Sie gehörte für die Grünen von 1983 bis 2017 dem Bundestag als Expertin für Ausländerfragen und Ostpolitik an. Unter Kanzler Schröder war sie Staatssekretärin im Familienministerium. Seit 2017 setzt sich die 72-Jährige für eine offene Gesellschaft ein.
Das Betätigungsfeld von Marieluise Beck hat sich seit ihrem Rückzug aus dem Bundestag 2017 nur wenig verändert: Die profilierte Politikerin, die eher „so nebenher“ in die Politik geraten war, setzt sich auch heute noch für den Erhalt der liberalen Demokratie, für die Interessen Osteuropas, für eine menschliche Migrationspolitik und gegen Antisemitismus ein. Zu diesem Zweck schuf Beck bereits in den 2010er-Jahren ein umfassendes Netzwerk, das Kontakte zu Bürgerrechtlern und der demokratischen Opposition in Osteuropa unterhält.
Nach dem Verzicht auf eine erneute Bundestagskandidatur gründete sie 2017 mit ihrem Mann Rolf Fücks die Nichtregierungsorganisation „Zentrum Liberale Moderne“ (ZLM), deren Osteuropa-Direktorin sie heute ist. Die Arbeit der „unabhängigen Denkwerkstatt“ ZLM konzentriert sich auf die Stärkung der liberalen Demokratie, etwa durch Forschung, Workshops, Konferenzen und Publikationen. Dort tauschen renommierte Wissenschaftler, Experten und politische Entscheidungsträger aus der ganzen Welt Ideen aus und erarbeiten Strategien zur Weiterentwicklung liberaler Demokratie und sozialer Gerechtigkeit sowie zur Zurückdrängung der „weitverbreiteten antiliberalen Internationale“. Aktuelle Entwicklungen in Europa könnten nach Becks Ansicht den Fortbestand der EU gefährden: „Wir haben es nicht für möglich gehalten, dass diese EU von innen und außen so unter Druck geraten könnte“, betonte Beck kürzlich in einem NDR-Interview. „Es ist nicht ausgeschlossen, dass dieses Europa zerbröselt, wenn wir nicht sehr genau verstehen, wo die Feinde Europas sitzen und wie wir gegen sie vorgehen.“
„Fortbestand der EU ist gefährdet“
Diese Feinde verortet Beck vor allem im expansionsorientierten Russland im Äußeren sowie in Rechts- und Linksextremismus im Inneren: „Aber wir dürfen nicht davonlaufen und müssen das verteidigen, wofür die EU steht: Menschenrechte, Freiheit, Vielfalt.“ Leider habe Europa aber keine Vorsorge getroffen dagegen, dass sich selbst Länder, die schon Teil der EU sind „so extrem entwickeln können“.
Beck, durch Erfahrungen im Bosnienkrieg von ihrer grundsätzlich pazifistischen Haltung abgerückt, spricht sich seit Russlands Annexion der Krim für eine stärkere Unterstützung der Ukraine, auch mit Waffen, aus: „Nie wieder Aggression ist die eine Seite. Die andere ist: Schutz derjenigen, die zu Angegriffenen werden. Um sie zu schützen, braucht man notfalls militärische Mittel.“ Beck bezeichnete es deshalb im Februar im NDR als „bitter und unverständlich“, dass trotz westlicher Ankündigungen zu wenig Munition an die Ukraine geliefert werde: „Eigentlich verraten wir die Ukraine.“
Sorge bereitet der ehemaligen Staatssekretärin im Familienministerium auch der zunehmende Antisemitismus in Deutschland, den sie sowohl rechts als auch links wahrnimmt, aber auch inmitten des bürgerlichen Milieus. Antisemitismus sei wie feiner Staub, der „kaum zu fassen ist und alles hartnäckig bedeckt“. Mehrfach wurde Beck, die selbst jüdische Enkel hat, wegen ihres Engagements gegen Antisemitismus ausgezeichnet: So erhielt sie 2016 vom American Jewish Committee den Ramer-Award für „Courage in the Defense of Democracy“ und ist seit 2018 Ehrenmitglied im Regionalen Verband der ehemaligen Ghetto- und KZ-Überlebenden in Odessa. Seit dem gleichen Jahr gehört sie auch zur „Beratenden Kommission im Zusammenhang mit der Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturguts“. In dieser Funktion habe sie bestürzt zur Kenntnis nehmen müssen, wie in gutbürgerlichen Schichten regelrecht „geschäumt wird, wenn ein Exponat wieder herausgegeben werden soll an die rechtmäßigen Erben“.
Auch wichtig: Zeit für die Familie
Beck, seit 2022 auch Trägerin des Verdienstkreuzes Erster Klasse der Bundesrepublik Deutschland, sieht unsere Gesellschaft derzeit in einem tiefgreifenden und in hohem Tempo ablaufenden Wandel. „Diese Entwicklungen erzeugen Ängste und Sorgen, die populistische Kräfte für sich nutzen und die ihnen Auftrieb verschaffen.“ Mit ihrer Tätigkeit im Zentrum Liberale Moderne möchte sie solchen negativen Entwicklungen entgegenwirken.
Neben ihrer politischen Arbeit hat Beck aber auch noch Zeit für die Familie. Mit ihren Mann Ralf Fücks ist sie seit 2006 verheiratet und hat mit ihm zwei erwachsene Kinder. Das Paar lebt inzwischen in Berlin-Mitte, kümmert sich gerne auch um seine Enkelkinder. „Wenn ich mit meinen Enkelkindern auf den Spielplatz gehe, habe ich das Gefühl, wir sind da, wo ich hin möchte. Absolut multikulturell!“, freut sich Oma Beck, die allerdings auf vielen Seiten auch „fundamentalistische Rückwärtsentwicklungen“ sieht: „Es ist nicht ausgemacht, wie die Welt in 100 Jahren aussehen wird. Deshalb haben wir uns auch Liberale Moderne genannt, weil es eine Auseinandersetzung mit einer autoritären Moderne ist, die alles in sich birgt: Antisemitismus, Rassismus, natürlich auch religiösen Fundamentalismus und Diktatur.“ Und das sei für sie keine Alternative.