Sie wird oft abschätzig als Barbie bezeichnet, doch sie ist weit mehr als das: Chiara Ferragni – eine Ikone der Modebranche und der digitalen Welt.
Ein Prominenter fährt mit dem Aufzug, macht ein Selfie von sich und seinem Ehepartner. Jemand bemerkt das, fotografiert die Szene und stellt sie den Medien zur Verfügung – auf Instagram für die Ewigkeit festgehalten. Nichts Ungewöhnliches. Aber: Wer VIP-Status besitzt, hat nicht einmal bei einem solch ziemlich normalen Unterfangen Privatsphäre. Gut, Chiara Ferragni wird es wahrscheinlich nicht allzu sehr gestört haben. Schließlich gehört das Leben in der Öffentlichkeit zum Job der wohl berühmtesten italienischen Influencerin, die zudem als eine der einflussreichsten Mode-Bloggerinnen der Welt gilt. Zudem sah sie dabei wie gewohnt gut aus. Helle Wollmütze, Cat-Eye-Sonnenbrille, pinker Schal, Camouflage-Parker und dunkler Nagellack. Sie lächelt und macht das Victory-Zeichen.
Würde man das nicht auch tun, hätte man wie die schöne Italienerin rund 30 Millionen Follower:innen auf Instagram und würde jedes Jahr Millionen verdienen? Dazu noch ungetrübtes Familienglück. Vor sieben Jahren lernte sie den italienischen Rapper Fedez kennen. Ein Jahr später, im Mai 2017, verlobte sich das Paar und im Frühjahr darauf kam Sohn Leone zur Welt. Ein halbes Jahr später die Hochzeit auf Sizilien – den Heiratsantrag gab es vor laufenden Kameras – und vor knapp drei Jahren noch einmal Nachwuchs, als ihre Tochter Vittoria geboren wurde.
Doch wer ist diese erfolgreiche 36-Jährige? Chiara Ferragni kommt aus einer gutsituierten und künstlerischen Familie. Der Vater Marco Ferragni ist Zahnarzt, die Mutter Marina Di Guardo ist Schriftstellerin. Chiara hat zwei jüngere Schwestern. Die Familie lebt im 70.000-Einwohner-Städtchen Cremona in der Lombardei. Nach dem Abitur auf einem humanistischen Gymnasium folgte ein unglamouröses Jura-Studium an einer Elite-Universität in Mailand, das sie jedoch nicht abschloss.
MIt zehn Euro gestartet
Da ihre Mutter auch beim Modelabel Blumarine gearbeitet hat, bekam sie schon in frühen Jahren Einblicke in die Fashion-Industrie. Jung, attraktiv und selbstbewusst, posierte die 177 Zentimeter große Schönheit gerne für Fotos, die ihr damaliger Freund Riccardo Pozzoli machte. Diese blieben nicht dem privaten Fotoalbum vorbehalten. Vielmehr veröffentlichte sie (oder je nach Quelle er) sie auf dem Onlinedienst „Flickr“ und gründete mit ihm im Alter von 22 Jahren den Blog „The Blonde Salad“. Das Startkapital: gerade einmal zehn Euro. Heute verdient sie Millionen.
Einer der Gründe, warum der Blog, den sie drei Jahre lang mit aufbaute, so erfolgreich wurde, war die Exklusivität. Man muss nur genug Kooperationsanfragen ablehnen, schon weckt man Begehrlichkeiten. Und so handhabt sie es bis heute.
Bloggen war aber nur eines ihrer Tätigkeitsfelder. Sie begann, eigene Mode zu entwerfen. Anfangs nur Schuhe, dann, in wenigen Saisons, auch Kleidung und Accessoires. Die Marke Chiara Ferragni war geboren, 2023 konnte das zehnjährige Jubiläum gefeiert werden. Es geht ziemlich pink, funkelnd und glänzend daher auf https://eu1.chiaraferragnibrand.com. Kosmetik, Sonnenbrillen, Kugelschreiber, Federtaschen, daneben Paillettenkleider und -tops, hochhackige Sandalen mit sternförmigem Absatz und Glitzersohle, Handtaschen, Modeschmuck, Unterwäsche, Handyhüllen, Reisetrolleys – von Kopf bis Fuß kann man sich in Chiara Ferragni hüllen und Chiara Ferragni mit sich herumtragen. Das Logo ihres Labels ist ein stilisiertes Auge, inspiriert von ihrer Augenfarbe: blau.
Seit nahezu acht Jahren expandiert die Bloggerin, Influencerin und Unternehmerin, die auch als Model tätig ist, international. Sie eröffnete Pop-up-Stores in Florenz, Paris, London, Köln und auch in Taiwan, sowie eigene Flagship-Stores in Mailand, Paris, Shanghai und Hongkong. Bei der Eröffnung ihres ersten Stores in Mailand war das komplette Sortiment innerhalb weniger Minuten ausverkauft.
Selbst wenn man ihr nicht auf Insta folgt, begegnet man ihr in den Medien. Sie war Gast bei den MTV TRL Awards, Gastjurorin bei Project Runway, wurde vom „Forbes“-Magazin in die Liste der „30 Under 30 Euro: The Arts“ aufgenommen und modelte für bekannte Marken wie Swarovski, Amazon und Intimissimi. Und sie war die erste Fashion-Bloggerin, die es 2015 auf ein Cover der (spanischen) „Vogue“ schaffte. Und, wie könnte es auch anders sein, hat sie auch schon einen Ausflug ins Musik-Business unternommen. Vor dreieinhalb Jahren nahm sie eine Single mit der Rapperin Baby K. auf.
Man könnte sie sogar als Muse für den Mega-Kinohit „Barbie“ in Betracht ziehen. 2016 kreierte Mattel eine Chiara-Ferragni-Barbie. Und ebenso wie im Film steckt hinter der berühmten Kunstfigur eine moderne und starke Frau. Chiara Ferragni allerdings spielt mehr mit ihrer Haarfarbe und Frisur. Sie wechselt zwischen Braun und Blond, mal sind die Haare lang, dann trennt sie sich in einem Dubai-Urlaub davon und trägt einen kurzen Bob.
Matell widmet Chiara eine Barbie
Stark, unabhängig und erfolgreich, für diese Kombination wurde sie auch schon ausgezeichnet, in Rom als „Top Digital Leader“ und „Italian Women’s Web Star“. Die „Vogue“ lobt sie als eine der weltweit erfolgreichsten Influencerinnen. Bei der Elite-Uni Harvard wurde ihr Unternehmen sogar Thema einer Fallstudie.
Chiara Ferragni tritt nicht nur alleine auf, sie präsentiert sich auch mit ihrem Ehemann Fedez, der 34-jährige gebürtige Mailänder heißt mit bürgerlichem Namen Federico Leonardo Lucia und sie bilden ein Power-Duo namens „Ferragnez“. Das Paar lebt mit seinen Kindern in Mailand und besitzt als Rückzugsort eine Villa im abgeschiedenen Dorf Pognana Lario am Comer See, benannt nach ihrem verstorbenen Hund „Villa Matilda“.
Weiß man, dass die beiden vor gut zwei Jahren mit der achtteiligen Reality-Show „The Ferragnez – The Series“ die Welt auf Amazon Prime in ihre Privatsphäre, inklusive ihrer Hochzeit, reingelassen haben, darf man ruhig denken: Haben sie so etwas nötig? Ist das wirklich schlau?
Weiß man dann aber auch, dass sie während der Corona-Pandemie politisch Stellung bezogen haben – sie sind Gegner von Matteo Salvini, Minister für nachhaltige Infrastruktur, stellvertretender Ministerpräsident im derzeitigen Kabinett sowie Parteisekretär der rechtspolitischen Lega-Partei. Das soll jedoch kein Sprungbrett in die Politik sein. Vielmehr wollen sie weiterhin das sein, was sie bislang sind: eine geschäftstüchtige Super-Influencerin und ein Rapper, der ganz nebenbei auch noch Influencer ist. Dazu eine Familie, die auch Schicksalsschläge meistert. Im Frühjahr 2022 wurde bei Fedez ein seltener Bauchspeicheldrüsenkrebs diagnostiziert, der jedoch operativ entfernt werden konnte.