Die Luxemburger Wirtschaft steht stark unter Druck. Dabei sind die Schwierigkeiten hausgemacht: zu wenige Fachkräfte, zu wenige Wohnungen, zu lange Genehmigungsverfahren und zu lange Staus. Die Probleme bauen aufeinander auf.
Die Klischees rund um Luxemburg sind in der Großregion bekannt: Die Löhne sind hoch, ebenso die Mieten, getankt wird relativ billig und immer in Verbindung mit ein paar Päckchen Kaffee oder Zigaretten, der Berufsverkehr ist die Hölle und die Landschaft malerisch. Einige dieser Klischees beruhen auf Tatsachen. Und einige dieser Fakten werden der Luxemburger Wirtschaft gerade zum Verhängnis.
Luxemburg hat derzeit rund 660.000 Einwohner. In etwa so viel wie Düsseldorf. Das Bruttoinlandsprodukt betrug 2022 laut Destatis 79 Milliarden Euro – im Vergleich mit Deutschland und seinen rund vier Billionen Euro nicht gerade viel, dafür erwirtschaftet einer von rund 481.000 Beschäftigten in Luxemburg im Vergleich das höchste Pro-Kopf-BIP der EU mit 119.230 Euro (Deutschland: 46.150 Euro). Natürlich liegt dies nicht zuletzt am Finanzsektor. Dieser macht mittlerweile ein Viertel der gesamten Luxemburger Wirtschaft aus. Die Zahl der Fonds in Luxemburg wird nur noch von jenen in den USA überboten – der Brexit, ein Glücksfall für die erfolgsverwöhnte Luxemburger Finanzbranche, denn sie empfing gleich 95 Unternehmen aus London mit offenen Armen.
Ebenso wichtig aber sind mittlerweile Branchen, die die Luxemburger Handelskammer als besonders zukunftsträchtig ansieht: Biomedizin, Umwelttechnologien, Logistik, Informationstechnologie und Cybersicherheit sowie Weltraumtechnologie. Ja, Luxemburg schielt auf den Weltraum, hat eine eigene Weltraumagentur gegründet, die junge Ideen und Start-ups ins Land holen soll. Und dies mit großem Erfolg: Luxemburg ist das erste europäische Land und das zweite Land weltweit, das einen eigenen Rechtsrahmen für Eigentumsrechte auf Ressourcen im All geschaffen hat. 70 Unternehmen und Forschungslabore, vier öffentliche Forschungseinrichtungen und 1.400 Beschäftigte arbeiten bereits an Technologien rund ums Weltall.
Erfolg zieht Arbeitskräfte an. 200.000 Pendler strömen tagtäglich nach Luxemburg und hinaus, die meisten aus Frankreich, viele davon mit dem Auto. Die Folge: regelmäßiger Verkehrskollaps. Dagegen hat die derzeit amtierende Regierungskoalition einiges getan. Der Grund, warum jedoch so viele pendeln müssen, sind die Mieten. Denn es gibt nicht genügend Wohnraum.
Mittlerweile kostet der Quadratmeter in Luxemburg-Stadt etwa 9.000 Euro – mehr als in jeder anderen europäischen Großstadt. Kaufpreise von 12.000 Euro pro Quadratmeter sind keine Seltenheit mehr. Die Folge: Trotz hoher Löhne können sich viele Luxemburger kein eigenes Haus, keine eigene Wohnung mehr leisten. Gebaut und gewohnt wird woanders – im Saarland, in Frankreich oder Belgien. Dort steigen dann ebenfalls die Grundstückspreise. Dieser Teufelskreis führt zu einem weiteren Problem: Luxemburg ist das Land mit den meisten „Working Poor“ der Eurozone. Jeder fünfte Luxemburger ist laut dem „Panorama social 2023“ trotz Arbeit von Armut gefährdet, unter den Alleinerziehenden sind es sogar 40 Prozent. Die Untersuchung der Luxemburger Arbeitnehmerkammer zeigt sehr deutlich, wie stark die soziale Ungleichheit im reichsten Land der EU zunimmt.
Mangel an bezahlbarem Wohnraum und hohe Lohnkosten für Unternehmen
Die Regierung hat dies erkannt und bis 2025 ein 600 Millionen Euro schweres Wohnungsbauprogramm ins Leben gerufen. 10.000 staatliche Wohnungen sollen gebaut werden – viel zu wenige. Denn mittlerweile ist das Wohnungsproblem ein strukturelles, das durch die hohe Inflation, hohe Zinssätze und steigende Baukosten noch verschärft wird. Hinzu kommt das Flächenproblem des kleinen Landes: Die Zeit vom Verkauf einer Grundstücksparzelle bis zum Bau eines Gebäudes beträgt mit allen Gutachten und bürokratischen Verfahren rund zehn Jahre – viel zu lange angesichts der großen Wohnungsnot.
Und dann ist da noch der Fachkräftemangel. Nach Schätzungen der Luxemburger Handelskammer braucht die Wirtschaft bis 2030 270.000 zusätzliche Fachkräfte. Zwar ist das Land nach mehreren Studien immer noch sehr attraktiv für ausländische Fachkräfte. Ob aber noch genügend Interessenten in den umliegenden Ländern mit schrumpfenden Einwohnerzahlen zu finden sind, ist für die Wirtschaft wie auch den Luxemburger Staat als Arbeitgeber fraglich. Und auch hier lauert ein Folgeproblem: Um das Rentensystem stabil zu halten, müssen immer wieder genügend Fachkräfte in das Luxemburger System einzahlen. Das System der Indexierung jedoch erhöht das Risiko für die anhaltende Stabilität der Renten, denn mit zunehmender Inflation passen sich in Luxemburg Renten, Löhne und Gehälter ab einer bestimmten Inflationsschwelle automatisch an. Dieses System ist in Zeiten überschaubar geringer Inflation wie in den vergangenen Jahren kaum spürbar, in Zeiten hoher Inflation wie derzeit jedoch umso mehr.
Entsprechend mehrt sich das Stirnrunzeln der Luxemburger Wirtschaft, das bestätigen auch die Umfragen der Handelskammer: Nach Daten des Wirtschaftsbarometers 2022 gehören das Fehlen von Fachkräften (55 Prozent), Arbeits- und Lohnkosten (51 Prozent) und der bezahlbare Zugang zu Energie und Rohstoffen (51 Prozent) zu den größten Herausforderungen für die Entwicklung von Unternehmen. Noch dazu, weil der öffentliche Dienst in Luxemburg mit Durchschnittsgehältern von 8.200 ein attraktiver Konkurrent auf dem Arbeitsmarkt zu sein scheint.
Luxusprobleme, könnte man meinen, doch bittere Realität für die vielen vor allem von außen einpendelnden Arbeitskräfte im Land. Trotz eines Mindestlohnes von 2.200 Euro für unqualifizierte Arbeitskräfte steht Luxemburg vor einem immer weiteren Auseinanderklaffen der Schere zwischen Arm und Reich. Den Wohlstand zu halten und alle daran teilhaben zu lassen wird Aufgabe künftiger Luxemburger Regierungen sein.