Sie ist eine der besten Schauspielerinnen der Welt, eine wahre Stilikone und ein absolutes Vorbild fürs Älterwerden.
Knallblaue Haare und eine lange Robe im selben Farbton: Bei der Eröffnung der Filmfestspiele in Cannes im Mai dieses Jahres überraschte Helen Mirren mit einem spektakulären Auftritt. Passend zum lockigen, hochgesteckten Haar und dem Satinkleid ließ der Star auch die Fingernägel im gleichen hellblauen Farbton erstrahlen. Dieser Look hätte vermutlich bei jeder Schauspielerin Aufsehen erregt. Bei Helen Mirren war das jedoch fast undenkbar. Weniger aufgrund ihres Alters von 77 Jahren, sondern vielmehr im Hinblick auf ihren Stil. Meistens waren ihre Roben eher distinguiert und klassisch. Andererseits ist der Cannes-Look für die britische Golden-Globe- und Oscar-Preisträgerin alles andere als unpassend. So wie ihre unterschiedlichsten Filmrollen enthüllte auch dieses Outfit eine der zahlreichen Facetten der Schauspielerin.
Dass sie eines Tages weltweit zu den Größten ihres Fachs gehören und ihr 2003 von der Queen sogar der Ritterorden Order of the British Empire in Verbindung mit dem Titel Dame Commander of the British Empire verliehen wird, hätte wohl niemand gedacht.
Denn ihre Geschichte fing alles andere als glamourös an. Ilyena Vasilievna Mironov kam am 26. Juli 1945 in London als Tochter einer belarussischen Aristokratenfamilie zur Welt, die nach der Oktoberrevolution nach London gekommen war. Ihr Vater arbeitete als Taxifahrer, freiberuflicher Musiker und Aushilfslehrer. Erst nach dem Tod ihres Großvaters, der nach dem Ausbruch der Russischen Revolution die Familie nach England gebracht hatte, gaben sich Vater und Tochter englische Namen. So wurde aus Ilyena Vasilievna Helen Mirren. Trotz ihres Kindheitstraums Schauspielerin zu werden, musste sie dem Wunsch ihrer Mutter Kathleen Rogers nachkommen und Lehramt studieren.
Für Mirren war das jedoch keine Option. In ihrer ersten großen Rolle in der Romanze „Das Mädchen vom Korallenriff“ aus dem Jahr 1969 schlüpfte sie in die Rolle einer jungen Verführerin und zeigte für damalige Verhältnisse so viel nackte Haut, dass zahlreiche Filmszenen im Nachgang zensiert werden mussten.
Ihr Bühnendebüt war sogar noch früher. Mit 19 Jahren spielte sie im bekannten Londoner Theater „Old Vic“ die Hauptrolle der Kleopatra in „Antony and Cleopatra“. Daraufhin wurde sie als eines der jüngsten Mitglieder in die berühmte „Royal Shakespeare Company“ aufgenommen.
Talentiert und wandlungsfähig
Äußerst talentiert und wandlungsfähig hat sie seitdem in zahlreichen Filmen gespielt und auf der Bühne gestanden. Für ihre Rolle im Drama „Cal“ mit John Lynch wurde sie 1984 bei den Filmfestspielen in Cannes als beste Darstellerin ausgezeichnet. Sie spielte mit River Phoenix in „Mosquito Coast“, war in Peter Greenaways „Der Koch, der Dieb, seine Frau und ihr Liebhaber“ zu sehen. Für „King George – Ein Königreich für mehr Verstand“ von 1995 wurde sie wieder in Cannes ausgezeichnet und erhielt sogar eine Oscarnominierung. Seit Mitte der 70er ist sie auch im Fernsehen präsent, etwa als Kommissarin in der Serie „Heißer Verdacht“, einer Episode von „Twilight Zone“ und bei „Harry Potter: Hogwarts Tournament of Houses“.
Seit über 55 Jahren ist Helen Mirren aus Filmproduktionen gar nicht mehr wegzudenken. Sie dreht mindestens einen Film im Jahr und wenn sie mal pausiert, was selten vorkommt, dann kurz vor oder nach einer langen Produktionsperiode.
Zudem kommen zahlreiche Arbeiten fürs Fernsehen hinzu: Ob „Gosford Park“ in der Regie von Robert Altman, in „Kalender Girls“, 2005 im TV-Zweiteiler „Elisabeth I“, der ihr unter anderem einen Emmy und einen Golden Globe Award einbrachte – immer glänzte die britische Schauspielerin. Für ihre Darstellung von Elisabeth II. in „Die Queen“ hagelte es noch mehr Preise: einen Oscar als beste Hauptdarstellerin, einen Coppa Volpi bei den Filmfestspielen in Venedig und auch ihre Golden Globe Awards mehrten sich.
Als hätten ihre Tage mehr als 24 Stunden, ist sie auch als Synchronsprecherin zu hören, etwa als Computer in „Per Anhalter durch die Galaxis“ oder im Tierfilm „Pride – Das Gesetz der Savanne“. Und, man mag es sich denken, sie hat auch schon Regie geführt, etwa bei einer Folge der TV-Produktion „Random – Nichts ist wie es scheint“ aus dem Jahr 2001.
Wenngleich sie immer wieder auch Komödien dreht, so gefalle ihr dieses Genre gar nicht. Auch über Gefühle zu reden, sei so gar nicht ihr Ding, verriet sie in einem Interview. Deshalb sehe sie sich auch als ein „Mann in Verkleidung“.
Da scheint ihr „Golda“, ihr neuer Film, den sie auf den diesjährigen Filmfestspielen in Berlin präsentierte – auf der Berlinale hatte sie drei Jahre zuvor den Goldenen Ehrenbären für ihr Lebenswerk erhalten – weit mehr zu liegen. Sie spielt die israelische Ministerpräsidentin Golda Meir.
Oscarpreisträgerin
Überhaupt scheint dieses Jahr gut für sie zu laufen. Im Januar erhielt sie in Los Angeles einen Stern auf dem Walk of Fame. An ihrer Seite war ihr stolzer Ehemann Taylor Hackford (78). Seit 1997 ist sie mit dem US-amerikanischen Regisseur verheiratet. Einer der Gründe, warum die Ehe schon seit über 25 Jahren halte, sei, wie sie der Zeitschrift „Women & Home“ verriet, dass beide überhaupt keine Romantiker seien.
Zuvor war sie übrigens mit zwei Schauspielkollegen liiert: mit dem Iren Peter O’Toole und in den 1980er-Jahren fünf Jahre lang mit Liam Neeson. Den britisch-irischen Schauspieler hatte sie 1980 bei Dreharbeiten zu „Excalibur“ kennengelernt. Noch heute schwärmt sie öffentlich von ihm. Sie empfinde für Neeson eine tiefe Liebe und halte ihn für einen „großartigen Typen“.
Ihren Männern hat die Schauspielerin in der Regel meistens auch die Garderobe aufgemöbelt. Sie hat beispielsweise sehr gerne genäht, und so bekam jeder der Herren ein T-Shirt made by Helen geschenkt.
Eigene Kinder hat sie aus keiner ihrer Beziehungen, der „SZ“ verriet sie, dass sie nie Mutterinstinkte gehabt habe. Sie hat jedoch zwei Stiefsöhne, Rio und Alex, die Ehemann Taylor Hackford mit in die Ehe brachte und die in ihr den Familienmenschen aufleben ließen. Stiefsohn Rio Hackford verstarb jedoch letztes Jahr im Alter von gerade mal 51 Jahren.
Als Fan von Helen Mirren kann man sich aktuell auf ihren Cameo-Auftritt im Erfolgsstreifen „Barbie“ freuen. Sie übernimmt im englischen Original die Rolle der Erzählerin.