Als junger Schlagzeuger wanderte Franz Schmidt Ende der 80er-Jahre aus dem Saarland in die USA aus. Mittlerweile arbeitet er als Airbrush-Künstler wieder in der alten Heimat. Ein Erdbeben brachte die Wende.
Als er mit seinen Drumsticks im Gepäck Ende der 80er-Jahre ins Künstlerleben in New York eintauchte, ahnte er nicht, dass er sie schon bald gegen ein anderes Arbeitsgerät eintauschen würde: nämlich die Airbrush-Pistole. Mit Anfang 20 zog es Franz Schmidt aus Spiesen nach Amerika – erst nach New York, dann nach Los Angeles – um dort als Schlagzeuger erfolgreich zu werden. Das Zeichnen, erzählt er heute, war zwar immer sein ganz besonderes Hobby, aber es war ihm bis dahin nicht in den Sinn gekommen, es tatsächlich zum Beruf zu machen. Die Musik, das war klar, stand immer an erster Stelle.
Als nach dem Umzug von New York nach Los Angeles die Sache mit der Musikkarriere eher schleppend lief, hinterlegte Schmidt seine Daten notgedrungen bei einer Jobagentur. Er erinnert sich: „Da war ich also als Musiker in den USA, hatte kein Geld und suchte einen Job.“ Im Portfolio gab er an, was er eben konnte: Fremdsprachen, Schlagzeug spielen und Malen. „Irgendwann riefen sie an und nannten eine Adresse am Santa Monica Boulevard. Als ich ankam, war dort eine Konditorei.“ Doch seine anfängliche Verwunderung legte sich bald, als er feststellte, welches Backwerk dort über die Theke ging: XXL-Motivtorten mit handgemalten Bildern. Schmidt kennt noch die alten Bestseller: „Einen Marilyn-Monroe-Kuchen und einen mit Arnold Schwarzenegger musste man immer im Kühlschrank haben. Es war halt Hollywood.“ Die Kuchen, so stellte sich heraus, wurden mit Airbrush-Technik gestaltet, mittels derer Lebensmittelfarbe auf eine spezielle Buttercreme gesprüht wurde. „Am Anfang habe ich erst mal einige Kuchen versaut, bis ich die Technik konnte“, berichtet er über seine ersten Arbeiten. Schließlich war Feingefühl gefragt, von der Farbdosierung bis hin zum Luftdruck musste alles stimmen. „Man kann mit Airbrush nicht so nah an den Kuchen heran, irgendwann fliegt dir nämlich die Creme weg“, sagt er lachend. Aber er lernte schnell und blieb tatsächlich vier Jahre lang in der Kuchengestaltung. Plattenfirmen, Filmstudios und Hollywood-Prominenz gehörten bald zur Stammkundschaft. Parallel dazu machte Schmidt sich die Airbrush-Pistole, die ihm bis dato als Arbeitsgerät fremd war, immer weiter zu Eigen und perfektionierte sein Können. Er belegte renommierte „Airbrush-Action-Getaway“-Workshops in Phoenix, Anaheim und New York, die sehr intensiv sein konnten: fünf Tage, zehn Stunden jeden Tag, erinnert er sich. Ausgezahlt hat es sich allemal, denn die Aufträge ließen nicht auf sich warten. Als Airbrush-Artist gestaltete er in den folgenden Jahren nicht nur Kuchen, sondern auch Shirts, Lederjacken, Autos und komplette Fassaden und machte sich als Künstler einen Namen.
Flipperautomaten für einen Weltstar
Besonders in den USA hat Airbrush eine lange Tradition. Im Jahr 1876 meldete der Amerikaner Francis Edgar Stanley das erste Patent auf eine Airbrush-Pistole an. Unter einer solchen Airbrush versteht man eine kleine Spritzpistole, durch die verschiedene Arten von Farben mit Druckluft zerstäubt werden können. Bis ins 20. Jahrhundert wurde die Technik, durch die Farbe besonders gleichmäßig auf einen Untergrund aufgetragen werden kann, allerdings eher aus praktischen Gründen zum Lackieren angewandt und weniger zur Herstellung von Kunst. Mit dem Aufkommen des Fotorealismus in den 60er-Jahren erweiterte sich allerdings das Anwendungsgebiet, denn die Airbrush-Technik bot die Möglichkeit feinste Nuancen und Farbverläufe aufzutragen und so Bilder zu kreieren, die in ihrem Detailreichtum und in ihren Feinheiten lebensecht und dreidimensional wirkten. Die Technik hat sich seitdem nicht nur in der Kunstwelt bewährt, sondern auch in anderen Bereichen, denkt man etwa an die bunten Schilder an Ladenlokalen, an Kirmesbuden, an besprühte Trucks oder eben komplett mit Airbrush gestaltete Häuser.
Als im Jahr 1994 ein schweres Erdbeben die Region um Los Angeles erschütterte, starben dabei 57 Menschen, mehr als 9.000 wurden verletzt und der Sachschaden belief sich auf 20 Milliarden Dollar. Schmidt und seiner damaligen Frau steckte das Ereignis in den Knochen und sie entschieden sich dazu, Amerika zu verlassen und in die alte Heimat zurückzukehren. „Eigentlich sollte Südfrankreich der neue Wohnsitz werden“, verrät er lachend, „aber dann wurde es erst einmal Lothringen.“ Nach einigen Jahren dort lebt und arbeitet Franz Schmidt heute wieder auf der deutschen Seite der Grenze in seiner alten Heimat im Saarland. Ob es ihm schwer gefallen ist, das Leben in der schillernden amerikanischen Großstadt hinter sich zu lassen? Nein, sagt Schmidt. „Wir haben hier ja so viele Leute gekannt und ich habe einfach weitergemacht. Die Malerei war jetzt mein Hauptberuf.“ Zurück in der Heimat mangelte es ihm nicht an Aufträgen. Heute wird er von Firmen oder Gastronomiebetrieben für großflächige Wandbilder gebucht, er arbeitet aber auch an Illustrationen, Comics, Karikaturen und verrät, dass er erst kürzlich die Anfrage bekommen hat, einen Flipperautomaten für einen Weltstar zu gestalten, der seine Sammlung erweitern will.
Als wir Franz Schmidt zum Interview treffen, steht er nicht am Flipper, sondern bei ungemütlichem Wetter im Wind an der Straße. Im Vorbeifahren denkt man auf den ersten Blick, er wartet vor einem Birkenwald. Auf den zweiten Blick sieht man, dass er vor einer Betonmauer steht und eine Airbrush-Pistole in der Hand hat. Der Wald aus Birken, den er hier auf 120 Quadratmeter Wand gesprüht hat, wirkt tatsächlich täuschend echt. Zu finden ist diese Auftragsarbeit in Quierschied am Umspannwerk auf dem Weg zum „Kraftwerk Weiher“. Wie lange er von der Idee bis zum fertigen Motiv braucht, fragen wir ihn. „Darüber denkt man besser gar nicht nach“, lacht Schmidt. Die Vorgabe für das aktuelle Motiv sei zum Beispiel „Wald“ gewesen. Schmidt ließ dann seinen Ideen freien Lauf, fotografierte als Inspiration passend zur Location ein Stück Quierschieder Wald – dessen künstlerisches Abbild nun also die Wand ziert. Bis das fertige Bild an der Mauer prangt, gibt es allerdings nach dem Entwurf einige weitere, nicht eben unaufwendige Arbeitsschritte. Die Wand – deren Maße man sich immer wieder vor Augen führen muss – wird erst grundiert, dann trocknen gelassen und anschließend abgeklebt – oder maskiert, wie Schmidt sagt. „Und dann kann man mit dem Malen anfangen … klingt doch ganz einfach“, scherzt er. Ganz so einfach ist es am Ende dann natürlich doch nicht, bis die riesige Fläche Schicht für Schicht mit Acrylfarbe bedeckt ist. Denn gerade in fotorealistischen Darstellungen steckt enorm viel Feinarbeit, zahlreiche Schichten, die Licht und Schatten abbilden und kleine Feinheiten und Details zum Vorschein bringen, müssen sorgfältig und überlegt mit der Airbrush-Pistole aufgesprüht werden. Bei Arbeiten im Freien sind weitere wichtige Faktoren außerdem das Wetter und die Sonnenstunden. Idealerweise ist es trocken und lange hell.
„Ich kann dabei richtig abschalten“
Wie lange man bei einem so detailreichen Kunstwerk konzentriert arbeiten kann, wollen wir wissen. Schmidt antwortet mit seinem gewohnten Humor: „Im Idealfall macht man es wie Salvador Dalí und arbeitet nur eine Stunde am Tag, das wäre perfekt! Wenn man konzentriert und effizient arbeitet, bekommt man in einer Stunde mehr gemacht, als die meisten in acht Stunden. Das gilt übrigens für viele Bereiche.“ Natürlich bleibt Schmidt länger bei der Sache, erzählt, dass er bei einigen Werken schon zwölf bis 16 Stunden gearbeitet hat. „Ich kann dabei aber auch richtig abschalten, man kommt in einen Flow.“ Aber er fügt hinzu: „Wenn es nur nicht so anstrengend für den Rücken wäre.“ Auch die Haltung der Hände sei nicht immer angenehm, die Airbrush-Pistole wird der besseren Kontrolle wegen mit zwei Händen gehalten und das mehrere Stunden am Stück. Außerdem muss man sowohl Flächen knapp über dem Boden als auch die Bereiche in zwei Meter Höhe besprühen. Voller Körpereinsatz ist also unerlässlich.
Was bei Schmidts Bildern auffällt, ist die faszinierende Genauigkeit der Perspektive und der 3D-Effekt, der dem Bild räumliche Tiefe verleiht. Franz Schmidt hat eine Einschätzung dazu, welche Rolle das persönliche Talent bei der Qualität des Ergebnisses spielt: „Das ist wahrscheinlich wie beim Spielen eines Instruments. Wenn man überhaupt kein Talent dafür hat, ist es viel zu viel Arbeit. Nur die Technik zu lernen, das bringt es nicht.“ Er selbst erinnert sich daran, wie er schon im Schulunterricht perspektivisch zeichnete und damals noch dachte: „Das kann doch jeder.“ Aber es kann eben nicht jeder und das ist es, was Franz Schmidts Werke so einzigartig macht.