte eigentlich Lehrerin werden. Nicht im Traum hätte sie je daran gedacht, Stand-up-Comedian oder gar Schauspielerin zu werden. In ihrer Freizeit nahm sie damals – eher aus Neugier – an Schauspielkursen teil. Durch ihre ungebremste Spielfreude fiel sie dort bald ihren Lehrern auf, die sie dazu ermunterten, es doch mit der Schauspielerei zu versuchen. Eines Tages nahm sie dann allen Mut zusammen, brach ihr Studium ab und zog nach Los Angeles. Freilich ohne es ihren Eltern vorher mitzuteilen. Als sie es schließlich doch ihren Eltern beichtete, „waren sie total geschockt und machten sich große Sorgen, ob ihre Tochter als Schauspielerin jemals ihren Lebensunterhalt würde bestreiten können. Sie hielten es für eine meiner verrückten Ideen und waren sich sicher, dass auch diese Phase schnell vorübergehen würde“, erzählte sie kürzlich dem Hollywood-Reporter.
Durchbruch im Comedy-Genre
Und in einem früheren Interview gestand sie: „Es hat ziemlich lange gedauert, bis ich mich endlich getraut habe, aus mir herauszugehen. In der Schule habe ich es jedes Mal gehasst, wenn ich alleine vor der Klasse sprechen musste. Und auf Partys war ich auch nicht gerade sehr gefragt, weil ich da – scheu, wie ich nun mal war – meist nicht viel gesagt habe. Mein Durchbruch kam dann, als ich von New York nach Los Angeles zog und mich der Comedy-Truppe ‚The Groundlings‘ anschloss, in der auch Will Ferrell sehr aktiv war. Will und ich haben uns oft gefragt, was wohl aus uns geworden wäre, wenn wir dort nicht hätten Fuß fassen können ... Für mich jedenfalls war es die Erfüllung meiner wildesten Träume!“
Während ihrer Zeit bei „Saturday Night Live“ begann Kristen Wiig auch damit, ihre Texte selbst zu schreiben – und erfand viele verrückte Charaktere, die bald zu den Highlights der Comedy-Show gehörten (viele davon kann man auf Youtube ansehen). Vor allem ihr Talent zu improvisieren, mit dem sie ihre Comedy-Partner gelegentlich mitten im Live-Sketch aus dem Konzept brachte, verschaffte ihr bei Fans und Kritikern große Anerkennung. Parallel zur ihren Auftritten bei „Saturday Night Live“ spielte sie auch immer wieder in Kinofilmen mit und synchronisierte Charaktere in Zeichentrickfilmen. Ihren großen Durchbruch als Schauspielerin hatte sie dann 2011 in der irrwitzigen Komödie „Brautalarm“, in der sie nicht nur die Hauptrolle spielt, sondern auch zusammen mit Kollegin Annie Mumolo das Drehbuch schrieb. Der Film spielte weltweit über 300 Millionen Dollar ein und wurde unter anderem in der Kategorie „Bestes Originaldrehbuch“ für den Oscar nominiert. Unvergessen ihr Auftritt als eifersüchtige Brautjungfer Annie, die bei der Hochzeitsvorbereitung ihrer besten Freundin Lillian mit einer anderen Brautjungfer in den Clinch geht. „Brautalarm“ ist gespickt mit virtuosen Comedy-Einlagen: Zum Beispiel Annies semi-peinlicher One-Night-Stand mit einem Macho-Playboy (Jon „Mad Men“ Hamm). Oder wie sie auf einem Flug der Brautjungfern nach Las Vegas sturzbetrunken und unter Valium-Einfluss für ziemliche Turbulenzen in der ersten Klasse sorgt. Nicht zu vergessen der Besuch der Brautjungfern-Gang in einem edlen Brautmodegeschäft, zu dem man mit Fug und Recht sagen kann: „Shit happens!“
Neben diversen Komödien war Kristen Wiig aber auch immer wieder in ernsthaften Rollen zu sehen, darunter in „Das erstaunliche Leben des Walter Mitty“ (2013), „The Diary of a Teenage Girl“ (2015), „Downsizing“ (2017) und „Bernadette“ (2019). Vor allem in diesen Filmen konnte sie zeigen, was für eine nuancierte Charakterdarstellerin sie sein kann. Doch natürlich hat sie es sich nicht nehmen lassen, auch weiterhin ihr komisches Talent in Fantasy-Filmen auszuleben. So führte sie, zusammen mit ihrer Kollegin Melissa McCarthy, in dem Reboot von „Ghostbusters“ (2016) die Riege der ersten weiblichen Geister-Jägerinnen an. Und war in der Comic-Verfilmung „Wonder Woman 1984“ (2020) als Cheetah die wildkatzengeschmeidige Gegenspielerin der Superheldin.
Unprätentiös und warmherzig
Wie federleicht und unbefangen Kristen Wiig Humor und Sentiment in ein und derselben Figur in Einklang bringt, kann man jetzt in der TV-Serie „Palm Royale“ (auf AppleTV+) erleben. Der Schauplatz für diesen dekadenten Mix aus „Desperate Housewives“ und „Big Little Lies“ ist das Luxus-Resort Palm Royale, die Ereignisse spielen im Jahr 1969. Die Ex-Chattanooga-Beauty-Queen Maxine Simmons (Kristen Wiig) ersehnt sich nichts mehr im Leben, als in den inneren Kreis der High Society von Palm Beach aufgenommen zu werden. Allerdings hat sie dafür weder den richtigen Bling-Bling-Status noch das nötige Kleingeld. Es bleibt ihr also nichts anders übrig, als sich mit allerlei Tricks und Mogeleien in diese vermeintliche Traumwelt einzuschleichen. Was für Maxine sehr schnell verschiedene Stadien von Demütigungen und Peinlichkeiten nach sich zieht. Die unangefochtene Königin der Palm-Royale-Bitches ist die Millionärin Evelyn Rollins (Allison Janney), die schnell zu Maxines Nemesis wird. Wie sich die beiden mit eisigem Lächeln anheucheln und – fast im Minutentakt – Intrigen und Lügen verbreiten, ist schon der halbe Spaß dieser Serie. Dabei auf diesem Jahrmarkt der Eitelkeiten sind unter anderem TV-Legende Carol Burnett, Josh Lucas und der „La Vida Loca“-Sänger Ricky Martin. Mit dieser bösen Satire auf die Glamour-Welt der Super-Reichen und Super-Seichten hat Kristen Wiig einen wunderschönen, sonnenüberfluteten Tummelplatz für ihr hintergründig-luzides Spiel gefunden.
Ruft man sich all die Clownereien und Harlekinaden bei Live-Auftritten, in TV-Serien und Kinofilmen ins Gedächtnis, überrascht es dann aber doch schon ein wenig, dass man beim persönlichen Kennenlernen auf eine sehr unprätentiöse und warmherzige Kristen Wiig trifft. „Das muss Sie nicht verwundern“, sagt sie lachend und stellt klar: „Privat würde ich mich nie so exaltiert aufführen. Das wäre mir dann doch irgendwie peinlich. Denn das bin dann ja ich. Aber wenn ich mich in andere Figuren verwandle oder tatsächlich lebende Menschen parodiere – dann habe ich fast keine Hemmungen und mache so ziemlich alles. Und habe auch sehr großen Spaß daran. Abseits vom Spotlight bin ich nun einmal eine sehr, sehr private Person und halte mein Privatleben sehr gern aus der Öffentlichkeit heraus. Außerdem habe ich es bis heute nicht wirklich geschafft, meine schüchterne Unsicherheit abzulegen ... Das kann bedeuten, dass ich mich oft in meiner eigenen Welt aufhalte und sogar meine sozialen Kontakte extrem zurückfahre. Diese Haltung ermöglicht es mir zwar, mich vor den nicht so guten Dingen, die das Business einem antun kann, in Sicherheit zu bringen – schneidet mich manchmal aber auch von Menschen ab, denen ich eigentlich nahe sein möchte.“ Zum Glück hat sie diese Menschenscheu dann doch immer wieder überwinden können.
Elternschaft durch eine Leihmutter
Nach einer gescheiterten Ehe – von 2005 bis 2009 war sie mit dem US-Schauspieler Hayes Hargrove verheiratet – gab es für Kristen Wiig dann doch noch ein privates Happy End. 2021 heiratete sie, nach einer langen Beziehung, den Comedian Avi Rothman. Ein Jahr zuvor wurden die beiden via Leihmutterschaft Eltern der Zwillinge Shiloh und Luna. Wie sie dem amerikanischen Radio-Moderator Howard Stern vor Kurzem anvertraute, ist ihre Familie ihr ein und alles. „Ich bin wirklich sehr glücklich mit meinem Ehemann und den Kids.“ Mit ihrer Familie lebt Kristen Wiig zurückgezogen, eine Autostunde von Los Angeles entfernt, in Pasadena. Um ihr Familienglück richtig auszukosten, hat sie sich vorgenommen, beruflich etwas kürzerzutreten.
Zurzeit schreibt sie an ihrem ersten Drehbuch, das sie diesmal ganz alleine verfasst. Doch das geht etwas langsamer voran als gedacht: „Die größte Schwierigkeit ist nicht etwa der Stoff“, meint sie mit einem zarten Lächeln, „sondern dass ich endlich die Disziplin aufbringe, mich auf den Hosenboden zu setzen und zu schreiben.“