Der Bestsellerautor Jan Weiler hat kurzfristig seine Lesung im September zur „HomBuch" verschoben. Nun wird er im Oktober in Homburg gastieren.
Herr Weiler, Sie haben als Werbetexter und Journalist gearbeitet und waren Chefredakteur beim „SZ-Magazin". „Maria, ihm schmeckt’s nicht" wurde ein Bestseller. War es der Erfolg, der Sie beflügelt hat eine freiberufliche Schriftsteller-Karriere zu wagen?
Naja, schon. Als das Maria-Buch so ein Erfolg wurde, da war ich Ende 30, und habe mir überlegt: Das „spricht" zu mir (lacht). Vielleicht kann ich auch mal was anderes machen? Vielleicht mache ich das ein Jahr, und wenn es nicht gut läuft, gehe ich wieder in eine Redaktion.
Sie werden aus Ihrem jüngst veröffentlichten Roman „Der Markisenmann" lesen. Die Textstellen wählen Sie ja nicht zufällig aus. Nach welchen Kriterien suchen Sie aus?
Was ist am besten für öffentliche Lesungen? Das ist Kriterium Nummer eins. Ich lese ja nicht Stellen vor, von denen ich denke, dass die Leute sie nicht mögen werden.
Und wie müssen die Stellen sein, die Sie auswählen?
Sie müssen etwas über das Buch erzählen und sehr unterhaltsam sein. Es gibt eine Dramaturgie, wie die Lesung aufgebaut ist – das ist wie ein Einpersonenstück.
Als ich das Buchcover gesehen habe, dachte ich: Aha, Siebzigerjahre! Stimmt das?
Das ist ein altes Markisenmuster. Der Mann hat 1991 Markisen aufgekauft, um sie weiterzuverkaufen. Das Buch spielt in den 80er-Jahren und in der Gegenwart.
Der Mann, Ronald Papen, ist Vertreter für Markisen. Wie sind Sie denn auf diesen Beruf gekommen?
Das hat damit zu tun, dass ich wollte, dass er erfolglos ist und einen Betrieb hat, der so nicht funktionieren kann. Wenn er jetzt Versicherungen verkaufen würde, wäre das relativ langweilig und für den Leser nicht visuell. Er muss also raus, zu den Menschen, und am besten etwas verkaufen. Das muss etwas sein, was die Menschen anregt, was die Fantasie anregt. Messer oder Honig zu verkaufen, wäre vergleichsweise konventionell, das hätte man schon einmal gesehen oder gehört.
Die Protagonisten sind eben jener Ronald Papen und seine 15-jährige Tochter Kim. Als Autor der „Pubertier"-Reihe beschäftigen Sie sich erneut mit der Konstellation Vater-Tochter. Eine unendliche Geschichte?
Och, ja, das hatte bei dem Buch ja einen wichtigen Grund, weil meine Tochter dieses Buch gewissermaßen in Auftrag gegeben hat. Die hat vor zehn Jahren gesagt, dass ich einen Roman für sie schreiben soll (lacht). Es hat halt zehn Jahre gedauert bis ich es bei ihr abgeliefert habe.
Deshalb die Widmung „Für Milla"?
So ist es. Aber, ich mach schon auch andere Sachen.
Spielt das Lokalkolorit des Ruhrgebiets eine besondere Rolle oder könnte die Geschichte auch anderswo in einer Industrieregion spielen?
Die könnte auch anderswo spielen. Ich habe den Ort aus demselben Grund ausgesucht, wie Ronald Papen. Das entscheidende Kriterium ist, dass dort viele Menschen auf engem Raum leben. Wenn Karlsruhe fünf Millionen Menschen hätte, hätte es vielleicht in Karlsruhe gespielt. Das ist jetzt nicht wirklich ein Ruhrgebietsbuch, auch wenn es jetzt unheimlich stark so wahrgenommen wird. Die Typen, die der Kim begegnen, das ist Milieu – das gibt es anderswo auch.
Erhalten Sie von Ihren erwachsenen Kindern – ihr Sohn ist 19, ihre Tochter 24 Jahre alt – Kommentare zu Ihren Büchern?
Von meiner Tochter schon, sie hat die Entstehung des Buches intensiv verfolgt. Wenn ich ein Kapitel abgegeben hatte, hat sie gesagt: Los, weiterschreiben, schneller! Sie nimmt schon Anteil. Mein Sohn hingegen sagt von sich selbst, er sei nicht so ein Leser.
Hatte Ihre Tochter so was wie Mitspracherecht bei der Entstehung?
Nein, nein, da bin ich zu nichts zu bewegen. Ich bin auch kein Teamwork-Typ. So was wie Writersroom, wo zwölf Leute versuchen an einem Drehbuch rumzubasteln, das wäre nichts für mich.
Wie erklären Sie sich Ihren Erfolg?
(lacht) Wenn es da ein Patentrezept gäbe, wäre es einfach. Ich glaube, dass ich ganz gut darin bin Geschichten zu erzählen, die die Leute berührten. Das liegt an der Sprache, an der Art, wie man das erzählt, und ein bisschen auch daran, dass es etwas anders erzählt ist, als andere Geschichten, zum Beispiel über Pubertät –
es ist ja nicht so, als ob noch nie etwas darüber geschrieben worden wäre.
„FORUM – Das Wochenmagazin" gendert nicht. Sie auch nicht. Aus welchem Grund praktizieren Sie kein geschlechtergerechtes
Schreiben und Sprechen?
Weil es die Sprache in den Dienst einer Sache stellt, und dafür ist die Sprache nicht da. Das ist das eine, das zweite ist, dass ich finde, dass man es nicht gut lesen kann. Das dritte ist, dass ich ein bisschen Widerwillen habe, Leuten per order mufti gerecht zu werden. Ich finde, jeder kann das so machen, wie er will. Man kann auch gendern, wenn man es gut findet. Ich finde es sprachästhetisch furchtbar, und deshalb beteilige ich mich nicht.
Beim Schreiben naschen Sie Schokolade …
Oh, ja!
Es könnte ja sein, dass Ihnen Fans zur Lesung nach Homburg Schokolade mitbringen, sozusagen um Sie zum nächsten Buch zu animieren. Welche Sorte ist Ihr Favorit?
(lacht) Ich bin ein Pralinentyp. Ich mag gern Pralinen ohne Alkohol!
Ich verstehe Sie. Ich mag am liebsten Nougat.
Ja, Nougat ist super!