Den vier Elementen huldigen die Glaskunstfenster im Haupttreppenhaus des Rathauses St. Johann, dem Verwaltungssitz der Stadt Saarbrücken. Der Künstler Wolfram Huschens hat die Fenster erschaffen.
Ein kleines, aber wunderschönes Farbspektakel auf dem Fußboden kann entdecken, wer nachmittags bei Sonnenschein die Haupttreppe im Rathaus St. Johann emporsteigt. Dann finden sich auf dem Boden des großen Treppenabsatzes viele kleine rote, orangenfarbene und blaue Lichtflecken, die so stark leuchten, dass sie das Dunkel des Fußbodens regelrecht überstrahlen. Sie stammen von einem der vier Fenster, die diesen Teil des Rathausturms zieren. Und diese vier Fenster sind ein Fest aus Formen und Farben. Sie stammen von Wolfram Huschens, der sie im Jahr 1951 entwarf.
Ein wahres Fest aus Formen und Farben
Wolfram Huschens war ein einflussreicher Künstler und inspirierender Pädagoge. Der Bildhauer, dessen Kunstwerke bis heute viele Saarbrücker Schulen, Gebäude der Universität, aber eben auch das Rathaus St. Johann schmücken, wurde 1921 in Idar-Oberstein geboren. Als er ein Kind war, zog seine Familie nach Saarbrücken in das Haus, in dem auch Fritz Zolnhofer wohnte. Und der junge Wolfram hatte wohl Zugang zu dessen Atelier, das ihn sehr beeindruckt haben muss. Es war für ihn der Einstieg in die Kunst, die ihn nie mehr los ließ. Nach dem Zweiten Weltkrieg studierte Wolfram Huschens in München an der Hochschule der Bildenden Künste Bildhauerei, aus diesem Studium stammte sein Wissen über Kunsttheorie, aber auch sein breites Interesse für verschiedene Materialien und Techniken. Im Jahr 1949 legte er sein Staatsexamen ab.
Zurück in Saarbrücken absolvierte er aus Verantwortung als Familienvater ein Zusatzstudium in Germanistik und lehrte von 1954 bis zu seiner Pensionierung 1978 als Kunstlehrer und Referendarausbilder am Staatlichen Ludwigsgymnasium Saarbrücken. Und das mit großer Hingabe und Erfolg.
Neben seiner Arbeit im Schuldienst widmete sich Huschens aber immer auch seiner eigenen künstlerischen Tätigkeit. Neben der Malerei experimentierte er mit verschiedenen Druckverfahren. Von einem stark farbigen, abstrahierten Expressionismus kommend, verlässt Wolfram Huschens im Laufe der Jahre die gegenständliche Darstellung, widmet sich stattdessen immer mehr einer ungegenständlichen und geometrischen Abstraktion in häufig kräftiger Farbgebung. In den 1950er und 1960er Jahren gewann er diverse Ausschreibungen für Kunst im öffentlichen Raum. Viele seiner Entwürfe wurden umgesetzt und sind bis heute in und um Saarbrücken zu sehen. So auch die vier Fenster im Rathaus St. Johann.
Die Buntglasfenster sind perfekt in das neugotische, aus Buntsandstein bestehende Maßwerk des Mauerwerks eingefügt. Die vorherigen Fenster aus der Erbauungszeit des Rathauses zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurden im Zweiten Weltkrieg zerstört. Wolfram Huschens entwarf die Fenster im Jahr 1951, sie sind das erste vollkommen abstrakte Werk des Künstlers. Während der Sanierung der Fenster in den 1990er Jahren wurden die Fenster gründlich restauriert und 1995 wieder eingesetzt. Die Fenster zeigen die vier Elemente in komplett ungegenständlichen Formen. Jedoch ist es Wolfram Huschens gelungen, nur mit der Farbgebung, der Form und dem Schwung der Glasstücke die vier Elemente genau zu charakterisieren.
Geometrische Abstraktion
Das auffälligste Fenster ist sicherlich das Fenster „Feuer“, dem der Besucher von unten kommend entgegen geht. Vor lichtem blauen Glas hat Wolfram Huschens hier rote, gelbe, orangefarbene Stücke eingesetzt. Diese einzelnen Glasscheiben sind meist oval, spitzen sich nach oben zu. Sie schlängeln sich hinauf, ganz so wie Flammen züngeln. Gleich daneben ist ein fast monochrom hellblaues Fenster zu sehen, dessen einzelne Formen aber ganz anders gestaltet sind. Während die einzelnen Elemente des „Feuer“-Fensters spitz nach oben führen, sind diese hier runder, gedrungener. In diesem Fenster findet sich ein ganz leichter Farbverlauf, die oberen Glasstücke sind hellblau, fast weiß, in der unteren Zone finden sich dagegen vereinzelte dunkelblaue Stücke, wie bei einem Wasser, das immer tiefer wird. Fast ist vor diesem Fenster das Wasser zu hören, das es symbolisiert. Die Glasformen versinnbildlichen das Sprudeln, Strömen und Glucksen des Wassers. Beim Blick auf die beiden übrigen seitlichen Fenster „Erde“ und „Luft“ ist zu erkennen, dass es auch hier dem Künstler gelungen ist, den Charakter dieser Elemente nicht nur farblich – einmal in Grün-, Beige- und Brauntönen, das andere in Dunkelblau-, Hellgelb- und Rosatönen – einzufangen, sondern dass er auch den einzelnen Glasstücken jeweils charakteristische Formen verliehen hat. Die Glasstücke des „Luft“-Fensters „wehen“ zart zur Seite. Die Formen des Fensters „Erde“ sind im wahren Sinne des Wortes am bodenständigsten. Sie sind kleiner, mosaikartig und viel stärker miteinander verwoben.
Wolfram Huschens war in der saarländischen Kunstszene gut vernetzt, er war Mitbegründer des „Deutschen Werkbundes Saar“ und Mitglied im Saarländischen Künstlerbund. Eine besondere Anerkennung seiner künstlerischen Arbeit erhielt er im Jahr 1957, als er zum Universitätszeichenlehrer im Rahmen eines Lehrauftrages an der Universität des Saarlandes berufen wurde. Im Jahr 1987 wurde er durch die Regierung des Saarlandes als Auszeichnung für sein Lebenswerk zum Professor ernannt. Da war er jedoch bereits gesundheitlich stark angeschlagen. Er starb am 16. Juni 1989 im Alter von 68 Jahren in Saarbrücken.
Wolfram Huschens hat mit diesen Fenstern der Stadt Saarbrücken und dem Rathaus St. Johann ein Meisterwerk geschenkt. Denn nicht nur, dass die Fenster modern, ungegenständlich und prachtvoll anzusehen sind, sie fügen sich harmonisch in die neugotische Architektur des Rathauses ein. Die jeweilige Gestaltung füllt auch das Maßwerk der Maueröffnungen ganz genau aus, sie lassen trotz der Farbigkeit viel Licht einfallen, und sie sind schon im Eingangsbereich beim Betreten des Rathauses ein echter Blickfang.