Eine Schwangerschaft ist eine außergewöhnliche Leistung für den weiblichen Körper, der danach Zeit zur Regeneration braucht. Sportwissenschaftlerin sowie Post- und Pränataltrainerin Katja Pätzold erklärt, wie Frauen ihren Körper nach der Geburt effektiv stärken können.
Ein Kompliment für die Figur nach einer Schwangerschaft kann schmeichelhaft sein – doch, ob die Babypfunde schnell oder langsam purzeln, spielt keine Rolle. Denn der weibliche Körper hat Großartiges geleistet: Er hat neues Leben geschaffen. Umso wichtiger ist es, ihn zu stärken, die Muskeln zu kräftigen und das eigene Wohlbefinden zu fördern. Gerade in der Schwangerschaft und in der Zeit danach gibt es jedoch einiges zu beachten, wenn es um Bewegung und Training geht. Begriffe wie Rückbildung, Beckenboden und Rektusdiastase spielen dabei eine zentrale Rolle. Anstatt auf eigene Faust zu trainieren, ist es oft sinnvoller, sich professionelle Unterstützung zu holen. Eine Expertin auf diesem Gebiet ist Katja Pätzold. Die Fitnessökonomin aus dem Saarland begleitet werdende und frisch gebackene Mütter in Präsenz- und Onlinekursen und Personal Training – von der Schwangerschaft über die Rückbildung bis hin zum Fitnesstraining mit oder ohne Baby. Sogar prominente Kundinnen setzen auf ihr Know-how.

Frau Pätzold, Sport in der Schwangerschaft gilt als förderlich – doch was ist, wenn ich zuvor keinen Sport getrieben habe? Kann ich trotzdem während der Schwangerschaft damit beginnen?
Ja, das ist möglich. Wichtig ist, langsam zu beginnen – ähnlich wie bei jedem Sporteinsteiger. Deshalb führe ich zunächst eine Anamnese durch, um den individuellen Fitnesszustand und mögliche Einschränkungen der Schwangeren einzuschätzen. Anschließend starten wir mit leichten Belastungen, die schrittweise gesteigert werden. Sport in der Schwangerschaft dient nicht nur der Gewichtskontrolle – was viele als Hauptmotiv nennen – sondern kann auch gezielt schwangerschaftstypische Beschwerden wie Rückenschmerzen, insbesondere im Iliosakralgelenk (ISG), oder Symphysenbeschwerden lindern und zum Beispiel Schwangerschaftsdiabetes, Depressionen vorbeugen. Allerdings sollte man beispielsweise nicht mit dem Joggen beginnen, wenn man vorher nie gelaufen ist.
Wie viel Sport ist während der Schwangerschaft empfehlenswert?
Das hängt ganz vom Fitnesszustand der Schwangeren ab. Wer sportlich ist oder sogar Leistungssportlerin kann in der Frequenz weitermachen wie zuvor, nur etwas reduzierter in der Intensität. Man versucht den Fitnesszustand zu erhalten und nicht zu steigern. Neueinsteiger können zwei- bis dreimal die Woche trainieren oder auch täglich spazierengehen. Dazu rate ich immer. Wer fit ist, kann aber auch vier- bis fünfmal die Woche trainieren. Ruhetage sind aber Pflicht in der Schwangerschaft.
Gibt es eine Grenze für sportliche Aktivität in der Schwangerschaft? Und wie kann ich erkennen, wenn es zu viel wird?
Wer beim Training so außer Puste ist, dass eine Unterhaltung nicht mehr möglich ist, übertreibt es. Die Muskeln sollten auch nicht zu doll zittern und beim Sport soll kein Druckgefühl nach unten oder ein Fremdkörpergefühl entstehen. Übelkeit, Schwindel, Unterleibskrämpfe und ein harter Bauch bedeuten auch: Stopp, das ist zu viel!
Trainiere ich am Anfang der Schwangerschaft anders als gegen Ende?
Ja, die Mobilität verändert sich natürlich mit wachsendem Bauchumfang. Man kann theoretisch auch bis zum Ende der Schwangerschaft moderat joggen, aber in der Regel fühlt es sich dann nicht mehr gut an. Alternativ gibt es viele andere Übungen, die man angepasst durchführen kann, oder man geht eben zügig spazieren.
Was halten Sie von Youtube-Videos für Schwangere für zu Hause?
Naja, da gibt es deutliche Unterschiede. Es gibt ein paar wenige, die gut sind und viele, die weniger gut sind. Das Problem generell ist, dass zu Hause niemand kontrolliert, wie die Schwangere die Übung ausführt. Professionelle Videos für zuhause sind besser als gar kein Sport.
Was gilt es generell beim Sport in der Schwangerschaft zu beachten oder zu vermeiden?
Ganz am Anfang würde ich von Hüpfen, Springen und High-Impact-Übungen (HIT) abraten. Wenn das Baby gut eingenistet ist, kann man im zweiten Trimester mehr machen. Crunches sind gegen Ende wenig ratsam, weil die Bauchmuskeln nicht mehr so stabil sind. Durch das Anheben des Kopfes werden die Bauchmuskeln mehr auseinandergedrückt (der intraabdominelle Druck im Bauchraum steigt) und der Druck auf den Beckenboden nach unten steigt. So werden eine Rektusdiastase nach der Geburt und eine Beckenbodenschwäche begünstigt.

Sie geben auch Beckenbodenkurse für die Rückbildung. Was bedeutet Rückbildung, und ist es zwingend notwendig sie zu machen?
Ganz klar: ja. Die Rückbildung hilft dabei, die Körpermitte wieder zu stabilisieren. Der Beckenboden wird gezielt gestärkt, sodass er wieder optimal funktionieren kann. Zudem werden die tiefen Bauch- und Rückenmuskeln, die während der Schwangerschaft aus dem Gleichgewicht geraten sind, stabilisiert. Dadurch lassen sich Beschwerden wie Blasenschwäche oder Organsenkungen aktiv vorbeugen oder lindern. Auch wenn manche Frauen Glück haben und kaum Beschwerden verspüren, halte ich eine umfassende Rückbildung für essenziell – und das nicht nur für die Dauer eines Kurses, sondern über das gesamte erste Lebensjahr des Kindes hinweg.
Ab wann sollte man mit der Rückbildung beginnen?
Idealerweise schon im Wochenbett. Das sind Regenerationsübungen. Man beginnt mit leichter Aktivierung des Beckenbodens durch gezielte Atmung. Dann kommt es auf die Art der Geburt an und wie man sich fühlt. Die Selbstheilung und Regeneration kann aber schon mal angeschubst werden. Nach sechs bis acht Wochen nach einer Spontangeburt kann man dann mit dem Kurs starten, nach acht bis zwölf Wochen nach einem Kaiserschnitt. Wer sich unsicher ist, fragt beim Gynäkologen oder bei der Gynäkologin nach. Mit der Rückbildung wird dann der Grundstein gelegt. Einmal die Woche reicht aber nicht. Bei mir gibt es beispielsweise begleitende Videos für zu Hause. Man baut langsam auf der Regeneration auf und kann Stück für Stück zum „normalen“ Training hinführen.
Kann ich das Versäumte nachholen, wenn ich keine Rückbildung gemacht habe, meine Schwangerschaft schon Jahre zurück liegt?
Man kann immer etwas machen. Das zu wissen, ist ganz wichtig. Es ist nie zu spät. Also einfach anfangen und dranbleiben.
Wann kann ich nach einer Schwangerschaft wieder so richtig loslegen mit Sport? Man denkt da an Models, die direkt wieder intensiv trainiert haben, um schnell in die alte Form zurückzufinden.
Das ist individuell und aus meiner Sicht unrealistisch. Generell ist davon abzuraten so schnell wieder Vollgas zu geben. Je nach Geburt und Beschwerden danach sagt man zwischen etwa sechs Monaten und einem Jahr ist realistisch, kann von Frau zu Frau auch stark variieren. Ich rate immer begleitend dazu zu einem Beckenbodentraining und einer Ganzkörperkräftigung. Das gilt für den Wiedereinstieg zum Beispiel bei Sportarten wie Joggen, Tennis et cetera. und für normales Fitnesstraining. Man kann nämlich auch im Nachhinein noch Organsenkungen begünstigen. Spätestens in den Wechseljahren kann sich das bei der hormonellen Umstellung rächen. Es gibt Beckenbodenzentren, in denen man prüfen lassen kann, ob man betroffen ist, beziehungsweise in welchem Grad, wenn man sich unsicher ist.
Thema Rektusdiastase. Was genau ist das und kann man die noch mal vollständig schließen?
Eine Rektusdiastase ist das Auseinanderweichen der geraden Bauchmuskeln (Musculus rectus abdominis) entlang der Linea alba, also der Mittellinie des Bauches. Es ist ein Trugschluss – sie muss nicht vollständig geschlossen werden. Bei manchen war sie das vielleicht auch nie. Man schaut nur nicht, wie weit die Bauchmuskeln geöffnet sind bei einer Frau, die nicht schwanger ist. Es geht nur darum, wie stabil und funktional die Bauchwand ist und arbeitet. Wenn alles gut funktioniert, ist es nicht schlimm, wenn sie drei oder vier Finger breit ist. Im Gegensatz dazu kann aber auch selten eine fast geschlossene zu Problemen führen. Auch hier ist wichtig zu wissen: Man kann immer etwas dagegen tun.
Kann ich mit einer Organsenkung noch mal joggen?
In vielen Fällen und mit dem richtigen Training, kann man auch bei einer Organsenkung nochmal joggen. Nur in besonders ausgeprägten Fällen geht es nicht mehr. Aber es gibt zum Beispiel sogenannte Pessare, die dabei unterstützen. Es ersetzt aber kein Training.
Was ist ein Pessar?
Ein Pessar ist ein medizinisches Hilfsmittel, das in die Vagina eingeführt wird, um verschiedene gynäkologische Beschwerden zu behandeln. Bei einer Gebärmuttersenkung oder Blasensenkung. Das Pessar stützt die Gebärmutter oder Blase und kann so Beschwerden wie Druckgefühl oder Inkontinenz lindern. Bei einer Beckenbodenschwäche hilft es, die Organe in der richtigen Position zu halten und so Symptome zu verbessern.
Du hattest mit Renata Lusin, einer Tänzerin von „Let’s Dance“, schon eine prominente Schwangere, mit der Du trainiert hast. Wie kam es dazu?
Sie hatte in der Schwangerschaft ein Video gepostet und dazu geschrieben, dass es komisch für die ist, ihre geraden Bauchmuskeln nicht mehr trainieren zu dürfen. Ich habe dann einfach geantwortet, obwohl ich das eigentlich nie mache: stimmt nicht. So kamen wir in Kontakt und sie hat ihr Personal Training online bei mir begonnen.